8. Nächtliche Gedankengänge

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Was sollte ich antworten? Na, dass du gekommen bist, damit er dir beim Hoseausziehen hilft. Wie sich das anhört.

Jonathan steht auf und geht einen Schritt auf mich zu. »Was machst du hier?«,wiederholt er seine Frage. »Ähm... Ich ...wolltedichfragen,obdumirhelfenkannst,ausderJeansrauszukommen«,bringe ich mein Anliegen so schnell wie möglich hervor. »Hä? Noch einmal langsam, bitte.« Ich deute mit hochrotem Kopf auf die Hose,dann auf ihn und tue so, als würde ich sie ausziehen. Er versteht und folgt mir auf mein Zimmer.


Ich liege im Bett und starre an die Zimmerdecke. Die Bücher aus der Schulbücherei habe ich durch und Marie hat den Schlüssel, den sie von einer Freundin aus der elften geliehen bekommen hat, mitgenommen.Und da sie erst heute spät zurückkehrte, konnten wir nicht mehr hoch. Was so viel heißt wie: Ich kann mich nicht wach halten, in dem ich lese. Ich muss es anders machen. Aber ich will keine Albträume.

Ich will nicht schlafen. Meine Augen fallen zu. Ich reiße sie weit auf.»Ich schaff das, ich schaff das, ich schaff das«, flüstere ich in die Dunkelheit. Nicht nachgeben. Wach bleiben. Ich bin soo müde...Meine Augen schließen sich langsam, ich bin zu schwach.

Dort ist es wieder, das geheimnisvolle Leuchten. Wie magisch angezogen,bewege ich mich langsam darauf zu. Ich will nicht, will umkehren, wegrennen. Das Herz rast. Ich weiß genau, was mich erwartet. Und ich will es nicht sehen. Doch meine Muskeln gehorchen mir nicht.Unaufhaltsam steuere ich auf den blassen Körper zu. Meinen blassen Körper. Nein,nein, nein. Ich kann es nicht glauben. Ich will es nicht glauben. Warum liege ich da, bin aber gleichzeitig hier? Bin ich tot?

Bilderschießen mir durch den Kopf. Die Straße - das Auto - Bäume -Dunkelheit - Schmerz. Höllischer Schmerz. Meine Lippen formen sich zu einem stummen Schrei. Es fühlt sich so real an. Ich habe Angst.

Daliege ich. Direkt vor mir. In einer grotesken Pose. Alle viere von mir gestreckt. Blut läuft über meine Stirn, versickert in meinem Haar. Meine Brust hebt und senkt sich. Zwar sehr langsam und flach, aber ich atme. Das heißt, ich lebe.Das ist doch schon mal gut. Oder?

Was soll ich tun? Komme ich vielleicht zurück in meinen Körper, wenn ich ihn berühre? Nein. Vielleicht wenn ich... Ich strecke meine Hand zum zweiten Mal in Richtung des Körpers, neben dem ich mittlerweile hocke. Berühre das Blut auf der Stirn, nähere meine Hand mit ausgestrecktem Finger meinem Mund und lecke ihn ab. Ich erschaudere, als...

»Aahhh!«

Wach. Dunkel. Bett. Scheiße. Mein Atem geht viel zu schnell. Ich zittere. Was zum...?

Mein Kopf pocht. »Es war ein Traum. Nur ein Traum. Es ist alles gut.Nichts passiert. Durchatmen. Ganz langsam.« Ich wispere vor mich hin, Hände am schmerzenden Kopf.

Ich werde langsam verrückt. Diese Albträume machen mich wahnsinnig. Was war das eben? Und wie bitteschön komme ich auf die Idee, mein eigenes Blut zu probieren? Meine Gedanken. Haha.Du bist mein Unterbewusstsein oder so. Also, wen wundert' s?

Aber jetzt ernsthaft, was läuft in meinem Kopf falsch, dass ich solchen Scheiß träume?!

Und dann heißt es ›Gute Nacht‹ zum Zweiten. Ich sinke zurück ins Kissen und schlafe sofort wieder ein.

Ich erschaudere, als...

»Aahhh!« Dieser Schmerz! Ich winde mich vor Qualen, zittere, schreie. Es ist, als stünde mein Fleisch in Flammen, als koche mein Blut. Ich verkrampfe, krümme mich, meine Nägel bohren sich in meine Handballen. Vergeblich ringe ich nach Luft.

Nur langsam verblasst der Schmerz. Ich kann wieder atmen. War mir eben noch kochend heiß, so zittere ich jetzt wie Espenlaub vor Kälte. Ich fühle mich, als hätte ich gerade einen Kilometerlauf hinter mir. Meine Muskeln brennen, mein Atem geht laut und schnell, keuchend, ich fühle mich so schwer, so erschöpft.

Doch ich fühle mich lebendig. War es das? Lebe ich? War es vorbei? Habe ich es geschafft? Habe ich es wirklich hinter mir?

Oh nein. Das war erst das Vorspiel.

Was...?


»Kannst du nicht einmal still sein?!«, knurrt eine müde Stimme. Darf ich vorstellen? Rose, alias Rosalie Müller. Meine geliebte Zimmermitbewohnerin. Sie war mir von Anfang an höchst sympathisch ...nicht. So wenig Freundlichkeit hatte ich lange nicht erlebt - wenn man mal von Valerie absah. Mit der verstand ich mich tatsächlich noch weniger, als mit Rosalie und ihrer Freundin Linea. Das Dumme war nur, auf einem Internat konnte man sich nur schwer aus dem Weg gehen,spätestens bei den Mahlzeiten oder wenn der Unterricht wieder losgeht, was im Übrigen leider Morgen bereits der Fall war, wurde es unmöglich.

Auch wenn es verrückt klingen mag - irgendwie freue ich mich auf den Unterricht. Ich bin gespannt, wie anders der Lehrplan hier war im Vergleich zu Frankreich. Und ... Pferde! Das sagt alles, oder?

Aber zurück zu Rose. Diese greift gerade demonstrativ nach ihren Kopfhörern, funkelt mich dabei wütend an, den Mund zusammengekniffen, tippt auf ihrem Handy herum und dreht die Musik soweit auf, dass ich sie zwar leise aber deutlich hören kann. »Nacht«,murmele ich noch, obwohl ich weiß, dass sie mich nicht hört.

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@123Booksforlife da hast du dein Kapitel :D

Etwas kürzer und viel später als geplant, aber immerhin etwas.

Sorry, wenn irgendwo Leertasten fehlen. Mein Wattpad spinnt zur Zeit ein bisschen. Ich habe versucht, alle Stellen zu finden, aber ich glaube, ich habe einige übersehen.

Bis zum nächsten Mal!

Ratte

Alizée - Rollstuhl, Pferde und andere bekloppte DingeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt