Prolog

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Ich sitze im Auto. Stundenlang fahren wir nun schon. Mein kleiner Bruder schreit. Ihm ist langweilig. Außerdem ist sein Kuscheltier unter den Vordersitz gerutscht. Mama versucht, daran zu kommen und lehnt sich weit nach hinten. Soweit der Gurt es eben erlaubt. Doch es ist zwecklos. Michèlle, meine Schwester, ignoriert das alles, zieht einen Spiegel aus der pinken Handtasche, die auf ihrem Schoß liegt und überprüft ihre Schminke. Sorgfältig zieht sie den Lippenstift nach. Als ob am Strand tausend Typen warten würden, denen sie den Kopf verdrehen kann. Mama stopft Valentin Kekse in den Mund, damit er sich beruhigt. Papa meckert mal wieder, wie blöd doch die ganzen Autofahrer sind. Valentin knabbert fröhlich an den Keksen, verschluckt sich und schreit wieder los. Genervt stecke ich die Ohrstöpsel meines Handys in die Ohren und mache Immer da von Cro an. Mein absoluter Lieblingssong. Und Lieblingssänger. Ich summe leise mit und schaue aus dem Fenster. Bäume sausen vorbei. Kleine Büsche am Straßenrand, kaum zu erkennen bei unserem Tempo. Ich schaue auf die Zeitanzeige des Smartphones. 18 Minuten vor 6. Nur noch eine gute halbe Stunde, dann werden wir endlich da sein. Vorfreude packt mich und reißt mich mit. Ab zum Strand. Ich stelle mir vor, wie ich durch den heißen, hellen Sand renne. Kopfkino. Ich spüre das seichte, warme Meerwasser unter meinen Füßen. Die Sonne, die vom Himmel herab brennt. Ich stürze mich ins Meer. Algen streichen mir um die Beine. Eine Qualle schwimmt an mir vorbei. Eine sehr durchsichtige Qualle. Dann stelle ich mir vor, wie ich auf dem Deich entlang spaziere. Mein nasses, dunkles Haar klebt an meinem Tank Top. Ich atme tief ein. Liegt dort nicht der wunderbare Duft der Blumen und Baumharze, Kirschen und anderer schöner Pflanzen in der Luft?

Knall!

Erschrocken fahre ich hoch und werde prompt hart in den Sitz geschleudert.

Was geht hier vor sich?!

Mein Herz rast.

"Ahhhh!", kreischt jemand. Ich sehe nichts. Das Auto gerät ins Schleudern.

Knall!

Mein Kopf fliegt gegen die Scheibe. Etwas warmes sickert über meine Wange. Alles ist gedämpft. Die Schreie. Der Lärm. Alles erreicht mich scheinbar durch eine dicke Nebelwand.

Knall!

Scheiben splittern. Scherben fliegen durch das Auto. Glassplitter kratzen wie lange Krallen über mein Gesicht, schneiden durch den dünnen Stoff meines schwarzen Tops und färben die Welt rot.

"Ahhhh!" Der Schrei kommt von mir.

Blut! Überall! Mein Blut!

Du stirbst, Alizée.

Knall!

Das Auto schlittert über die Fahrbahn bis auf den linken Seitenstreifen. Es überschlägt sich. Einmal. Zweimal.

Krach!

Wieder auf den Rädern. Mir ist kotzübel. Orientierungslos sitze ich da und versuche, mich nicht mehr zu bewegen. Meine Rippen schmerzen und bohren sich in mein Fleisch. Wahrscheinlich ist mindestens eine gebrochen. Ich bekomme keine Luft mehr. Mühsam atme ich ein.

Nicht aufgeben, Alizée.

Hilfe!

Knall!

Ich werde in den Sitz geschleudert.

Knack!

"Ahhhh!"

Schmerz. Unvorstellbar schrecklicher Schmerz.

Gib auf, Alizée. Gib einfach nach und beende es.

Dann: Nichts.

"Neiiiiiiiiiin!!!!"

Verzweiflung. Es ist schrecklich. Dann kracht mein Kopf gegen die Lehne. Stille. Alles schwarz.

Es ist vorbei, Alizée.

Du stirbst.

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Das war der Prolog meiner Geschichte. Ich hoffe, es gefällt euch.

Alizée - Rollstuhl, Pferde und andere bekloppte DingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt