- Prologue -

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Calum spürt die kühle morgen Luft, sobald er einen Schritt aus der Haustür gesetzt hat. Der Herbstwind zersaust seine dunklen Haare, die er nun mit aller Mühe versucht in die richtige Position zu bringen, damit sie nicht sein Gesicht kitzeln. Mit dieser Kälte hatte Calum im Oktober nicht gerechnet, weshalb er rasch die Knöpfe seines schwarzen Mantels zuknöpft.

Er nimmt den Griff seines Koffers in die Hand und zieht ihn hinter sich her. Calum geht aus der Ausfahrt seines Hauses und läuft nun in Richtung Bushaltestelle. Er schaut auf den verschmutzten Fahrplan und sucht nach dem nächsten Bus, der aus der Stadt fährt. Als dieser angekommen ist steigt er ein, sein großer Koffer immer mit dabei.

In dem Bus ist es voll. Calum wird an einen verschwitzten Körper eines fremden Menschens gedrückt. Wie kann man bei dem Wetter denn so schwitzen ? Denkt er sich und er hat recht. Draußen sind es gerade mal 2 Grad, aber im Bus ist stickige Luft. Wahrscheinlich hat der Mann ein schlechtes Deo, falls er überhaubt eins benutzt. Nach einigen Stationen wird es leerer  und auch der schwitzende Mann ist zum Glück ausgestiegen.

Calum endeckt einen freien Doppelplatz ganz am Ende des Busses. Er zieht seinen Koffer dorthin und setzt sich auf den Fensterplatz. Er lehnt seinen Kopf an das verschmutzte Glas und schließt seine Augen.

Wo er hin will ? Das weiß er nicht. Jedenfalls im Moment noch nicht. Er zieht seine weißen Kopfhörer aus seiner linken Jackentasche und steckt sie in seine Ohren. All Time Low's Therapy fängt an zu spielen. Bevor er es bemerkt hat läuft auch schon eine einzelne Träne seine Wange hinunter. Schnell wischt Calum sie mit seinem Ärmel weg. Er schließt seine Augen erneut und versucht an etwas schönes zu denken, all die miesen Gedanken zu verdrängen.

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"Sir, es tut mir leid, aber sie müssen nun aussteigen. Wir sind an der Endstation angekommen", sagt eine tiefe Stimme. Calum öffnet langsam seine Augen und kommt gleich mit einem älteren Mann zu Gesicht, zu dem anscheind die Stimme gehört. Er muss wohl im Bus eingeschlafen sein.  "Ja Klar. 'Tschuldigung", murmelt Calum. Der Busfahrer schenkt ihm ein freundliches Lächeln und er steigt aus.

Calum wartet, bis der Bus an ihm vorbei gezogen ist und schaut sich dann um.

"Ich habe keine Ahnung wo ich bin", flüstert er zu sich selbst. Alles was er sah war ein Ortseingangsschild auf dem East Croydon steht. Da geht Calum ein Licht auf. East Croydon ist ein Stadtteil von London, was also heißen muss, dass er ganz in der Nähe der Hauptstadt ist. Calum war zwar noch nie in East Croydon, aber schon öfters in dem Zentrum von London, da er nur zwei Stunden Autofahrt entfernt wohnt, besser gesagt wohnte.

Calum nimmt den Griff seines Koffers in die Hand und geht den mit Menschen überfüllten Bürgersteig hinunter. Tausende von Menschen und doch fühlt er sich wie der einzige auf Erden. Wie der einzige existierende Mensch. So alleine fühlt er sich.

Er muss sich etwas überlegen. Vielleicht sollte er sich erst mal eine Unterkunft für die Nacht suchen ? Wie hatte er sich das ganze überhaupt vorgestellt ? Abhauen und dann auf der Straße leben ? Nein. Er könnte zu seiner Tante Susan gehen ? Aber die würde es sofort Calum's Eltern mitteilen. Vielleicht sollte er auch einfach wieder nach Hause zurück kehren ? Mama und Papa würden nie erfahren, dass er auf diese Idee gekommen war, denn sie sind bis spät Abends arbeiten. Nein, zu Hause war er nicht mehr erwünscht, deswegen rennt er weg.

Auf der anderen Straßenseite endeckt Calum einen Bus, der zur Victoria Station fährt. Da kennt er sich wenigstens aus. Schnell rennt er über die Straße. Die Ampel ist zwar rot, aber er eilt dennoch los und erwischt den Bus noch rechtzeitig.

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Aus dem Bus ausgestiegen, läuft er einfach die Straßen hinunter. Er weiß nicht wo er ist, aber es sieht nach einer bewohnten Ecke aus. Haus an Haus wurde hier gebaut. Die Straße ist schmall und verschmutzt und der Bürgersteig, auf dem er geht, ist voll gemüllt. Die Häuser sind klein und mit einem verschmutzten weiß angestrichen worden. Kein Funken Freude findet man in diesem Wohnviertel, was kein Ende zu haben mag.

Zu Calums Glück ziehen große dunkle Wolken in den Himmel. Ehe er sich versehen hat landen auch schon die ersten Tropfen auf der Erde, bis es anfängt wie aus Eimern zu schütten. Die Welt scheint es einfach nicht gut mit ihm zu meinen.

Nach einem lauten donern zuckt Calum zusammen. Gewitter. Auch das noch. Seit dem er klein ist hat er gewaltige Angst vor Gewitter, vor allem wenn er alleine ist.

Calum verschnellert seinen Schritt, was aber sowie so kaum Sinn macht, da er eh nicht weiß wo er hin soll. "Verdammt", flucht er vor sich hin. Mittlerweile ist Calum komplett durchnässt. Niemand könnte sagen, ob Calum weint oder nicht. Außerdem ist ihm unglaublich kalt. So kalt das er zittert.

Ein paar Minuten später kommt er an einer Brücke vorbei. Sie führt über einen kleinen See. Calum entscheidet sich dafür heute unter der Brücke zu schlafen. Wie Klischee es auch klingen mag.

Unter der kleinen Brücke angekommen reißt er erst mal seinen Koffer auf. Zum Glück sind seine Sachen noch trocken. Er nimmt sich einen schwarzen Pulli und zieht seinen nassen Mantel und sein Shirt darunter aus und streift sich den Pulli schnell über seinen nackten Oberkörper. Er holt eine Decke aus dem Koffer und lehnt sich an die Brückenwand. Calum nimmt sich noch schnell einen Beanie und setzt ihn sich auf den Kopf.

Er schaut auf sein weißes IPhone und bemerkt, dass es schon 22 Uhr ist. Er greift sich seinen Koffer und legt ihn hin, sodass er seinen Kopf darauf legen kann. Zu Hause ist es zwar gemütlicher, aber für eine Nacht muss das hier wohl ausreichen.

Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus denkt Calum und wischt sich einen Träne aus dem Gesicht.

Depressionen  ➸  cakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt