Totale Finternis

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Weil er unter keinen Umständen hereinplatzen wollte, wenn Eleanor sich umzog, beschloss Louis, das Buch wieder zurück zu bringen, das noch immer in seiner Tasche steckte.

Sicherlich war sie zugänglicher, wenn sie nicht in der Wanne saß und von den ganzen Ölen benebelt war und vielleicht hatte er dann eher die Möglichkeit, mit ihr zu sprechen.

Auf dem Weg die Wendeltreppe hinunter, kam Louis an einem hohen Fenster vorbei und sah nach draußen. Der Tag neigte sich dem Ende zu und die Berge, die das Schloss umgaben, wurden langsam dunkel, während die Sonne hinter den letzten Baumwipfeln verschwand.

Wenn die Sonne unterging konnte das nur eines bedeuten: der Graf würde bald aufstehen und die Zeit, Eleanor zum Gehen zu bewegen, schwand. Er musste sich beeilen und Professor Payne aus den Untiefen der Bibliothek holen. Der alte Mann vergaß gerne die Zeit, wenn er etwas zu lesen gefunden hatte, doch dafür hatten sie jetzt keine Zeit.

Mit eiligen Schritten huschte Louis die Treppe hinunter in den Flur, der nun viel dunkler war, als noch vor wenigen Minuten. Das Ende war nicht mal zu erkennen und lag in totaler Finsternis. Ihm behagte es gar nicht, in die Dunkelheit hinein zu laufen, doch was blieb ihm anderes übrig.

Mit klopfendem Herzen, das Buch an die Brust gepresst, ging er langsam und auf Zehenspitzen an der Ahnengalerie vorbei und wurde das Gefühl nicht los, dass man ihn beobachtete.

Die Ritterrüstungen, die an den Wänden standen, wirkten wie dunkle Wächter und der Himmel vor dem Fenster war mittlerweile Dunkelrot.

Blutrot.

Wäre er doch nur Zuhause geblieben.

Was hatte ihn damals geritten, ausgerechnet die Untoten zu studieren? Er schüttelte den Kopf über sich selbst und wünschte sich manchmal, die Zeit zurückdrehen können, um eine andere Entscheidung zu treffen.

Dann wäre er nämlich mit Sicherheit nicht hier.

Als er die Tür der Bibliothek erreicht hatte, drückte er vorsichtig die Klinke herunter. „Professor, ich habe Eleanor gefunden!", sagte er laut und stellte dann fest, dass er sich in einem Speisezimmer befand.

Er musste sich in der Tür geirrt haben, die sahen aber auch alle gleich aus und er hatte sich leider nicht gemerkt, welches Portrait in der Nähe gehangen hatte. Eine Orientierung in diesem Schloss war nicht leicht und er überlegte, ob es vielleicht absichtlich so gebaut worden war, um einen Menschen, der sich hinein wagte, hier zu halten.

Was, wenn sie in eine Falle geraten waren? Was, wenn der Graf sie hier hielt...

als Festmahl.

Oder Abendessen.

Die Angst kroch ihm den Hals hinauf und schnürte ihm die Kehle zu und die Tatsache, dass er gerade in einem Speisezimmer stand, machte das Ganze nicht wirklich besser.

„Ich muss den Professor finden und dann Eleanor. Wir müssen hier weg so schnell, wie möglich", flüsterte er zu sich selbst, huschte wieder aus dem Raum und schloss die schwere Tür hinter sich.

Irgendwo musste sich die Bibliothek doch befinden, oder hatte er sich womöglich in der Etage vertan?

Es wurde immer dunkler in dem Flur, obwohl es Kerzen in den Halterungen gab, die brannten. Doch das flackernde Licht spendete nur in gewissen Bereichen Licht. Und die Schatten wirkten noch dunkler und bedrohlicher auf Louis, der mit eingezogenem Kopf über den Flur wuselte und vorsichtig jede Tür öffnete, immer in der Hoffnung, endlich den richtigen Raum zu finden.

Doch der Erfolg blieb aus und seine Hoffnung schwand, genau wie das Tageslicht, draußen hinter den Bergen.

„Professor...", wisperte Louis und blieb dann direkt unter einer Kerze stehen. Im Licht fühlte er sich sicher. Vielleicht war es besser, wenn er wieder zurück ins Badezimmer ging und nochmal versuchte, auf Eleanor einzuwirken. Gemeinsam könnten sie immernoch nach dem Professor suchen.

Also drehte er wieder um, stieg die Treppe hinauf in den nächsten Flur.

Eleanor war noch immer im Bad, denn er konnte sie singen hören. Hoffentlich probierte sie nicht schon das Kleid an, es wäre doch sehr unangenehm, wenn er sie dabei überraschen würde.

Louis drückte die Badezimmertür auf und konnte das Rauschen von Badewasser hören.

„Eleanor?", fragte er und lugte um die Ecke.

Der Gesang erstarb und zu seinem Erstaunen war es nicht die dunkelhaarige Schönheit, die er erwartet hatte. Ein Mann saß auf dem Rand der Wanne.

Er trug eine enge schwarze Hose aus hochwertigem Leder und eine weite, weiße Bluse mit Volants und Rüschen.

„Oh, Entschuldigung, ich wollte nicht stören", sagte Louis schnell und wollte sich umdrehen, um wieder zu gehen, doch der Mann stand auf. „Bleib!", sagte er und Louis blieb wie angewurzelt stehen. Der Mann hatte etwas mächtiges an sich und er konnte sich kaum rühren. Sein Blick wanderte über die bleiche Haut und die eingefallenen Wangen, die Schatten unter den Augen und die dunklen Lippen.

War das hier auch ein Vampir?

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Teil 3

Wenn Liebe in dir ist...OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt