Die Geschichte eines neuen Namens

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Lila erzählte uns von dem Buch. Zu meinem Erstaunen sie sich große Mühe, sie tat es so wie früher, wählte die Worte so, dass wir die Menschen und Dinge präsent hatten und auch das Gefühl, das sie ihnen zuordnete, während sie sie nachzeichnete, sie festhielt, hier, jetzt, lebendig. Sie sagte, es sei gar nicht nötig, auf den Atomkrieg zu warten, im Buch sei es, als hätte es ihn schon gegeben. Sie erzählte uns lang und breit von einer Frau namens Winnie, die immer wieder ausgerufen habe: Wieder ein glücklicher Tag, und auch Lila deklamierte diesen Satz und war, als sie ihn vortrug, derart bewegt, dass ihre Stimme leicht zitterte. Wieder ein glücklicher Tag, unerträgliche Worte, denn nichts, gar nichts in Winnies Leben, erklärte sie uns, nichts in ihren Bewegungen, nichts in ihrem Kopf und nicht an den vorangegangenen. Aber, fügte sie hinzu, wer sie noch stärker beeindruckt habe, sei ein gewisser Dan Rooney gewesen. »Dan Rooney«, sagte sie, »ist blind, beklagt sich jedoch nicht darüber, weil er der Meinung ist, das Leben sei ohne Sehkraft besser. Er geht sogar so weit, sich zu fragen, ob das Leben, wenn man taub und stumm werden würde, nicht noch mehr Leben wäre, reines Leben, Leben ohne etwas anderes als Leben.« »Warum hat dir das gefallen?«, erkundigte sich Nino. »Ich weiß noch nicht, ob es mir gefallen hat.« »Es hat dich aber neugierig gemacht. »Es hat mich nachdenklich gemacht. Was soll das heißen, dass das Leben mehr Leben ist ohne Sehkraft, ohne Hörvermögen und sogar ohne Worte?« »Das ist vielleicht bloß ein Gag.« »Nein, was denn für ein Gag. Darin liegt was, das viel anderes wachruft, das ist kein Gag.«

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