Murder Song (5, 4, 3, 2, 1) - Aurora [Alles wird gut]

15 1 2
                                    

Tiefe Töne höre ich, wenn das Blut in meinen Ohren pulsiert. Mein Gesicht ist unter einem schwarzen Nylontuch versteckt, ein weiteres habe ich um den Rest meines Kopfes gewickelt. Du sollst mich nicht erkennen. Deinen Mörder nicht sehen.
Ich stehe zitternd vor dem Haus, in dem du mit deinen Eltern lebst. Zum hundertsten Mal heute Abend taste ich in der Bauchtasche nach dem kalten Lauf der Waffe.

Ich hab ein bisschen Angst °^°, schreibst du mir.

Ich weiß, dass du alleine zuhause bist, und das erst zum zweiten Mal. das war eine Voraussetzung für die heutige Nacht.

Lange habe ich überlegt, ob es anders geht. Aber ich würde dir schaden, das weiß ich. Irgendwann würde ich die Kontrolle verlieren und schlimme Dinge mit dir anstellen. Und das kann ich nur verhindern, indem...
Ich schlucke schwer, als ich wieder daran denke.

Leise, so leise ich kann, schleiche ich um das stattliche Haus und suche nach offenen Fenstern. Tatsächlich steht ein Kellerfenster sperrangelweit offen, sodass ich nur noch hineinschlüpfen brauche. Langsam, denn ich will es nicht tun, bewege ich mich durch eine kleine Werkstatt in ein Treppenhaus, welches ich erklimme.

Ich kann nicht schlafen :(, meldete sich mein Telefon vibrierend wieder zu Wort.
Es ist alles gut, schlaf gut, antworte ich.
Und wieder zerreißt mein Herz. Ich will mich so gerne noch von dir verabschieden, aber das geht nicht. Du sollst gar nicht merken, wie du stirbst.
Bevor ich noch ein Stockwerk hinaufsteige, lade und entsichere ich meine Waffe. Das Klicken hättest du nur gehört.

Auf leisen Sohlen gehe ich von Stufe zu Stufe, darauf bedacht, kein Geräusch zu erzeugen.
Oben liegt ein dunkler Flur vor mir. Die Wände sind hoch, weiß gestrichen und hier und da mit einem Bild geschmückt. Nur der Mondschein aus einem der Räume wirft ein helles Viereck auf den Boden. Ich weiß, wo dein Zimmer liegt, das hast du mir einmal geschrieben.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht gehe ich weiter, die Waffe vor mir. Doch ich halte mich mehr an ihr fest, als zu zielen. Noch einmal denke ich über einen Rückzug nach, aber mir fällt nichts ein. Ich mag dich. Sehr. Viel zu sehr. In einem Ferienlager habe ich dich kennengelernt, erst ein paar Wochen war das her. Als du in mein Zelt kamst, habe ich mir vorgenommen, dich vor den großen Jungs zu beschützen. Doch daraus ist mehr geworden. Und das ist falsch. Sehr falsch.

Ich zucke erschrocken zusammen, als du plötzlich aus der Tür kommst, und mit einem Pfeil in Richtung meiner Augen zielst. Ich wusste nicht, dass du Bogenschütze bist, das hast du nie gesagt, aber es sieht professionell aus.
Zitternd halte ich den Lauf auf dein Herz gerichtet. Dein armes, kleines, unschuldiges Herz. Jetzt muss es doch noch den Schrecken des Lebens erfahren.
Eine einzelne Träne quetscht sich aus meinem Augenwinkel.
Schnell zwinkere ich sie weg.

Du trägst einen schwarzen Schlafanzug und ich muss lächeln, wie ich dich so auf dem Flur stehen sehe. Ohne Socken, und zitternd vor Angst. Das ist natürliches Menschsein.
Das ist der Grund, wieso das hier geschehen muss. Du bist natürlich, jung, unschuldig, niedlich. Aber ich darf das nicht gut finden.

Knapp zischt an meinem Ohr ein Pfeil vorbei.
Der Spiegel am anderen Ende des Flures zersplitternd kreischend, als er getroffen wird. Ein ohrenbetäubend lautes Geräusch, nachdem solange nichts als unser Atmen und Herzklopfen zu hören war.
Blitzschnell hast du den nächsten Pfeil angelegt.

Von Irgendwoher kommt plötzlich das Wissen, dass du eine Ahnung hast, wer vor dir steht. Eigentlich geht das nicht, ich bin verschleiert, aber es ist etwas in der Luft. Du weißt, wer ich bin.
„Warum", hauchst du mit zitternder Stimme.
Immer noch blicken deine Augen in den dunklen Lauf der zitternden Pistole. Kleine weiße Punkte flackern in ihnen, Reflektionen des Mondes. Du hast Angst, große Angst. Das wollte ich nie. Ich wollte, dass es schnell vorbei ist.

Interpretations of a different kind - wenn Lieder zu Geschichten werden [De]Where stories live. Discover now