Die dunklen Wolken kommen auf

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Ich schaute mich mit der Taschenlampe um. Es herrschte Stille, vielleicht war niemand  da, vielleicht aber doch. Also schlich ich zum nächsten Zimmer und griff nach dem Türknauf. Ich atmete tief ein und öffnete langsam die Tür. Und da sah ich ihn. Liam in seinem Bett. Ich dachte er würde schlafen, doch er schlug ruckartig seine Augen auf.

Er stand so schnell auf, dass ich ihn nicht sehen konnte und war blitzschnell vor meiner Nase. Ich schrie kurz auf, aber hielt mir sofort den Mund zu. In mir kam schussartig Angst auf und ich zuckte zusammen. Ich spürte etwas Komisches in meinem Körper, in meinem Kopf, in meinen Gedanken, aber ich hatte keine Ahnung was es war. Ich wusste nicht was ich machen oder sagen sollte. Ich versuchte passende Worte zu finden, doch ich konnte das alles hier nicht erklären. Schlagartig veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er sah mich mit funkelnden, dunkelroten Augen an und auf einmal blitzten erschreckende Vampirzähne auf. Ich schrie und stolperte nach hinten. "Wer hat dich geschickt?", rief er laut. Ich sah ihn verwirrt an, wusste nicht was das heißen sollte. "Was? Niemand, ich wollte nur wissen, ob es dir gut geht!", schrie ich zurück und rappelte mich auf. "Und deshalb brichst du in mein Haus ein?" Plötzlich griff er nach meiner Hand und schleuderte mich weg. Ich stieß mir den Kopf an dem kleinen Tisch am Ende des Flurs und knallte auf den harten Mamorboden. Danach wurde alles schwarz.

Als ich nach Stunden wieder zu mir kam, waren meine Arme an die Wand gekettet, ich schmeckte Blut in meinem Mund und hörte Wasser in der Ferne plätschern. Mein Körper schmerzte und mein Kopf dröhnte. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich sah mich um, aber erkannte nichts Auffälliges. Vielleicht hatte er mich hier alleine zurück gelassen, damit ich verhungere, aber es war noch zu früh solche Vermutungen zu stellen. Ich schrie nach Hilfe, aber nichts und niemand reagierte. Mit einem Mal hörte ich Schritte, sie kamen auf mich zu, sehr langsam. Doch dann herrschte Stille und jemand schaltete eine alte Lampe an, die von der Decke runter hing. Es war Liam. Er hatte eine weiße Bluse an, die mit Blut beschmiert war. Ich fragte mich, ob es mein Blut war... Langsam kam er auf mich zu und bleib erst stehen, als sich unsere Wangen berührten. Er flüsterte mit einem gefährlichen Unterton in mein Ohr: "Wer hat dich geschickt... und für wen arbeitest du?" Ich spürte, wie sein Atem meine Haut streifte und ich erschauderte. "Was redest du da für einen Mist?!" Ich wurde sauer, wütend. Bis jetzt hatte sich noch nie jemand getraut mit mir auf diese Weise zu reden. Jeder hatte immer den größten Respekt vor mir. Ich konnte es nicht glauben. "Lass mich in Ruhe, du Verrückter!" Ich ruckelte an der Kette, die mich an die Wand fesselte, doch keine Chance. Ich wunderte mich immer noch deswegen... "Es gibt keine Vampire, Cat! Er will dich mit Sicherheit nur ärgern", versuchte ich mir ein zu reden.  Er legte seine linke Hand um meine Taille und mit der anderen Strich er mir meine Haare von meinem Hals weg. Es machte mich wütend, dass ich mich nicht wehren konnte und dass ich auf die Idee gekommen war noch um diese Uhrzeit hier hin zu kommen. Ich fühlte mich wie ein Vulkan, der gleich ausbrechen würde. Ich hielt es nicht mehr aus. Er ließ seine scharfen Zähne blicken und beugte sich zu meinem Hals, als der Raum plötzlich noch heller wurde. Ein greller Grünton erhellte die Umgebung und ich erkannte, dass wir uns wahrscheinlich in seinem Keller befanden. Der Boden war nass und rot. War es mein Blut? Ich sah mich um und wollte wissen, wo das Licht herkam. Unerwartet sprang Liam zurück. Er starrte mich verwirrt und unbeholfen an. "Was... was ist mit deinen Augen passiert.", stotterte er. Ich wusste nicht, was er meinte und bekam Angst. "Wieso hast du mir nicht gesagt, dass du ein Vampir bist?", fragte er erschrocken. Die einzige, die erschrocken sein durfte, war ja wohl ich. "Was soll das nun wieder heißen?", sagte ich. Er antwortete nicht, er sah mich nur fragend an. "Es reicht mir! Was ist hier los?!", schrie ich. "Ich weiß es nicht! Sag du's mir. In deiner Tasche war Lilliths Buch! Und du hast plötzlich Vampiraugen!", brüllte er. "Was hast du für ein Problem?!", schrie ich ihn an. Ich merkte langsam, dass das grelle Licht wirklich aus meinen Augen kam, aber, ich? Vampiraugen? Was sollte das Ganze hier?! "Na, deine Augen! Warum leuchten sie, wenn du kein Vampir bist?!", sagte er laut, aber ich sah ihn nur verdutzt an. "Beantworte meine Frage! Jetzt!" Woher sollte ich das denn wissen? Ich stand kurz davor zu weinen. Ich wollte das ganze doch gar nicht.

"Ich habe keine Ahnung, klar?! Bis vor 2min. hatte ich ja selbst nicht nicht gewusst, dass Vampire existieren!" Ich konnte es nicht fassen. Vampire. Und es schien ganz so als wäre ich selbst einer. Doch kaum hatte ich an diese Möglichkeit gedacht, merkte ich wie lächerlich und absurd sich das ganze anhörte. Liam sah vollkommen verwirrt aus, aber im Moment sollte ich die jenige sein, die ihre Gedanken ordnen musste. Liam kam wieder näher und musterte mich von oben bis unten. "Du sagst du hast nicht gewusst, dass du ein Vampir bist?" 'Kommt schon, wo sind die versteckten Kameras?', hörte ich meine innere Stimme rufen. "Und du? Du hast nicht gewusst, dass du ein Vollidiot bist?" Diesen Kommentar konnte ich mir noch nicht einmal in so einer Situation verkneifen. "Hattest du etwa noch nie Blutdurst?", fragte er mit weit aufgerissenen Augen. 'Ja', war die Antwort, ab meinem 15. Geburtstag hatte ich mich sehr oft nach Blut gesehnt. Ich wollte es schmecken, immer und immer wieder. Aber ich gewöhnte mir das schnell ab und unterdrückte diesen schmerzhaften Willen. "Nein! Was sollen diese Fragen, Liam!? Lass mich sofort gehen! Du bist krank!", brüllte ich ihn an. Er runzelte wieder die Stirn "Du lügst! Das spüre ich ganz genau, Cat!", murmelte er leise, aber ich ignorierte ihn. Mein Körper schmerzte wieder, als wäre ich von einem Dolch durchbohrt worden. Er schaute auf meine Handgelenke, die durch die Ketten rot und verletzt waren. Blut floss von diesen Stellen langsam über meine Arme zu meiner Schulter. Seine Augen folgten aufmerksam den Spuren und seine Pupillen weiteten sich bei diesem Anblick. Ich wünschte mir, er würde mich schnell und schmerzlos töten. Ich hatte keine Lust mich mit ihm zu Unterhalten. Ich räusperte mich und fing dann an: "Warum bringst du mich nicht einfach um und ersparst mir die Diskussionen mit dir?"

"Aber dann hätte ich doch gar keinen Spaß dabei?", lachte er und zwinkerte mir zu.

"Mit dem Essen spielt man nicht! Hat dir deine Mutter das nicht beigebracht?"

Wieder lachte er. "Meine Mutter hat es leider nicht bis in unsere Zeit geschafft, Süße. Außerdem will ich nicht mit einem unerfahrenen Vampir kämpfen." Ich versuchte mich aufrecht hinzustellen und widersprach dann: "Ich bin kein Vampir! Hast du verstanden?!"

"Das ist unmöglich..." Er dachte kurz nach und fuhr dann fort. "Gib' mir drei Tage und ich werde dir beweisen, dass du einer von uns bist." Ich sah ihm in die Augen. Er sagte wahrscheinlich die Wahrheit, aber eine Abmachung -mit einem Vampir? Das hörte sich nicht sehr schlau an, aber wann bittesehr hatte ich je kluge Entscheidungen getroffen?

"Öffnest du dann die blöden Ketten an meinen Händen?"

Nachdem er mich von diesen Ketten befreit hatte, unterhielten wir uns darüber, was das ganze zu bedeuten hatte. Ich erzählte ihm von allem. Von meiner Familie und meiner Geburt, zumindest das, was ich darüber wusste. Vielleicht hatte meine Mutter Recht gehabt, vielleicht war ich ja wirklich ein Monster, vielleicht hatte sie es auch von Anfang an gewusst, vielleicht war mein Vater gar nicht mein leiblicher Vater, vielleicht war mein leiblicher Vater ein Vampir. Liam hatte das auch befürchtet. Egal wie komisch es sich anhörte, ich begann mir das Leben als Vampir vorzustellen und es war irgendwie eine gar nicht mal so schlechte Vorstellung. 

"Ich hab' dir jetzt alles erzählt, was ich weiß, also lass mich gehen! Die Abmachung zählt. Du hast drei Tage. Und wenn du es nicht schaffst, dann...wirst du mich für immer in Ruhe lassen!" Ich sah ihm lange in seine wunderschönen Augen, aber er schüttelte nur den Kopf. "Du kannst jetzt nicht gehen. Als du zu mir ins Haus gekommen bist,...haben dich wahrscheinlich ein paar der Mentabolis beobachtet. Es sind gefährliche und brutale Vampire, die versuchen uns umzubringen. Sie wollen die einzigen Mächte sein und die Menschen nach einander zerfleischen." Das beruhigte mich nicht wirklich. "Wenn du jetzt wieder nach Hause gehst, werden sie dir folgen!", warnte er mich. Ich sah zu Boden. Also würde ich meine Familie nie wieder sehen oder zumindest eine lange Zeit lang . "Und was soll ich jetzt tun?", fragte ich sauer.

"Du wirst hier bleiben, Kätzchen. Du hast keine andere Wahl, hier bist du in Sicherheit."

"Erstens, nenn' mich nicht so! Ich heiße Cat! Und zweitens, was wird mein Vater denken? Er wird die Polizei rufen! Ich kann doch nicht für immer hier bleiben!"

"Ich werde Lillith, Blade und Ian Bescheid geben, sie regeln das schon."

"Und wie wollen sie das schaffen?!"

"Vampire können das Gehirn der Menschen beeinflussen, Süße. Einer von ihnen wird deinem Vater einfach einreden du seist tot und schon glaubt er es."

'Wow', dachte ich mir. 'Wie gefühlsvoll.'

Es machte mich ziemlich traurig, aber ich konnte nichts tun. Ich hatte keine Wahl.

Unsterbliche VerführungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt