Kapitel 1

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„Erinnerst du dich noch, was du mir damals versprochen hast?"

Jaime Lannister blickte auf, als er bemerkte, dass Cersei stehen geblieben war, unsicher ob er antworten sollte.

Ihm fiel einiges ein, was er ihr seit ihrer gemeinsamen Kindheit auf Casterlystein versprochen hatte, doch nichts kam ihm in den Sinn, an was Cersei sich erinnert fühlen könne.

Nicht hier... nicht in diesem Augenblick, nach einem Abend, der eigentlich...

„Du hast mir versprochen fortzugehen, Jaime, weißt du noch? Du hast mir versprochen, wenn ich nur wollte würden wir fortgehen, in den Osten fliehen. An einen Ort, an dem Vater uns niemals finden könnte."

„Cersei, es war eine Idee, die....!"

„Ich wollte wir wären damals schon gegangen, Jaime!", erwiderte sie, die Stimme zu einem wehmütigen Flüstern gesenkt, „Ich wollte das wäre alles nie geschehen!"

Jaime wollte etwas sagen, öffnete den Mund, doch er schloss ihn in dem Augenblick wieder, als Cersei sich aus ihrer Starre zu lösen schien.

Sie ging den Strand entlang, langsam, die Schuhe in der Hand, die sie den ganzen Abend über getragen hatte, auch wenn Jaime durch seine eigenen spüren konnte, dass der Sand furchtbar heiß sein müsste, noch erhitzt von der brennenden Sonne des Mittags von Volantis.

Doch seine Schwester schien die Hitze nicht zu kümmern, stattdessen blieb sie nach einigen Schritten stehen und blickte ihn an, einen fragenden Ausdruck in ihren grünen Augen, als wollte sie ihn bitten ihr zu folgen.

Grün schimmerten sie.

Grün wie Smaragde gegen das Meer von strahlendem Gold, das ihr inzwischen wieder in verschwenderischer Fülle über den Rücken fiel und im Licht der untergehenden Sonne schimmerte wie ein sanft flackerndes, wärmendes Feuer an einem kühlen Wintertag.

„Es gibt keine Wintertage mehr!", rief er sich ins Gedächtnis.

Sie hatten den Winter mit ihrer Flucht in Westeros zurückgelassen, waren nach Essos gegangen in einen ewigen Sommer, in ein Anwesen am Meer, wo der Küstenwind ihnen manchmal eine nach Salz riechende Erfrischung zufächelte, eine willkommene Abwechslung gegen die Hitze der Sonne, die doch jeden Morgen aufging und jeden Abend die schönsten Sonnenuntergänge hinterließ, wenn sie sich für die Nacht zurückzog.

Im Licht der untergehenden Sonne, so schien es Jaime, wirkten Cerseis Züge weicher und reiner und manchmal, für wenige Augenblicke, schien es, als wären sie noch immer in Casterlystein und kein Tag vergangen, seitdem Cersei das Schloss ihrer Kindheit für immer verlassen hatte.

Manchmal, an einigen wenigen Tagen, in denen das Schicksal gnädig zu ihnen war, war es tatsächlich so, dann war sie wieder das junge Mädchen und alles war nie geschehen.

Dann wusste Cersei nicht mehr wie es sich anfühlte drei Kinder zur Welt zu bringen, um sie eines nach dem anderen begraben zu müssen, dann vergaß sie wie es war wenn einem alles auf der Welt entrissen wurde, bis auch der letzte Funken Hoffnung in der Kälte des Winters und der Dunkelheit des roten Bergfrieds erlosch und sie zurückließ, allein und verlassen, umgeben von Hass und Arglist und dem Heulen der Wölfe in der Ferne.

Es waren Momente, die nie lange anhielten, teuer erkaufte Momente, doch sie kamen immer häufiger und allmählich hatte er das Gefühl, dass die Wunde im Herzen seiner Schwester zumindest begann zu verheilen, wenn er auch genau wusste, dass selbst eine verheilte Wunde niemals wieder das sein konnte, was sie zuvor gewesen war.

Und so lächelte er, schenkte Cersei, seiner Schwester... seiner Frau, sein strahlendste Lächeln und bemerkte wie sie es gleich einem Spiegel erwiderte, bevor er wieder an ihre Seite trat.

The Lioness of the EastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt