Es war ein kalter Morgen und die Berge, durch die die Wege des Geistigenkreises sie heute führen würden, waren vom Nebel verhangen. Paul atmete tief ein und lächelte, nahm wieder Schritt mit den anderen der Missionarsgruppe auf. Frohgemut sang er ein Pilgerlied vor sich hin. "Halleluja, Ultreya Saaaaantiago Olé." Das Tal befand sich in nicht mehr allzu weiter Ferne und so festigte er seinen Griff um die Stofftasche über seiner Schulter und lief noch etwas schneller an die Spitze der Gruppe, wo Erzdiakon, Priester und zwei Ministranten liefen, er hörte nicht auf, seine Melodie zu singen.
Ein Lied erreichte Richards Ohren, ein Lied gesungen aus frohem Herzen. Er blickte auf und sah den jungen Mönch in seiner weißen Kutte vorranschreiten und fröhlich singen. Er lächelte sanft, da er sich Pauls Euphorie und Wanderlust erfreute. Er hatte den Kleinen gern, seine fröhliche Art und wie er immer über alles lachen und lächeln konnte. Es brachte Licht in das sonst so öde und auch düstere Leben der Geistlichen, ein Licht, welches jedoch manchmal auch zu hell schien, sie blendete und von der Arbeit ablenkte und so musste man das Licht auch manchmal löschen.
Paul lächelte leichten Herzens seinen Mitchristen zu. Die zwei Ministranten setzten in sein Lied mit ein. Nur der Erzdiakon und der Priester lächelten lediglich fromm und ließen sich von der Musik den Weg begleiten. Paul war der Kleinste der Anwesenden, nur die ganz kleinen Messdiener und den Kaplan überragte er um einige wenige Centimeter, aber der war nun wirklich nicht der Jüngste. Paul lief als erster in das Tal hinab. Die frische Luft wehte herrlich durch seine Haare. Der Mönch wurde von Handküssen begrüßt, sagte widerwillig den Einwohnern des Tals, dass dies nicht nötig sei. Er wendete seinen Kopf zur Seite und sah, dass es die anderen Geistlichen nur zu gerne Annahmen, dieses Ansehen, welches sie beim einfachen Volk genossen. Ein wenig schief schaute er doch drein und lernte, sich daran zu gewöhnen.
Schön war es, hoch angesehen zu werden, begrüßt zu werden wie man sonst nur Adelige grüßen würde. Auch Richard liebte dieses Ansehen, lang genug hatte er in einem Kloster verbracht, nun wollte er endlich geschätzt werden für das, was er tat, für die Vermittlung des Glaubens an die Unwissenden.
Man lud sie ein zu einem Festessen und behandelten sie so, als wären sie gar Gott selbst.Paul war das erste Mal in seinem Leben auf Missionierungszug. Ihm war es unangenehm, sich gezwungen zu fühlen, übergeordnet zu sein, doch wenn es der Wille Gottes sei? Paul musste kurz ungläubig kichern. Aber natürlich war dies der Wille Gottes. Einmal im Jahr packte also das gesamte Dorf ihre ersparten Vorräte auf den Festmahlstisch, nur wegen Kirchenangehörigen? Aber Paul wollte sich das Essen trotzdem nicht entgehen lassen, schließlich wurde im Kloster die meiste Zeit nur gefastet. Er ließ die Gedanken geschwind davonschweifen und stimmte gediegen, wie nach alter Gewohnheit, ein Essensgebet an und alle falteten die Hände. Paul sah hier und da kleine Kinder, die ihn begeistert ansahen, als er die Masse zum Schweigen brachte und er sah die Mütter der Kinder, die ihnen sagten, sie sollen ihre Hände falten. Paul lächelte, diese Kinder waren so unbefangen, mussten sich nicht mit heiligen Schriften auseinandersetzen.
"O, Herr, segne uns und diese deine Gaben, die wir durch seine Güte empfangen haben. Durch Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn. Amen."
"Amen", stimmte die gesamte Halle im Chor ein und das Essen war eröffnet.Lange waren sie gelaufen, durch Täler, über Berge, zu wenig Proviant hatten sie mitgenommen, sodass das jetzt servierte Essen ein wahrer Segen war. Richard war dem Verhungern nahe, fühlte sich jedoch ein klein wenig schuldig, sich nun so zu bedienen und den Menschen das Essen regelrecht wegzunehmen. Natürlich boten sie es freiwillig an, dennoch.
Richard sah ab und zu zu Paul hinüber, schenkte ihm ein fröhliches Lächeln und widmete sich dann wieder den Köstlichkeiten auf dem Tisch.Paul nahm sich wohlerzogen als letztes etwas zu Essen und als ein Kind klagte, es habe nicht mehr rechtzeitig eine Hühnerbrust erwischt, so reichte er ihm seine eigene, er hatte sowieso keinen großen Hunger. Die Stimmung war ausgelassen und der Mönch schaufelte einige Bröckchen Kartoffeln auf seinen Holzlöffel, er begann, nachdenklich zu werden. Durch Pauls Gebetskundigkeit, seine Familiengeschichte und auch sein Engagement bei gemeinnütziger Arbeit, mussten ihn manche hier bestimmt für sehr fromm und gläubig halten. Aber der Anblick täuschte.
Wenn sie nur wüssten.
Einige Male erntete er zu seiner Überraschung ein freundliches Lächeln von der anderen Seite des Tisches, es war der Priester. Gerne lächelte Paul zurück.
Wenn er nur wüsste.
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Für dich begeh ich eine Sünde, mögen es auch zweie sein
FanfictionAngst um die Seele nach dem Tod, Schweigen und ewige Verleumdung. Einmal im Leben findet sich jeder in seinem schlimmsten Teufelskreis wieder. Alte Gesichter und altes Leid trüben das ach so friedliche Bild der Kirche. DISCLAIMER: diese Story enthäl...