Nerviger Klingelton

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Plagg hatte sich eben mit einem neuen Stück Camembert, das er sich heimlich in Adriens Abwesenheit geschnappt hatte, auf Adriens Bett bequem gemacht. Adrien war duschen gegangen und er hatte endlich mal wieder freie Bude. Es war manchmal echt nervig, an einen Jungen gebunden zu sein, nur weil Hawk Moth sein ödes Spiel trieb. Aber wie sollte er denn sonst an Futter kommen? Das hatte er ja zurzeit nötig, bei seiner ganzen Kämpferei, die ihm eine Menge Anstrengung kostete. Das war ja verständlich, trotzdem musste Adrien immer seine Standpauke halten, wenn er Hunger hatte. Angeblich sollte der Käse stinken, aber genau das machte ihn doch so köstlich. Außerdem nervte es Adrien, dass er immer der Verantwortliche für ihn sein musste. Der konnte gut reden ... er selbst hatte ja sogar einen persönlichen Koch! In so vielen Dingen würde er gerne mit Adrien tauschen. Er wurde von seinem Vater quasi eingesperrt, was ihm immer so zu schaffen machte. Na und? Er könnte so viel zu Hause chillen wie er wollte! Er dagegen wurde gegen seinen Willen dazu gezwungen, jeden Tag mit zur Schule zu kommen, gegen Bösewichte zu kämpfen und sein unerträgliches Geplapper über Ladybug zu ertragen. Und doch fühlte er sich sicher bei Adrien, das musste er zugeben. Solange er dies nur sich selbst gestand und keinem anderen ... mit riesigem Appetit biss er in seinen leckeren Schatz hinein.
Außerdem hätte er ohne Adrien niemanden, den er ärgern konnte, was ihm doch so einen Spaß bereitete. Adrien schien manchmal echt genervt von Plagg zu sein, was ihn immer zum Grinsen brachte. Ja, es hatte durchaus auch Vorteile sich mit Adrien abgeben zu müssen ...
Er hatte eben einen weiteren Käse gefunden, den er genießen wollte, als das grässliche Handyklingeln anfing. Er hatte Adrien schon öfters angeboten, eine Tonaufnahme von Plaggs Gesang zu machen und somit an einen gescheiten Klingelton zu kommen, doch dieser wollte nichts davon hören. Plagg nahm sich vor, noch bis 5 zu zählen, und wenn dann die Person noch immer nicht aufgab, würde er den Anruf ablehnen, nur damit das Klingeln ein Ende nahm. Adrien stand immer noch ahnungslos in der Dusche, perfektes Timing. Er war mit Zählen erst bei Zwei angekommen, als das Klingeln von selbst aufhörte. Das war ja mal kurz. Wahrscheinlich hatte der Anrufer gerade bemerkt, bei der falschen Nummer angerufen zu haben oder so ... Plagg hatte keine Lust, sich weitere Gedanken darüber zu machen und biss wieder vergnügt in seinen Käse hinein. Doch eine gute Minute später klingelte Adriens Handy erneut. Mürrisch zählte Plagg wieder bis Fünf, und weil er zu faul war aufzustehen, noch bis Zehn. Dann ertrugen es seine Ohren nicht mehr. Erstaunlich was für eine Geduld der Anrufer hatte, immer noch nicht aufzulegen. Genervt flog er zum Handy und schaute aufs Display. Zu seiner Überraschung stand da 'Marinette'. "Sieh mal einer an", murmelte er vor sich hin. "Seine geliebte Ladybug ruft an und er weiß es noch nicht einmal." Er spielte mit dem Gedanken, zum Spaß dranzugehen und sie mit seiner typischen Plagg-Stimme mit "Hallo Ladybug" zu begrüßen. Ihre Reaktion wäre bestimmt ganz unterhaltsam. Doch sogar dieses freche Wesen konnte sich noch beherrschen. Entschlossen drückte er auf Ablehnen. Möge sie denken, was sie wolle, dieses Klingelton-Geklimper hielt er nicht mehr aus. Doch im Nachhinein war er tatsächlich neugierig, weshalb die schüchterne Marinette angerufen hatte. Und dann noch mit so einer Entschlossenheit, eine Ewigkeit zu warten, bis Adrien drangehen würde. Doch das hatte er nicht getan. Der stand ja immer noch in der Dusche und träumte wahrscheinlich wieder von seiner Ladybug.

***

Sonst hätte Marinette wohl erleichtert ausgeatmet, doch in diesem Augenblick verspürte sie pure Enttäuschung. Sie hätte mit allem gerechnet, dass sie während des Gesprächs vor Pein das Handy aus dem Fenster geworfen hätte. Dass sie sich zum kompletten Affen machen würde und vor Scham die Schule wechseln müsse. Auch dass wie letztes Mal der Anrufbeantworter sprechen würde, aber damit, dass Adrien den Anruf sah und wahrscheinlich absolut genervt ablehnte, hatte sie nicht gerechnet. "Was war das denn?", wunderte sich Alya. "Täusch ich mich, oder hat der den Anruf tatsächlich einfach so abgelehnt?" Marinette war mindestens genauso verwundert wie Alya. Verwundert, aber noch viel mehr verletzt, enttäuscht. "Er wird schon seine Gründe haben ...", erklärte Marinette. "Wahrscheinlich hatte er gerade einfach keine Lust auf ein stotterndes kleines Mädchen wie mich." Alya war anzusehen, dass ihr keine gute Ausrede einfiel. "Sag sowas doch nicht, Marinette ...", versuchte sie einen Trostversuch und legte aufmunternd eine Hand auf ihre Schulter. Doch Marinette machte sich gar nicht erst die Mühe, den Willen ihrer Freundin zu erfüllen und weiterhin positiv zu denken. Ihre Niedergeschlagenheit würde ihr auch bei einem Lächeln ins Gesicht geschrieben sein. Nach einer Weile war Alya wohl doch etwas eingefallen und sie redete gut auf sie ein. "Vielleicht hat er sich einfach vertippt und wollte annehmen, stattdessen aber auf den roten Ablehnknopf gedrückt. Ausversehen!", konterte sie mit ihrem Zeigefinger. "Ich bitte dich, Alya. Das ist einzig und allein mein Job. Er wäre niemals so tollpatschig wie ich." Alya lachte. "Ja, aber bei dir würde es sicher ganz anders aussehen. Du würdest erst einmal aufs Display schauen, vor lauter Schreck Adriens Namen zu lesen das Handy fallen lassen, wobei du um vergeblich zu versuchen, es aufzufangen, über deine eigenen Füße stolpern und auf das auf dem Boden liegenden Handy fallen würdest, mit der Nase exakt auf dem roten Knopf gelanden wärst, wodurch du den Anruf versehentlich abgelehnt hättest." Marinette konnte nicht anders, sie musste kichern. "Von  meinem dann gebrochenen Armen ganz zu schweigen!" Aber trotzdem ... sie konnte nicht so einfach auf gute Laune wechseln. Immerhin hatte gerade der Junge, den sie über alles liebte, ihren Anruf, der ihr allen Mut gekostet hatte, abgelehnt. Anscheinend wollte er wirklich nichts von ihr wissen. Alya bemerkte sofort die zurückkommende Traurigkeit ihrer Freundin. "Hey, hör mal. Du kannst doch gar nicht wissen, was los war!" Abgesehen davon, ob ich es überhaupt wissen will, dachte  Marinette. "Er hat doch viel um die Ohren, das weißt du. Klavierunterricht, Basketball, Fotoshooting, Chinesisch-Unterricht, Fechten, dies und das. Womöglich war er einfach überfordert mit seiner Zeit und hat vor, dich nachher wieder zurückzurufen!" Marinette ließ sich aufs Bett fallen und presste ihr Gesicht aufs Kissen. "Schön wär's", murmelte sie mutlos durch den Kissen hindurch. "Ich frag ihn sonst einfach morgen in der Schule, was los war, in Ordnung?" Alya setzte sich zu ihr aufs Bett. "Come on, deine beste Freundin will dich wieder glücklich sehen!" Wenn das doch nur einfacher wäre ...

***

Adrien hatte länger in der Dusche gestanden als gewöhnlich. Er fühlte sich nicht fitter, nur weil er heute nicht gekämpft hatte. Eher träger, was wohl an der bedauernden Tatsache lag, dass er Ladybug so stark vermisste. Er hatte sie den ganzen Tag lang nicht sehen können. Während er im kühlen Wasser stand, hatte er sich besser gefühlt. Doch nun, als er sich endlich zwang hinauszutreten, spürte er wieder die unerträgliche Leere und Sehnsucht nach Ladybug. Wieso konnten sie sich nur sehen, wenn sie Paris retten mussten? Er dachte, sie wären auch Freunde ...
Sein noch feuchtes Haar, das ihm tief auf die Stirn fiel, ließ Wassertropfen über sein Gesicht tanzen. Sie fühlten sich fast an wie Tränen. Nun aber zurück in sein Zimmer, wer weiß, was Plagg wieder in seiner Abwesenheit angestellt hatte. Vor seiner Tür hielt er inne. So wie eigentlich jedes Mal nach dem Duschen. Genau hier, ja hier in der Tür hatte Ladybug gestanden. Mit diesem süßen Lächeln, das ihn bis in die Träume verfolgte. Er hatte sie vorher noch nie so schüchtern erlebt. Er erinnerte sich noch an jedes ihrer Worte, die er immer noch nicht richtig deuten konnte. Doch er zwang sich, nun nicht erneut darüber nachzugrübeln. Ein letztes Mal fuhr er ehrfürchtig über die Stelle, an der Ladybug ihren Kopf hereingesteckt hatte, um nach ihm, Adrien, zu suchen, weil sie ihn in Sicherheit vor dem Superschurken bringen wollte. Nun aber dalli.
Als Adrien sein Zimmer betrat, lag Plagg träge auf seinem Handy und grinste verschwörerisch, als er ihn erblickte. "Hey, willst du, dass mein Handy auch noch nach Käse stinkt? Kannst du nicht wo anders faulenzen?" Plagg gähnte und machte keine Anstalten, sich vom Fleck zu rühren. "Wäre durchaus bequemer", gab er zu. "Allerdings hatte ich nach dem Anruf keine Lust, den mühsamen Weg wieder zurückzufliegen." Plagg verschränkte die Ärmchen hinter dem Rücken.
Adrien ärgerte sich ein wenig darüber, dass Plagg anscheinend Lust hatte, wieder in Rätseln zu reden. "Was für ein Anruf?" "Aaach, nichts weiter", meinte Plagg locker. "Ein gewisses Mädchen hat angerufen und anscheinend nicht lockergelassen. Dieses endlose Geklingel war ja zum Kotzen! Dann hab ich halt abgelehnt, um meine armen Katzenohren zu erlösen. Ich hab ja schon immer gesagt, du brauchst 'nen neuen Klingelton ..." Adrien verlor komplett die Nerven. "Wie bitte? Während ich duschen war, hast du einen Anruf abgelehnt, sodass die Person dahinter was auch immer von mir denkt? Und wer bitte soll dieses Mädchen gewesen sein?" "Denk doch mal nach", sagte Plagg lässig. Adrien stöhnte laut auf. "Plagg! Deinetwegen flipp ich eines Tages wirklich aus! Und was wird dann mein Vater denken? Dass ich mit mir selbst schimpfe? Wenn's sein muss, rate ich halt, nur damit du Ruhe gibst. Chloé? Kagami? Lila??" Plagg fuhr zusammen. Lila fand er äußerst unsympathisch für seinen Geschmack. "Zwischen Ladybug und Lila liegt ja wohl eine meilenweite Entfernung", amüsierte sich Plagg. Adrien stutzte. "Willst du mir etwa klarmachen, dass Ladybug angerufen hat?!?" Plagg konnte sich nicht mehr beherrschen, er lachte lauthals los. Adriens Reaktionen waren einfach himmlisch! Und diese Gesichter, die er dabei immer zog. Er prustete ohne Ende und hielt sich den Bauch fest. Adrien verdrehte die Augen. "Also wieder nur ein blöder Scherz von dir. Hätt ich mir gleich denken können." Nun reichte es Adrien echt. Er packte sein Handy, wobei Plagg zu Adriens Befriedigung runterrollte und vornüber auf den Tisch fiel, worauf sein Handy gelegen hatte. Er sah nach, wer zuletzt angerufen hatte und stutzte mit großen Augen. "Marinette?" "Du sagst es!", stimmte Plagg ihm immer noch amüsiert zu. "Na toll. Und was soll die jetzt von mir denken? Dass ich keine Lust auf ihren Anruf hatte?", machte er seinem Kwami Vorwürfe. "Und ich kann noch nicht einmal die Wahrheit von einem unverschämten kleinen Ding namens Plagg erzählen, das mir den ganzen Ärger erst eingebrockt hat. Ich hasse es, Notlügen auszudenken." Plagg schien keine Schuldgefühle zu haben. "Tja, hättest beim Duschen halt nicht so trödeln dürfen!" Ja klar, jetzt musste er auch noch einen Grund finden, weshalb Adrien selbst bei dem Schlamassel Schuld sein sollte. "Oder den Klingelton ändern", fügte er schmollend hinzu.

Ladybug und Cat Noir: Wahre Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt