Passion

1. Passion - Loving you deeply

Ich kann nicht abstreiten, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als einen neuen Job zu finden, der mehr Geld abwirft und mich endlich aus meiner misslichen Lage bringt. Die Situation, in der ich momentan stecke, ist mehr als unakzeptabel und das weiß ich. Es ist nicht so, dass ich nicht versucht habe, etwas aus mir zu machen - ich habe meinen frühzeitigen, ausgezeichneten Abschluss am College gemacht, habe für zwei Jahre in einer Firma als Fremdsprachenkorispondentin gearbeitet und gutes geld verdient. Zumindest bis zu dem Tag, an dem die Firma, in der ich angestellt war, aus heiterem Himmel verkauft und alle Angestellten fristlos gekündigt wurden. An sich wird es kein Problem für mich werden, eine neue Stelle zu finden, doch mir fehlt das nötige Geld, um einen Neustart in einer anderen Stadt zu haben.

Das ist der einzige Grund, der mich in diese Lage gebracht haben. Es gibt so viele Menschen, die mich nicht kennen, sondern anschauen und direkt verurteilen, ohne ein Wort mit mir gewechselt zu haben. Das sind die Menschen, die ich verabscheue, da sie keinerlei Ahnung haben und mich dennoch als schlechten Menschen ohne Zukunft abstempeln.

Dennoch, ich würde nicht sagen, dass ich mit meinem Leben unzufrieden bin. Immerhin bin ich kerngesund, habe keine sonstigen gesellschaftlichen Probleme und verdiene gerade genug Geld, um meine Wohnung bezahlen und meine Versorgung auf dem Minimum halten zu können. Ich muss weder Hungern, noch Nächte auf der Straße verbringen.

Meine erste Schicht beginnt morgens um 7:00 Uhr in einem kleinen Café im Shoppingzentrum der gesamten Stadt. Mein Job als Bedienung wirft hin und wieder gutes Trinkgeld ab und ich liebe es, jeden Tag aufs Neue mit so vielen unbekannten Gesichtern in Kontakt zu treten. Während der Arbeitszeiten fällt es mir tatsächlich endlich mal leicht, nicht an meine Probleme zu denken.

Meine Kollegen sind zumal wie eine kleine Familie für mich - meine einzige Familie, da ich, seit dem ich denken kann, eine Waise bin. Meine richtigen Eltern habe ich nie kennen gelernt und aus dem Heim bin ich bin zu meinem 18 Lebensjahr auch nicht herausgekommen. Ab da war jedoch der Zeitpunkt, dass ich endlich für mich selbst sorgen durfte.

Meine zweite Arbeitsstelle ist in einem großen Firmenkomplex, voll mit wichtigen und wohlhabenden Menschen. Es handelt sich dabei um ein weltweit bekanntes Bekleidungsunternehmen, wobei iich bezweifle, dass der CEO selbst derjenige ist, der dieses Label ins Leben gerufen hat. 'West Coast Classics' ruft sich die Marke, die in den letzten Jahren mehr als angesagt zu sein scheint.
Ich hingegen bin nur ein kleines Lichtchen und würde mich nicht einmal als Teil der Firma bezeichnen. Ich bin schließlich nur diejenige, die Abends dafür sorgt, dass am nächsten Tag die Chefetage blitz und blank und kein Krümel mehr auf dem Boden zu finden ist.
Wieso ich gerade das Glück habe, für die Chefetage zuständig zu sein, ist mir ein Rätsel, doch ich bin mehr als dankbar dafür. Die Obersten der Firma sind immerhin auch die saubersten.

Mein Blick schweift bei dem Gedanken daran, dass bald wieder ein Tag verstrichen ist, an dem ich nur gearbeitet habe, über das große Glasgebäude. Die verdunkelten Scheiben leuchten in dem letzten verbleibenden Sonnenstrahlen. Ein paar Vögel ziehen an der Glasfront vorbei.

Es ist punkt 20:00 Uhr und eine grose Menschenmasse ströhmt aus dem Gebäude in richtung Straße. Wildes Gehupe ist hinter mir zu hören. Für die meisten Menschen ist nun Feierabend; sie fahren zu ihren Familien nach Hause, lassen den Tag gemütlich ausklingen und stehen morgen früh ausgeschlafen wieder vor der Matte. Sie haben zwar einen harten Job, das möchte ich nicht bemängeln, doch sie haben außerdem ein richtiges soziales Privatleben.

Sobald die Masse an Angstellten weniger wird und nur noch vereinzelte Nachzügler durch die gläserne Schiebetür huschen, rücke ich meine Tasche zurecht und bewege mich richtung Eingang. Auch im Inneren des Gebäudes ist es still und ruhig geworden.