„Guten Morgen mein Schatz“, rief meine Mutter gut gelaunt, als sie in mein Zimmer spaziert kam und die Vorhänge von den Fenstern zog. Gerade als ich grummelnd meine Bettdecke über mein Gesicht ziehen und genervt sagen wollte, dass sie mich schlafen lassen soll, fügte sie noch vorausschauend hinzu: „Und die Mogenmuffeligkeit kannst du wegstecken, denn es wird aller höchste Eisenbahn, dass du dich fertig machst; in einer Stunde beginnt die Therapie.“
Plötzlich schien ich hellwach. Mum war schon wieder aus meinem Zimmer verschwunden, doch ich sah, dass sie mir frische Kleidung für den Tag ans Fußende des Bettes gelegt hatte. Ich schnappte mir die Shorts und das Shirt und zog sie - mich im Bett umher windend - an.
Mit einem heftigen Schwung saß ich auch schon in meinem Rollstuhl und rollte durch den Flur zur Küche, wo Mum schon auf einem Stuhl vor dem sauber gemachten und gedeckten Frühstückstisch saß.
„Mit Duschen ist doof, ich weiß, aber heute Nachmittag kommt jemand und baut die selbe Vorrichtung, die wir auch Zuhause in London hatten, hier ein. Dann kannst du heute Abend duschen.“, begrüßte mich meine Mutter ohne aufzusehen und nippte an ihrer Tasse dampfenden Tees.
Ich quittierte es mir einem einfach 'Mhhhmhh' und kam direkt vor dem Tisch zum Stehen. Eine reichliche Auswahl an verschiedenen Aufstrichen stand vor mir aufgereiht und dazu erhaschte mich der kostliche Duft von Bacon und Würstchen aus einer Pfanne auf dem Herd.
"Sorry, Schatz. Ich habe das Frühstück nur für mich gemacht, du musst gleich Schwimmen und darfst nicht so viel vorher essen.", sagte meine Mutter und schaute mich aus ihren Augenwinkeln an. Entsetzt sah ich zu ihr rüber und sie begann zu lachen.
"Tut mir Leid, aber das musste sein. Um die Stimmung etwas aufzulockern, verstehst du?", grinste sie mich an. "Du bist doof.", sagte ich, so ernst ich konnte und verschrenkte meine Arme. "Also darf ich jetzt essen, oder nicht?"
"Natürlich, Lou. Man soll nach dem Essen zwar eine halbe Stunde warten, bevor man schwimmen geht, aber wir müssen erst in einer dreiviertel Stunde da sein und du wirst ja nicht gleich ins Wasser geschmissen. Also. Schlag zu!"
Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen und ließ es mir schmecken. Mum hatte wirklich an alles gedacht, was ich gerne mochte. "Sag mal, warst du eigentlich schon einkaufen, oder woher hast du das ganze Essen?", fragte ich erstaunt, nachdem mir aufgefallen war, dass wir ja gar keine Lebensmittel mitgenommen hatten.
"Der Kühlschrank ist voll.", stimmte sie mir nickend zu und legte die Zeitung zusammengefaltet weg. "Beeilst du dich, Schatz? Die Zeit rennt." Schnell spachtelte ich mir die letzten Bissen in den Mund und lenkte meinen Rollstuhl ins dunkle Badezimmer, wo ich mir nur eben die Zähne putzte.
Meine Haare zu stylen würde sich eh nicht lohnen, da ich ja ins Wasser musste. So zeigte mir der letzte Blick in den Spiegel mein struppelhaariges Selbst, das mich aus den üblichen blauen Augen anstarrte. Je näher der Beginn der Therapie rückte, desto schneller wurde mein Herz. Es grenzte schon fast an ein Wunder, das Mum den verzweifelten Versuch meines Herzens, mich von innen heraus einfach zu erschlagen, nicht durch das ganze Haus hörte.
Als ich in den kleinen Flur des Bungalows zurück rollte, wartete meine Mutter schon bereit zum Aufbruch auf mich, mit einer großen geschulterten Sporttasche. "Super, dann können wir ja jetzt los.", sagte Mum freudestrahlend, als sie mich erblickte.
Sie reichte mir meine Schuhe und meine Jacke, die ich mit zittrigen Händen entgegen nahm und überzog. Dann gingen oder beziehungsweise rollten wir stumm neben einander her die Straße entlang und immer weiter den steilen Hang, über den sich das Dorf erstreckte, hinunter.
Ich glaube, Mum wusste, wie nervös ich war und dass mich eine Unterhaltung nur noch nervöser gemacht hätte. Ich war ihr unendlich dankbar dafür, dass sie sich auch daran hielt nicht zu reden anzufangen, sondern mich einfach in Ruhe ließ.
Mein Herzschlag hatte seinen Geschwindigkeitshöhepunkt erreicht, als wir vor der Tür einer kleinen Hütte standen, die direkt am Ozean lag. Nach diesem Zeitpunkt, begann mein Herz merkwürdigerweise immer langsamer zu schlagen. Es verlangsamte sich so stark, dass es sich, als wir in ein kleines Büro gebeten wurden und ich dort vor dem großen Schreibtisch zum Stehen kam, anfühlte, als würde es stehen bleiben.
Mir wurde flau im Magen und ich sah hilfesuchend zu Mum, die ihre Hand auf meine legte und mit ihrem Daumen sanft über meine Haut streichelte. "Alles gut!", flüsterte sie und direkt darauf ging die Tür hinter uns wieder auf und zu und ein junger Mann ging um uns herum auf die andere Seite des massiven Tischs und setzte sich dort.
"Guten Tag. Mein Name ist Zayn.", sagte er, aufstehend und uns nach einander die Hand reichend. Er hatte schwarze lange Haare, die Hinten in einem ziemlich kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden waren und einen dunkeln Drei-Tage-Bart.
"So, und du bist Louis?", fragte er an mich gerichtet und ich nickte leicht. An sprechen war nicht zu denken, ich hatte den sprichwörtlichen Klos im Hals. "Okay.", sagte er lächelnd und schaute auf den Computer, der vor ihm stand.
"Hier in der Bewerbung steht etwas von Muskelproblemen. Was genau sind die Symptome und was die Ursachen? Wenn ich das weiß, kann die Therapie besser aufgebaut werden." Er richtete seinen Blick auf meine Mum und ich war erleichtert, dass die braunen Augen nicht länger mich durchborten.
Meine Mutter erklärte ihm meine komplette Geschichte und ich schaltete ab. Ich musste mir nicht zum tausendsten Mal anhören, wie verkrüppelt ich war und wie viele Sorgen ich allen bereitete. Schlecht genug fühlte ich mich auch so schon.
Nach einer gefühlten Ewigkeit eines Frage-und-Antwort Spiels zwischen Mum und diesem Zayn, ging die Tür auf und ich drehte mich erschrocken danach um. "Ahh Liam! Du kommst zum richtigen Augenblick! Du kannst Louis hier:", Zayn richtete seinen Blick auf mich und dann wieder zu dem jungen Mann, der gerade hereingekommen war. "schon direkt mitnehmen. Ich kläre noch kurz etwas mit seiner Mutter."
Etwas unsicher blickte ich zu dem Fremden auf, der sich nun neben mich stellte. Seine braunen Augen waren auf mich fixiert und er hielt mir seine Hand entgegen. "Liam. Schön dich kennen zu lernen.", sagte er mit freundlicher Stimme.
Zitternd ergriff ich seine riesen Hand und brachte mit kratziger Stimme ein leises "Louis." heraus. Er deutete mit seinem Kopf Richtung Tür und ging wortlos vorweg. Ein letzter Blick zu Mum verriet mir, dass sie schon wieder voll im Gespräch mit Zayn vertieft war.
So ganz damit einverstanden, dass Mum mich einfach so im Stich ließ war ich nicht, aber ich konnte nichts daran ändern. Kein Wort verließ meinen Mund und so blieb mir nichts anderes über, als einfach hinter Liam her zu rollen. Dieser wartete schon an der Tür, die er hinter mir schloss.
"So Louis, dann komm mal mit." Er ging voraus den Flur entlang bis zu einem Zimmer, was sich als Umkleide entpuppte. Es war eine recht große Umkleide mit mehreren Spinden und Bänken davor. Links hing ein Neoprenanzug an einem Spind, zu dem Liam hinging.
"Das hier ist dein Spind. Hier kannst du deine Sachen einschließen und auch aufbewahren, sodass du sie nicht immer wieder mit nach Hause nehmen musst. Der Neoprenanzug müsste dir passen, deine Größe hattest du in der Anmeldung ja angegeben.", zählte er auf wie von einer Check-Liste.
"Brauchst du Hilfe beim Umziehen?", sagte er wie selbstverständlich und deutete mit dem Kopf zu meinem Rollstuhl. "Nein! ... Ähh nein, nein! Ich kann das alleine. Ähhm. Du müsstest mir den Neoprenanzug nur herunter geben. Da oben komme ich nicht dran.", antwortete ich zögerlich. Diese Selbstverständlichkeit mit einer solchen Krankheit so umzugehen, wie er es tat, besaß bisher niemand den ich kannte und ehrlich gesagt, brachte mich das richtig aus der Spur.
Ich war es gewöhnt herum stammelnde Leute um mich zu haben, die mich behandelten als ob ich jeden Moment zerbrechen könnte, wenn sie etwas falsches sagten. Liam war anders. Für ihn schien ich ein normaler Patient zu sein und nichts besonderes, nur weil ich nicht laufen konnte. Irgendwie gefiel mir diese Normalität, die er mir zu sprach.
Ein kurzer Handgriff reichte und Liam hielt mir den Neoprenanzug entgegen. "Wenn du mich brauchst, ruf einfach. Ich warte draußen schonmal.", sagte er und verschwand aus der Tür. Etwas verdutzt blieb ich zurück und begann langsam mich umzuziehen."Da bist du ja. Gut! Dann können wir ja jetzt zu den Delfinen gehen." Ich ließ mich hinter ihm her rollen, während er verschiedene Wege zwischen großen Becken herum ging. "In diesen Becken leben nur kranke oder verletzte Tiere, die wir entweder aufpäppeln und sie dann wieder auswildern oder die so beeinträchtigt sind, dass sie in freier Natur keine Chance hätten zu überleben.", erklärte er, während des Gehens.
Irgendwann blieb er vor einem der Becken stehen und ich bremste direkt neben ihm. "Das hier ist unser Therapie-Becken und der Delfin dort heißt Jazz. Ich hab sie schon hier reingelassen, bevor ich zu euch gekommen bin."
Dem Delfin - der immer ab- und wieder auftauchte - schenkte ich kaum Beachtung. Meine Aufmerksamkeit galt eher dem Wasser, was ganz schön tief zu sein schien. Liam schien mein Misstrauen zu bemerken, denn er legte seine Hand auf meine Schulter. "Du brauchst vor Jazz keine Angst zu haben. Sie ist so ziemlich der liebste Delfin, den wir hier haben.", versuchte er mich zu beruhigen.
Ihm zu sagen, dass nicht der Delfin, sondern das Element indem er schwamm mir solch einen Kummer bereitete, traute ich mich nicht. Wie peinlich war es denn bitte zugeben zu müssen, dass man Angst vor Wasser hat?!
"Was hat Jazz ... Jazz denn, wenn sie hier ist? Du meintest, dass ... dass die Delfine hier alle irgendetwas haben." Ich riss meinen Blick los von dem schier endlos tiefen Wasser und richtete ihn verunsichert auf Liam. Dieser schaute nun auch zu mir und lächelte etwas. "Sie ist auf einem Auge blind, aber sie kommt hier super damit klar. Ihr werdet euch gut verstehen, da bin ich mir sicher."
Eine Zeit lang standen wir einfach nur da und schauten uns an, bis Liam plötzlich seinen Kopf heftig schüttelte und zu Jazz schaute. Er nahm seine kleine Pfeiffe, die er um den Hals trug, in den Mund und machte eine Handbewegung zu dem Delfin.
Jazz kam sofort angeschwommen und Liam pfiff einmal kurz. "So, dann zeig ich dir mal, was für ein tolles Tier unsere Jazz hier ist.", nuschelte er mit der Pfeiffe im Mund und begann verschiedenste Handbewegungen zu machen, auf die der Delfin prompt reagierte.
Der Delfin sprang auf Kommando aus dem Wasser, schwamm rückwärts, drehte Salti und sprang über eine Stange, die Liam über das Wasser hielt. Nach jedem Trick warf er ihr einen Fisch aus dem Einer zu, den er schon die ganze Zeit mit sich schleppte und irgendwann wandte er sich wieder mir zu. "So Louis. Du setzt dich jetzt mal an den Beckenrand und dann probieren wir mal, ob sie sich von dir anfassen lässt."
Ohne auf irgendeine Reaktion von mir zu warten, kam er auf mich zu und hob mich einfach so aus meinen Rollstuhl herausund setzte mich an den Beckenrand mit den Beinen ins Wasser baumelnd. Geschockt riss ich die Augen auf und klammerte mich am Boden fest.
Unbegründeter Weise hatte ich Angst, dass Liam mich jetzt einfach ins Wasser stoßen würde, aber dem war nicht so. Er setzte sich einfach neben mich und schaute mich an. "Mach mal deine Beine etwas aus einander.", dirigierte er mich. Nach kurzem Zögern tat ich, wie mir geheißen und sofort klopfte Liam mit seiner Hand auf den Boden zwischen meinen Beinen.
Jazz kam angeschwommen und legte ihren Kopf genau da hin, wo vor ein paar Sekunden noch die riesige Hand Liams war und ließ ein Geräusch von sich, was sie anhörte wie ein heiseres Lachen. Ein breites Grinsen zog sich über mein Gesicht und Liam ließ ein zufriedenes Kichern hören.
"Super. Jetzt streichel mal ganz langsam ihren Kopf." Ohne groß zu überlegen legte ich meine Hand auf die kalte und nasse Haut des Delfins und tätschelte ihre Schnauze. Ein stoßartiges Ausatmen kam von ihrem Atemloch und ein paar Tropfen Wasser sprizten mich und Liam nass. "Klasse. Ich wusste doch, dass ihr beiden euch verstehen werdet.", grinste er._________________
Tadaaa! Mein Weihnachtsgeschenk an euch :) Ein neues Kapitel und ein Liam :D
Ich hoffe euch gefällt das Update und mehr gibt es eigentlich auch nicht zu sagen. Ein Frohes Fest euch allen und schon mal einen guten Rutsch <3
PS: Es wird noch eine zweite Weihnachtsüberraschung geben, die evtl. aber wegen einem kleinen Vorfall aber verspätet kommen könnte. Haltet die Augen offen und wenn es euch interessiert behaltet mal einen Blick auf mein Profil, denn da werdet ihr bald erfahren, was denn nun genau die Überraschung ist :D Ich freu mich auf jeden Fall schon riesig auf eure Reaktionen ^^
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Therapist >> Lilo AU
FanfictionLouis Tomlinson hat seit seiner frühen Kindheit Probleme mit seiner Beinmuskulatur und kein einziger Arzt weiß Rat. Der 21 jährige sitzt im Rollstuhl, lebt noch bei seinen Eltern, kann nicht arbeiten und hat mit seinem Leben schon so gut wie abgesch...