Ep.1: Der Erste von Sieben - Teil 2

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Ein leises Knacken riss Aris plötzlich aus ihrem Schlaf. Sie spitze die Ohren und starrte in die Dunkelheit. Im Osten schienen bereits die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne durch die Bäume. Dieses Knacken war nicht aus dem Geknister des Feuers gekommen, dessen Glut noch immer leicht glimmte. Jemand war hier. Und beobachtete sie. Ganz langsam tastete Aris nach dem Griff ihres Schwertes. Vorsichtig zog sie die Klinge mit angehaltem Atem aus ihrer Scheide, während sie mit weiten Augen versuchte etwas in den Schatten der Bäume zu erkennen. Ihre Muskeln waren angespannt, bereit dazu jeden Moment ihr Leben zu verteidigen.

Doch nichts geschah. Regungslos stand die Stute da, bis sie schließlich schon dabei war ihr Schwert wieder wegzustecken. Doch genau in diesem Moment sprang plötzlich ein Pferd aus dem dichten Unterholz ins erste Licht der Sonne. Aris hob sofort schützend ihr Schwert und richtete es auf den Rappschecken vor ihr. Bevor sie ihn jedoch angreifen konnte, lösten sich immer mehr dunkle Gestalten aus den Schatten der Bäume. Auch Enduras wachte nun überrascht neben Aris auf und sprang auf seine Hufe. Er wankte schwer, sein ganzes Fell stank bis zu ihr nach Alkohol. Die Gestalten kamen stumm immer näher und Aris musste mit ungutem Gefühl mit ansehen wie sie die Beiden einkreisten. Das knistern der Glut und die leisen Huftritte der Pferde waren das einzige Geräusch, dass die Luft erfüllte. Aris hatte noch immer ihr Schwert schützend vor sich gehoben. Das Herz der Stute schlug ihr bis zum Hals, doch sie mahnte sich dazu ruhig zu bleiben.
"Gebt euch geschlagen.", sagte der Rappschecke nun kurz. Die Stute schaute sich um. Sie waren von circa einem dutzend Pferde umzingelt. Alleine hätte sie keine Chance gegen sie. Und der besoffene Hengst neben ihr war sicherlich keine große Hilfe. Mit einem Schnauben steckte Aris ihr schert zurück unter ihren Mantel.
"Was wollt ihr von uns?", fragte sie mit fester Stimme.
"Sicherlich wollen sie nur nach dem Weg fragen und dann gehen sie wieder...", murmelte Enduras entnervt. Aris drehte den Kopf zu ihm und zog die Augenbrauen zusammen.
"Das wage ich doch zu bezweifeln.", flüsterte sie ihm zu. Enduras seuftze nur und wendete sich mit einem wortlosen Kopfschütteln ab.
"Was wir von euch wollen? Gar nichts.", sagte nun der Rappschecke mit einem dreckigen Grinsen, "Aber wir kennen jemanden, der gut für einen Ritter bezahlen wird." Mit diesen Worten zeigte der Hengst auf das Emblem, dass an Aris Brust ihr Vorderzeug zierte. Es zeigte einen weißen Hirsch, das Wappen Yroas. Nur die Ritter des Königreichs durften es so offen tragen.

Enduras kicherte neben der Stute kurz und blickte ihr amüsiert in die Augen.
"Na dann, ich glaube unsere gemeinsame Reise ist hiermit beendet.", sagte er. Bevor er jedoch weiter reden konnte, kam ihm der Rappschecke zuvor.
"Ihn nehmen wir auch mit.", sagte er zu dem Hengst neben ihm und machte eine kurze Pause in der er den Grullo musterte, "Aber auf die angenehmere Weise." Verwirrt blickte Enduras dem braunen Hengst entgegen, der nun auf ihn zukam und ihm ohne zu zögern den Griff seines Schwertes über den Kopf zog. Regungslos sank Dieser zu Boden. Aris zuckte kurz zusammen, doch ihr Mitleid hielt sich in Grenzen. Der Braune, der Enduras gerade ohnmächtig geschlagen hatte hob vorsichtig den Mantel des Grauen an und ließ ihn dann gleich wieder fallen, als ihm eine Wolke aus Alkohol entgehenkam.
"Also ob wir für den was bekommen wage ich ja zu bezweifeln...", murmelte er.

Nun wandte sich der Rappschecke wieder Aris zu.
"Wie auch immer... Bitte nach euch, Myady.", sagte er übertrieben höflich und trat mit einer gespielten Verbeugung zur Seite, um Aris den Weg frei zu machen.
"Es ist auch nicht weit.", sagte er, während sich sein Blick in das Fell der Stute bohrte. Und so folgte sie einem der anderen Pferde in den dunklen Wald, während die anderen Hengsten sie umringten. Ein kräftiges Kaltblut schulterte Endurss auf seinem Rücken und trug ihn nun hinter den Anderen her.

***

Die Sonne näherte sich bereits wieder dem Horizont und legte den Himmel in ein leuchtendes Orange, als die Hengste den Wald verließen und eine große Wiese betraten. In einiger entfernung leuchteten in der Dämmerung helle Fenster. Wenn Aris es richtig erkennen konnte, handelte es sich um eine kleine Burg. Sie lag abseits von allem, mitten im nirgendwo. Die Pferde brachten Aris und Enduras bis zu einer kleinen Türe, wahrscheinlich eine Hintertür. Der Rappschecke klopfte kurz gegen das dunkle Holz. Wenige Augenblicke später wurde eine kleine Schiebetüre aufgeschoben und ein Pferd musterte den Hengst kurz.
"Wir haben neue Ware.", erklärte er. Der Hengst hinter der Türe schob den Schieber wortlos wieder zu. Kurze Zeit später war das Knacken des Schlosses zu hören. Die Holztüre schwang knarzend auf und ein breites Grinsen legte sich auf das Gesicht des Rappschecken.
"Bitte nach euch", sagte er und bedeutete Aris die Burg zu betreten. Wie gerne sie ihm mit ihrem Schwert sein bescheuertes Lächeln aus dem Gesicht geschnitten hätte. Doch stattdessen starrte sie ihn nur ausdruckslos an und lief aufrecht an ihm vorbei. Er hatte ihr das Schwert nicht abgnommen. Denn er wusste genau wie sie, dass sie keine Chance gegen die Hengste hatte.

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