um Spaß

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 Auf dem Display erschien der Name Finn und ein Foto von einem Mann und Lyra. Es war derselbe wie auf dem Gruppenfoto. Der, der seinen Arm um sie gelegt hatte.

Schnell zog Milan den Reißverschluss der Tasche zu und stellte sie neben sie wieder ab. Als ob nichts gewesen wäre, setzte er sich in seinen Sitz und schaute etwas aus dem Fenster.

Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sie wach wurde. Sie murrte etwas herum. Diese Geräusche waren das süßeste, was er je gehörte hatte. Direkt nach diesem Gedanken, schüttelte er seinen Kopf, als könnte er diese Worte so los werden oder vergessen. Doch sie blieben und wurden stärker. 

Blind tastete sie nach ihrem Handy.

"Hallo?"

Nach ein paar Sekunden öffnete sie doch die Augen und setzte sich aufrechter hin. Ihr Blick war nicht sehr begeistert und sie strich sich müde übers Gesicht.

"Verarscht du mich gerade?", fragte Lyra nach einer Weile in der der Typ gesprochen hatte.

"Na super. Das war seine zweite Chance, wir feuern ihn morgen. ... Ist mir scheiß egal, Finn. Ich hab ihn das letzte Mal gewarnt. Da hätten wir ihn schon absägen sollen, aber du warst mal wieder zu nett. ... Ich brauche Leute auf die ich mich verlassen kann. Auf ihn ist kein Verlass. ... Ich ruf Lin an, die kann das regeln. ... Ja, ich bin gleich in Berlin. ... Gut. Damit befasse ich mich dann morgen, ich brauch wenigstens ein paar Stunden Ruhe von euch. ... Ja, du Spinner. ... Wir sehen uns. ...Hab dich auch lieb."

Die letzten Worte taten richtig weh. Er konnte äußerlich so tun, als wäre ihm das egal, aber innerlich kochte er vor Wut. Dieser Finn musste weg. Am besten sofort. Es war ihm auch egal, was er dafür tun musste. Er würde es persönlich tun. Sich die Hände schmutzig zu machen, gehörte zu seinem Job auch dazu, das stellte kein Problem dar. 

"Stress mit den Kollegen?", fragte er um sich abzulenken.

Milan fand es nicht gut, wenn Frauen glaubten, sie hätten jemand anderen etwas zu sagen, aber bei ihr war auch das anders. Er fand es unglaublich sexy, wie sie gesprochen hatte. Sie war bossy und das passte auch zu ihr. Er konnte sie sich nicht vorstellen als kleine Angestellte.

"Allerdings. Der Typ baut nur Mist. Jetzt verlieren wir möglicherweise den Kunden, weil er nicht ordentlich recherchieren kann. In seinem Studium hat er sich offenbar alle Gehirnzellen weg gesoffen, die wenigen, die er davor überhaupt gehabt hatte." Sie öffnete schnell ihren Zopf und lange braune Wellen fielen über ihre schmalen Schultern. Ihre Finger fuhren durch die Strähnen und er wünschte, er könnte es ebenfalls tun.

Sie schien wütend zu sein und trotzdem wirkte sie noch ziemlich ruhig. Wie ein Profi. Lyra setzte sich im Schneidersitz hin und zog ihr Tablet aus der Tasche. Er konnte nicht sehen, welches Passwort sie eingab.

"Darf ich fragen, was sie beruflich machen?"

"Ach, vieles. Hat alles mit sozialen Medien zu tun. Mit Finn hab ich vor ein paar Jahren eine kleine Firma gegründet. Wir helfen Leuten, die eine Idee oder ein Produkt über das Internet verbreiten wollen mit Werbung, planen Treffen, machen Shootings und alles Mögliche."

"Klingt sehr spannend", antwortete er wahrheitsgemäß. Gute Werbung öffnete einem jede Tür und die Leute dahinter waren kreativ und intelligent. 

"Finn ist ihr Freund?"

Sag nein. Sag nein. Sag nein.

Sie schaute zu ihm auf, ein kleines Lächeln auf den Lippen. "Nein, er ist nicht mein Freund."

Schnell schaute Lyra wieder auf ihr Tablet, welches sie auf dem kleinen Tisch abgestellt hatte. Ihre Finger flogen darüber, vermutlich schrieb sie eine Mail. Das Lächeln lag aber noch immer auf ihren bestimmt sehr weichen Lippen. 

Milan lehnte sich unbewusst etwas nach vorne. Wieso hatte er diese Frage gestellt? Wie offensichtlich sollte er sich denn noch blamieren? Wenn er sich von außen sehen würde, würde er sich vermutlich verprügeln. Sie stellte etwas mit ihm an, was er nicht erklären konnte. Seine Gedanken huschten zwischen ihrer Schönheit, ihren Worten und seiner Wut hin und her. 

"Wie ist es mit ihnen, Sir? Haben sie eine Freundin? Eine Madam?"

Er lachte leise über ihre Wortwahl. Sir nannten die Frauen ihn in beinahe jedem Filmchen. Wenn sie sprechen konnten... 

Aus ihrem Munde war es so sexy, dass Milan sich wirklich beherrschen musste, sie nicht an sich zu reißen und zu küssen. Auch wenn sie es eher sarkastisch meinte. Vielleicht auch gerade deswegen. Sie fürchtete ihn nicht. Sie war eine Spielpartnerin auf Augenhöhe. Und aus irgendeinem Grund gefiel es ihm. 

"Nein, niemanden. Es ist schwer eine Frau zu finden, die meinen Beruf akzeptiert." Davon mal abgesehen, dass er nie an einer Beziehung interessiert war. War?

"Mmmh. Kann ich mir vorstellen. Die meisten Frauen können nicht gut teilen."

Es klang nicht so, als hätte sie ein Problem damit. Ob sie schon mit vielen Männern geschlafen hatte? Sie konnte jeden haben. Offenbar reichte ja ein Blick und ihr Gegenüber verlor seinen Verstand. So wie er gerade. 

"Sie schon?"

Sie klappte ihr Tablet leise zu und lehnte sich darüber. Sie waren sich jetzt ziemlich nah. Er konnte ihr Parfum riechen. Eine kurze Bewegung und Milan könnte ihre Haut berühren. 

Lyras Blick erwiderte seinen ohne Scheu. Sie war sich ihrer Wirkung komplett bewusst. Die Spannung zwischen ihnen war beinahe sichtbar. Er atmete schwerer. 

"Ich könnte meinem Partner doch nichts verbieten, wenn ich selber meinen Spaß haben will." Lyra flüsterte beinahe. "Und darum geht es doch im Leben."

"Um Spaß?" 

"Macht. Geld. Sex. Die drei Säulen der Freude." Sie zeigte eine drei mit ihren schmalen Fingern in die Luft, stützte ihr Kinn dann auf ihrer Hand ab. 

Das war auch seine Sicht der Welt. 

"Sind es nicht eigentlich acht?"

Sie nickte anerkennend. "Mitgefühl. Vergebung... Sowas ist nicht mein Ding. Mir gefällt es zu sündigen."

Ihr unschuldiges Aussehen täuschte wirklich. In ihren Augen jedoch konnte er ihre Wildheit erkennen, ihre Macht und Leidenschaft. 

Leicht biss sie sich auf ihre Lippe. "Wollen sie mir dabei helfen?", forderte sie ihn heraus.

Verdammte Scheiße. Seine Beherrschung war aufgebraucht. 

Er streckte seine Hand aus und zog sie zu sich. Ihre Lippen empfingen seinen Kuss voller Bereitschaft. Sie waren noch weicher als in seiner Vorstellung. Aber wie erwartet kämpften ihre Zungen um die Dominanz. Eine ihrer Hände fuhr durch sein Haar, die andere vergriff sich in seinem Hemd, so zog sie Milan noch näher zu sich. Mit seiner freien Hand stützte er sich ab, da sie nicht mehr saßen, aber auch nicht wirklich standen. 

Bevor sie die Frage der Überlegenheit klären konnten, ging ihnen die Luft aus und sie mussten sich voneinander lösen. Ihre Nasen berührten sich. Milan öffnete seine Augen und schaute in ihre hitzigen blau-braunen Augen.

Dieser Kuss war der beste, den er je erlebt hatte. Er hatte schon viele Frauen geküsst. Von den meisten wusste er nicht einmal mehr die Namen. Aber von ihr würde er in 50 Jahren noch alles wissen. Dieser Kuss war der einzige, der in seinem Leben etwas bedeutete und nur weitere mit Lyra, würden je etwas bedeuten. 

"Das wollte ich schon seit der ersten Sekunde machen", sagte er. 

"Ich weiß", erwiderte sie und küsste ihn erneut. 


Na endlich. Der erste Kuss wurde durchgeführt, was wohl folgt? ;) Lasst uns Kommentare und Sternchen da. Wie immer, lieben Dank an @niemalsMina für deine Hilfe. Love you. 

(Und ja, Wildheit ist ein Wort. Es steht im Duden.)










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