„Entschuldigen Sie", rief ihr die Frau hinterher, die im Erdgeschoss links der Eingangstür wohnte. „Die Post hat bei mir geklingelt und ein Päckchen für ihre Partnerin da gelassen. Das können sie doch gleich mit hoch nehmen, nich'?" Verwirrt drehte sich Emma um.
„Wie... Partnerin?", stotterte sie vor sich hin, während ihr die alte Dame entgegen kam und das Päckchen in die Hände drückte.
„Ja, ich weiß, Postgeheimnis und so, weil sie ja nicht den selben Nachnamen haben. Aber wer fragt denn schon danach." Sie kicherte einmal, dann war sie auch schon in ihrer Wohnung geschwunden.
„Danke?", entkam es Emma in ihrer Verwirrung noch, dann stieg sie überfordert die Treppen hinauf. Der Schlüssel klapperte fröhlich, während er sich im Schloss neben der Klingel mit der Aufschrift „Moran und Barlett" drehte.
„Bin wieder da!", machte sie laut auf sich aufmerksam, als sie mit klappernden Pumps in den Flur trat, und beschwor so eine quirlige Eileen herauf, die ihr das Päckchen geradewegs aus den Fingern riss.
„Es ist da!", quietschte diese aufgeregt und wirbelte es mehrmals wie ein Kind, das man zum Lachen bringen wollte, durch die Luft.
„Was haben nur alle mit der Post", grummelte Emma unterdessen und ließ die Tatsache, das sie es eigentlich Herzerwärmend und absolut süß fand, ihre Mitbewohnerin so glücklich zu sehen, völlig außer Acht.
„Es ist diese Uhr, die ich schon monatelang bestellen wollte", schnurrte Eileen glücklich und packte besagtes Schmuckstück vorsichtig aus.
„Die Frage war rhetorisch gemeint", setzte sie noch hinten dran, doch Eileen ließ sich von der sarkastischen Note nicht die gute Laune verderben. Viel mehr noch spornte sie es dazu an, Emma ebenfalls ein Lächeln zu entlocken und so befand sich keine Sekunde später ein kleiner unschuldiger Kuss auf Emmas Wange, der fröhlich kribbelnd ihre Haut in Brand steckte, während ihr Gehirn nur ein dramatisches Partnerin erklingen ließ.
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Gegenwart
„Und dir war das so unangenehm!", kicherte Eileen.
„Ja. Aber ich war ja vorher auch noch nie mit einer Frau zusammen. Ich war ja damals nicht einmal sicher, ob ich das wollen würde", verteidigte sie sich halbherzig, war es doch nicht nötig, sich zu rechtfertigen. Beide hatte schon so oft darüber geredet, so oft darüber geschmunzelt. Reden konnten sie schon immer gut.
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Unbewusst ließ Emma die Hand durch den Sand gleiten, während sie weiter Eileen beobachtete und zum wohl millionsten Mal ihre Gesichtszüge mit den Augen nach fuhr, bis sie unerwartet auf Widerstand traf und verwundert einen Hühnergott in der rechten Hand hielt.
„Sieh mal", wechselte sie daher das Thema und hielt den Stein in die Höhe, sodass das große Loch in der Mitte mit dem letzten Sonnenlicht durchleuchten wurde.
„Sieht fast aus wie ein Ring", entgegnete Eileen schelmisch und wackelte wissend mit den Augenbrauen.
„Du bist schon so ein Ring", lachte nun Emma und bemerkte erst nach ein paar Augenblicken den Schmollmund ihres Gegenübers.
„Was ist an der Idee so verwerflich?" Eileen richtete sich gerade auf und fing Emmas Blick mit ihrem ein.
„Nichts", stammelte diese nur überrascht und wog den Stein noch einmal neu. Auf einmal schien so viel mehr Bedeutung in ihm zu liegen. „Aber zum Tragen scheint er doch etwas umständlich."
„Das vielleicht schon. Aber als Symbol wäre er klasse. Darf ich?" Eileen streckte die Hand dem Hühnergott entgegen, um ihn selbst in die Hand zu nehmen. In diesem Moment fragte sie sich, ob es verrückt war, jetzt einfach einem Impuls nachzugeben. Sie hatte nicht einmal annähernd daran gedacht, Eileen in nächster Zeit zu fragen, aber im Grunde war der Moment perfekt. Der Strand, der Abend, der Ring.
„Emma? Darf ich?", hakte Eileen verwirrt nach und berührte sie leicht am Handgelenk. Der Stromstoß flutete neue Energie in ihren Körper und gab ihr den letzten Ruck.
„Nur, wenn ich vorher etwas fragen darf", erwiderte sie kryptisch und fixierte entschlossen Eileen.
„Aber sicher", meinte diese verwirrt, hatten sie doch schon seit Stunden geredet und überhaupt noch nie ein Blatt vor den Mund genommen.
„Würdest du den Ring auch als Verlobungsring annehmen?" Perplex blinzelte ihre Freundin mehrmals.
„Ja klar."
„Das macht es mir wirklich einfach", grinste Emma nun von einem Ohr zum anderen, während auch Eileen dämmerte, in welche Richtung dieses Gespräch ganz eindeutig tendierte. Mit jeder Sekunde wurden ihre Augen größer und größer, der Ausdruck überrascht, aber keineswegs ablehnend.
„Eileen Moran, willst du meine Frau werden?" Demonstrativ hielt sie das Steinchen wenige Millimeter vor die Hand ihrer Freundin.
„Ich ... ja!" Laut kreischend umarmte Eileen sie, erdrückte sie in ihrer Euphorie fast. Langsam realisierend, was soeben passiert war, erwiderte Emma die Umarmung erst zögerlich, nach und nach aber immer fester, bis beide - innerlich Purzelbäume schlagend – kichernd hin und her wiegten, weil Stillsitzen einfach nicht mehr möglich war, so sehr versetzte beide die Glückseligkeit in Vibration.
„Oh mein Gott ja", versicherte Eileen nochmal mit Nachdruck und löste sich von ihr, ein verräterisches Glitzern im Augenwinkel, nur um sich den Hühnergott zu schnappen und ihn fasziniert anzustarren.
„So ein kleines Wunder."
„Du meinst wie damals, als ich dich wie durch ein Wunder nicht um Haaresbreite überfahren hätte?"
„So ungefähr. Bei uns kann nichts normal ablaufen, oder?"
„Das wäre so unglaublich eintönig, dass ich es gar nicht anders haben wollen würde." Emma grinste glücklich, während ihr Herz noch aufgeregt Blut in schnellen Bewegungen durch ihren Körper schickte und Glückshormone in jede Zelle sandte.
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Changing Hearts
RomanceHier mein Beitrag anlässlich des von WPRomantik, WPFantasie, WPFanfiktion und WPWerwolf veranstalteten Wettbewerbes. Meine Schreibvorlage: Du wolltest eigentlich nur diesen furchtbaren Arbeitstag in Ruhe zu Ende bringen. Du kannst es nicht gebrauche...