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𝕜𝕚𝕝𝕝 𝕞𝕖.

Damon trat höflich einige Schritte zurück. Er hasste das Gefühl, dem Türöffner zu nahe stehen zu müssen. Besonders, wenn dieser schwer bewaffnet und schussbereit war.
Er selbst lehnte das Sturmgewehr über die Schulter, legte die linke Hand auf den Waffengürtel und sah sich noch einmal kurz um. Nichts von seinen Leuten zu sehen, nur leerstehende Lehmhütten, die der sengenden Hitze und den heftigen Regenergüssen standgehalten hatten. Eine Gott verlassene Gegend. Kein Wasser, keine Pflanzen.

Hinter der Tür blieb es still. Noch immer. Langsam zählte er bis 30 - bei 20 kratzte er sich über die rostroten, kurzen Bartstoppeln. Sah er etwa nicht gut genug für einen Besuch aus? Dabei war die schwarze UL-Uniform doch von europäischer Norm. Aber vielleicht lag auch gerade hier das Problem. Er überlegte - würde er, als verschanzter Sektenführer (seit drei Wochen ohne fließend Wasser) einem gutaussehenden Soldaten der Europäischen Union die Tür aufmachen? Wohl eher nicht.
Als seine innere Stimme bis 40 gezählt hatte, stieß er zwei kurz aufeinander folgende Pfiffe aus. Obwohl Damon nichts hörte, wusste er, dass sich genügend Männer aus ihren Deckungen erhoben, um die lächerliche Tonhütte mit jeweils einem Schuss in die Luft zu jagen. Blöd nur, dass darunter ein weitläufiger Bunker wartete und darin gut 45 Irasäer darauf warteten, den Zünder ihrer Handgranate zu ziehen.

Genervt seufzte Damon. Wieso konnte man hier nicht einmal etwas auf die feine englische Art regeln? Ehrlich, ihm hatte die Idee mit der Türklingel gut gefallen, aber ... Er wusste, dass seine Männer unter den schweren schusssicheren Westen zu schwitzen begannen. Aber wie viel Zeit blieb ihm noch? Sie verrann, in der Sanduhr - und obwohl es in dieser Wüste 500 000 Quadratkilometer Sand gab, wurde er knapp.

Gerade, als er die Hand heben wollte, um Signal zu geben, vernahm er doch noch ein Geräusch. Ein Kratzen, ein Rasseln. Ein Knirschen und dann das Erleichterung verheißende Ächzen der Tür. Damon schloss den Griff um die Waffe. Er erwartete, ein in Tücher vermummtes, irasäisches Arschloch, zu sehen -

Stattdessen stand dort ein hellhäutiger, blonder Kerl in der Tür. Nicht älter als er selbst, aber dünn und bleich. Sein Gesicht war überzogen von dunkelschwarzen Blutergüssen, Schnitten und Schürfwunden. Die Lippe war ihm mehrfach geplatzt, die Lider geschwollen. Seine Hände, sein Hals und auch die nackten Füße sahen nicht anders aus.
»Verfickte Scheiße«, dachte Damon nur, »Wieso hat kein Schwein etwas von einer Geisel gesagt?!« Eigentlich machte es dir Angelegenheit nicht noch schlimmer - aber einen Unterschied machte es doch. Der junge Mann trug nämlich ein weißes, übergroßes Shirt. Es hing ihm bis zu den schmalen, zusammengepressten Knien und darauf stand: »Kill me.«

Der Blonde sah Damon starr ins Gesicht. Spontan beschloss der Soldat, der schriftlichen Aufforderung nicht zu folgen. »Hey«, sagte er stattdessen, »sind deine Eltern auch zu Hause?«
Beide Männer standen sich nur vier Schritte entfernt gegenüber. Der eine bis zum Hemdkragen bewaffnet, der andere mit nichts außer einem dreckigen Shirt am Leibe. Die Hand des Verletzten, die bisher an der Tür gelehnt hatte, begann zu zittern. So heftig, dass das Holz zu knarren begann. Die dickgeschwollenen Lippen der Geisel teilten sich zu einem schwarzen Spalt. Heraus sickerte eine dünne Spur Blut, die von seinem Kinn troff und auf das Shirt gelangte.

Im dunklen Hintergrund blitzte etwas auf. Ein gedämpfter Knall. Damon zögerte nicht, zwei Handzeichen - und die Bude zerfetzte vor seinen Augen.

Wirklich eine verdammt schwere Thematik. Immerhin kann man damit so vielen starken Menschen auf die Füße treten.
Wie geht ihr mit solchen Themen um?

Versucht ihr sie zu vermeiden?

Zu umgehen?

find me. kill me.  ᵐˣᵇWo Geschichten leben. Entdecke jetzt