Kapitel 4 - Das Zerbrechen des Gefüges (Teil 1)

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Kapitel IV

Das Zerbrechen des Gefüges

„...Und er riss sich seine Zähne aus, den wollte nicht aussehen wie sein Vater. Er schnitt seine Pfersen ab, damit er klein war wie die Mutter. Er schnitt die Mähne eines Esels und klebte diese als sein Bart. Er roch nach Gerste, doch das rote Haar, verriet doch was er war."

Aus dem Lied: Der Mischling

Kretzte Eltros, karadonischer Barde und Reisender

Der kleine Junge, gerade mal 16 Jahre alt, kam aus dem Ring der Kampfsklaven. So hatte man es sich zumindest auf der Straße erzählt. Der Garten am Stibekturm hatte vor einigen Monaten die Sklaventreiber ausfindig gemacht. Vom anschließenden Massaker war überall im Land die Rede. Bevor der Garten angriff, töteten die Sklaventreiber alle Kinder im Schlaf. Die Saat selbst wüsste nicht wozu dies nötig war. Ein Kind hatte sich jedoch verstecken können und Überlebte die grausame Tat. Als der Garten alle Sklaventreiber tötete oder einsperren ließ, nahmen sie den Jungen auf. Und nun war er hier. In dieser Stadt. Sein erster Auftrag im Dienst des Gartens. Man erzählte sich, dass einer der Rassenmenschen sein Pate war. Ein Nenus mit ereiltem Ruf in der Gegend und mit einer untypischen Mutation. Roven konnte die Blicke derer die ihn ansahen nicht deuten, als er durch die Straßen ging. Waren sie verächtlich oder schätzten sie ihn? Sie machten ihm Platz und verzogen sich ängstlich. Eigentlich war es ihm egal. Er war nun ein Söldner zum Schutz der Saat und darauf war er stolz. Phieos Rheim. Der Name ging ihm ununterbrochen durch den Kopf. Auch wenn er schon oft töten musste, war dies was anderes. In der Arena war es etwas anderes. Als er dabei war das Stadttor raus aus der Stadt zu passieren, dachte er, er wüsste nun wieso ihn die Menschen so anstarrten. Es war nicht wegen seines Alters oder seiner Herkunft. Es war der abgetrennte Kopf in seiner Hand und die daraus resultierende Blutspur vom Marktplatz bis dorthin wo er ging. Der Kopf von Phieos Rheim, dem Piraten, der in dieser Stadt versucht hatte unterzutauchen um sich vom Garten zu verstecken. Phieos Rheim, Rovens Ziel in seinem ersten Auftrag.

Es müssten etwas sechs Stunden vergangen sein seit Roven eingeschlafen ist. Die Dämonenleiche neben ihm begann zu stinken. „Sola?" rief er und geriet leicht in Panik, als er nach längerer Zeit keine Antwort bekam. „Sola!" rief er erneut. Er fühlte wie seine Wunde schon etwas verheilt war. Die Nebelleinrinde erfüllte ihren Zweck. Roven setzte sich hin und atmete tief aus. Sein Traum ließ ihn an alte Zeiten denken. Zeiten in der Arena. Zeiten alter Tage in der er noch einfache Banditen und Piraten jagte. Schon lange hat Roven diese Aufträge nicht mehr angenommen. Seit er 21 ist, hatte er nur noch langfristige und anspruchsvolle Aufgaben erfüllt.

Er stütze sich vom improvisierten Bett mit den Armen zittrig ab und stand auf. Sein Gesicht verzog sich etwas vom Schmerz, aber die Hauptsache für ihn war, dass er stehen konnte. Er ertastete sich am Bett entlang und versuchte zu deuten vorher die Schritte kamen, die Sola immer machte wenn sie die Höhle betrat. Er ging humpelnd in die ungefähre Richtung und streckte seine Arme dabei vor sich aus bis seine Hände die steinige Felswand berührten. Mit seinen Händen stütze er sich an dieser ab und ging in die Richtung, von der er meinte, es wäre die, die zum Ausgang führt. Nach einiger Zeit sah er ein Licht am Ende des Ganges, in dem er ging.

Die Sonne stand zum Nachmittag oder frühen Abend als er den Höhlenausgang durchquerte. Er hielt sich die Hand vor die Augen. Er hatte sich an die Dunkelheit gewöhnt. Das Blut auf dem Boden, dass er verloren hatte als der Pfeil ihn traf, wurde bereits durch die Sonne getrocknet und klebte wie mit Farbe bepinselt auf dem Geröll vor der Höhle. Der Weg zum Dorf Grobdelt war nicht weit, doch Roven benötigte auf Grund der Verletzung etwa eine halbe Stunde bis er die ersten Schornsteine und Dachziegel erkannte.

Er hörte Stimmen und fluchende Schreie aus dem Dorf, wildes Gewirr schallte zwischen den Mauerwerken und Holzwällen. Es schien lebendiger als zur Nacht vorher zu sein. Vor dem Haus des Nenus, dass er gestern Nacht betrat, waren wohl die ganze Gemeinschaft des Dorfes in allen Rassen versammelt, fluchten, schrien und ächzten in einem sprachlichen Wirrwarr, so dass Roven es nicht verstehen konnte. Er erkannte nicht um was sich diese Menschen versammelt hatten. Er machte sich Platz zwischen den äußersten Leuten und schlängelte sich humpelt durch die Menschenmasse, vorbei an Walden, Venanden, Lischien, Adams, Nenen, Belajen und Halbblütern.

Das Zebrechen des Gefüges - Leseprobe - Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt