Kapitel 10

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"Cause I'm just a mess, you don't wanna fix."
-Shawn Mendes

••

Shawn


„Jake, kannst du uns einen Gefallen tun?"

Es war schon merkwürdig. Jedes Mal, wenn Camila sprach, flog ich zwischen Universen hin und her. So, als würde ich in einem Augenblick eine Welt betreten, in der es schön war, zerbrochen zu sein und in der nächsten wieder in meine eigene zurückkatapultiert werden. Die, in der ich so gerne lebte und liebte, die mich aber trotzdem so oft in die Knie zwang und mir das Gefühl gab, nicht auszureichen, dass ich mich nicht selten fragte, ob es verwerflich war, in zwei Welten zu leben.

Camila starrte meinen Bodyguard an und er schien sie zu verstehen, noch bevor sie etwas gesagt hatte. Konnte man die Gabe besitzen, mit dem Herzen und mit Blicken zu sprechen? Diese Frage stellte sich nicht mehr, sobald ich sie ansah. Denn dann wusste ich, dass alles möglich war. Und zwar nicht irgendwann. Sondern jetzt. Es schien, als wäre Jetzt Camilas liebster Zeitpunkt, um zu leben und zu fühlen und ich hätte alles getan um herauszufinden, ob sie schon immer so gewesen war.

„Klar, worum geht's?" Jake.

Oh hi Miami, hier bin ich wieder.

Ich weiß nicht, was und wie es geschah, aber vierzig Minuten nachdem Jake mich aus der Arena geschleust hatte, ohne dass Fans mich bemerkten - Danke, brillanter Verstand meines Leibwächters - hielt unser Wagen vor dem „Rosario". Bei Nacht und geschlossen wirkte das Cafe geheimnisvoll, aber dennoch einladend. Als wäre es voller Siegel, die es aufzudecken galt. Camila schloss die Tür auf und ließ Phoebe und mir den Vortritt. Dann streifte sie Jake mit einem Seitenblick und schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln. Ich starb ein bisschen.

„Jake, du kannst ruhig gehen, wenn du willst. Danke. Danke für alles."

Jake musterte sie kritisch und während mein Herz einen Meter über dem Boden schwebte, blitzten in seinen Augen Zweifel auf.

„Bist du dir sicher? Vielleicht wäre es besser, wenn ich hier bleibe. Man weiß nie..."

Vertrau ihr. Vertrau uns, Jake.

„Ist schon gut, Jake." Ich räusperte mich und sah ihm direkt in die Augen. „Ich... wir kommen klar. Versprochen."

Mein Bodyguard ließ die Schultern hängen und sah mit einem Mal ungeheuer müde aus. Das schlechte Gewissen packte mich mit voller Wucht. Er war buchstäblich rund um die Uhr an meiner Seite, verzichtete auf Schlaf und manchmal sogar auf das Essen, um mich vor einer Welt zu schützen, von der ich ohnehin viel zu oft dachte, dass ich es nicht mit ihr aufnehmen konnte. Ich hatte Menschen wie Jake nicht verdient. Genauso wenig wie solche, die mich bei Nacht und Nebel in das kleine Cafe schleppten, das Spuren in mir hinterlassen hatte. Es waren nicht ihre Augen. Es durften nicht ihre Augen sein. Auch wenn wir füreinander vermutlich gefährlich waren, verstand ich, dass ich im Moment nirgendwo anders sein wollte. Und dass es das größte Geschenk war, Shawn sein zu dürfen.

Einfach nur Shawn.

Plötzlich hatte ich Mum und Dad vor Augen. Mums Lachen und Dads vor Wut und Leidenschaft verzehrtes Gesicht, wenn die Toronto Maple Leafs ein Spiel verloren. Aaliyahs große, runde Augen, die immer noch ein wenig größer wurden, sobald sie sie verdrehte. Entweder kam ich in ihr Zimmer, ohne anzuklopfen, aß ohne zu fragen eine Portion ihrer Frühstücksflakes oder hielt einen Jungen, von dem ich wusste, dass sie ihn interessant fand, mit einem einzigen Blick davon ab, sie auch nur anzusehen. All das kam viel zu selten vor und doch wusste ich: Ich war der schlimmste große Bruder der Welt. Meine Familie. Wie sehr ich sie liebte. Wie sehr ich sie vermisste.

nothing compared to you - s.m. & c.c.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt