1. Ankunft in Hemlock Grove

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Es war Herbst. Die Blätter färbten sich gelb und fielen von den Bäumen.
Gelb. Das war Lenas Lieblingsfarbe. Mit Kopfhörern im Ohr saß sie auf dem Rücksitz im Auto ihrer Eltern. Ihr Kopf lehnte an der kalten Scheibe. Ihr Blick streifte draußen durch die Landschaft. Doch sie sah immer nur das Gleiche, und zwar Wald. Die Fahrt dauerte schon eine Ewigkeit, und sie schien kein Ende zunehmen. „Wir sind gleich da!", Lenas Vater riss sie aus ihren Gedanken. Sie zog die Kopfhörer aus ihren Ohren und setzte sich aufrecht hin. Nachdem sie sich einmal gestreckt hatte sah sie wieder aus dem Fenster. Im Vorbeifahren sah sie ein Schild mit der Aufschrift Hemlock Grove. Da war es also nun, Lenas neues Zuhause. Das Auto parkte kurz darauf in der Auffahrt eines Hauses. Es war modern, aber nichts besonderes. Lena hing sich ihren Rucksack über die Schulter und stieg aus. Ihr Handy steckte sie in ihre Hosentasche. Sie blieb vor dem Haus stehen und musterte es mit strenger Miene. „Gefällt es dir nicht, Liebling?", fragte ihre Mutter nach einer Weile. Lena sah sie genervt an. „Mir gefällt die Tatsache nicht, hier sein zu müssen.", antwortete sie matt. Nach einem intensiven Augenrollen wendete sie sich am und betrat das Haus. Ihre Eltern sollten wissen, dass sie immer noch sauer war. Ihre Mutter seufzte. Sie sah ihren Gatten frustriert an. „Wird sie uns jemals verzeihen?", in ihrer Stimme lag kein Anzeichen von Hoffnung. „Irgendwann bestimmt. Gib ihr einfach etwas Zeit.", antwortet Lenas Vater, nahm seine Frau in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Kommst du Frühstücken, Lena?", es war 7.00 Uhr morgens und die Stimme von Lenas Mutter hallte durch das ganzes Haus. Die Möbel waren nicht pünktlich geliefert worden. Die gähnende Leere der Räume verstärkte den Hall. Immer noch sichtlich frustriert kam Lena die Treppe runter. Sie ließ sich auf dem Esszimmerstuhl nieder, sah ihr Toast skeptisch an, biss aber trotzdem ab.
„Schätzchen, heute ist dein erster Schultag. Du wirst bestimmt viele neue Leute kennenlernen. Dann bist du nicht mehr so alleine.", ihre Mutter versuchte fröhlich zu bleiben, doch sie sah den Konter ihrer Tochter schon kommen.
„Ich bin allein, weil ich es sein möchte.".
„Du hast die letzten drei Tage allein in deinem Zimmer verbracht. Mit uns sprichst du kaum ein Wort. Wir wollen nur dein Bestes. Gib dich deinen Mitschülern gegenüber bloß nicht so, wie du zu uns bist, sonst findest du nie Freunde.", sagte ihr Vater und schlug die Zeitung um.
„Ihr könnt mich mal", war Lenas Antwort. Zum Abschied warf sie ihren Eltern noch einen zornigen Blick zu. Die Tür fiel hinter ihr laut ins Schloss.

Roman GodfreyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt