Quellwasser

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Der Nebel legte sich über das Land. Es war früh am Morgen, als mein Vater mich für einen Spaziergang zur Quelle weckte. Natürlich wollte er wissen, für welche Recken ich mich entschieden habe. Ich erzählte ihm alles, was ich für nötig hielt.
Als Manuel zu Wort kam, blieb Vater stehen. "Er wird dir Unheil bringen." Er schien empört. "Was macht dich da so sicher?", fragte ich nur und ging weiter, richtung Wasser. "Er wirkt wie jemand, dem man nicht trauen sollte." Schnell kam er hinter mir her. "Nur, weil er diese Maske trug? Er hat sie abgesetzt. Ich weiß, wer er ist und er hat gut gekämpft. Sollte er Versagen, kann ich ihn noch immer wegschicken." Ich verschränkte meine Arme. Mein Vater seufzte neben mir. "Nein Patrick, das kannst du nicht. Diese Leute hast du auserwählt. Du, der Prinz. Und du selbst bist kein guter Kämpfer, Patrick. Du hast keine Kraft." Als seine Worte seinen Mund verließen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Meine Fäuste ballten sich. "Das weiß ich." "Mein Junge. Du kannst dich nicht verteidigen, im Falle eines Angriffs. Und deine Recken müssen sich nicht nur um dich kümmern, sondern auch um ihre eigene Ausbildung um besser zu werden. Nur einer, der beste der Fünf, wird dich auf Schritt und Tritt verfolgen, sobald du auch nur einen Fuß aus dem Schloss bewegen solltest. Für deine Sicherheit. Sei nicht so Naiv und glaub, dass du alles allein schaffst. Denn das tust du nicht."

Sobald ich achtzehn wurde, dürfte ich das Schloss verlassen. Bis lang war es zu gefährlich für den verhassten Prinzen. Und dann musste einer der Fünf ständig bei mir sein.
"Danke Vater", murrte ich. "Ich würde ganz gerne allein sein." Ich sah auf die seichte Oberfläche der Quelle. "Nun gut. Dann werde ich zurück ins Schloss gehen und deine Recken kennenlernen." Damit ging Vater.

Ich setzte mich in den noch nassen Rasen und legte meine Hände auf die Wasseroberfläche. Dann schloss ich meine Augen. Nur ein einziges Kribbeln in den Fingerspitzen würde mir reichen. "Bitte Göttin Aroha", flüsterte ich und sah auf, zu der großen Statue aus Stein. "Ich bin doch bereit." Tränen der Verzweiflung rannen mir die Wangen herab und so wütend wie ich war, schlug ich mit der Hand auf das Wasser. Schnaufend saß ich da und wusste nicht, was ich noch machen sollte.

Um mich zu beruhigen, sah ich zu dem großen Kirschbaum, der im Frühling so schön blüte. Und ich erschrak. Auf dem großen Ast, saß eine dunkle Gestalt und starrte mich an. Ich erkannte, dass sie grinste. In mir stieg Angst auf. Ich hatte keinen Schutz, war dem Angreifer ausgeliefert. Aber vielleicht war der Tod mein Schicksal.

Die Gestalt schwang sich vom Ast und landete leichtfüßig im flachen Wasser der Quelle. "Schon Angst bekommen, Prinz?", fragte er. Und ich erkannte ihn. Es war mein Recke, Manuel. Er verärgerte mich. "Was tust du hier?", fauchte ich ihn an. Er stand da, lässig und ohne Schuldgefühl. "Ich erkunde das Schloss. Ich will es kennenlernen, damit ich weiß, wo ich lang gehen muss um schnell bei Ihnen zu sein. Oder um Sie wegzubringen, falls etwas sein sollte." Er trat aus dem Wasser und wrang seinen Umhang aus. Noch immer trug er diese Lumpen.

Mir war es unsäglich peinlich, dass er mich so gesehen hatte. "Sie erlangen also Ihre Kraft nicht?", fragte Manuel und kniete sich an das Wasser. "Mal mit hineinsteigen probiert?" Er guckte mich durch seine Maske an. "Mehr als genug", seufzte ich. Manuel legte seine Finger überlegend an sein Kinn. "Woran liegt es?" Er fragte es zu sich selbst. "Ich weiß nicht woran es liegt", antwortete ich aber dennoch. "Welche Kraft wurde Ihnen zugeschrieben?", fragte er dann und kniete sich in das feuchte Gras hinein.

Ich zuckte mit den Schultern. "Mein Großvater hatte die Kraft, stärke über das Maximum hinaus zu bekommen. Vater kann Menschen zu Stein werden lassen, wenn er sie berührt oder ansieht und es möchte. Aus dem Grund fängt auch kein Land mit uns Krieg an. Sie wissen, was geschehen wird, wenn sie einen Angriff starten. Bei allen haben sich schon in der Kindheit Dinge gezeigt, die auf Ihre Kraft schließen lassen. Nur bei mir nicht." Manuel drehte seinen Kopf zu mir. "Mich erinnert dieses Schicksal sehr an einen vergangenen Herrscher dieses Landes." Er nahm seine Maske ab. "Es gab niemanden, dessen Kraft sich nicht gezeigt hatte. Bis auf mich", entgegnete ich allerdings empört. Er redete wirres Zeug. "Das denken Sie". Manuel grinste, nahm Wasser in seine Hände und wusch sich sein Gesicht. "Wovon sprichst du?", fragte ich ihn aber dennoch. Auch wenn ich wusste, dass er Unsinn redete.

Manuel grinste gehässig. "Das werden Sie mir eh nicht glauben. Ihr werdet mich für einen Irren halten." Er stand auf. "Aber vielleicht hilft Ihnen der Gedanke daran, dass ich nicht umsonst hergekommen bin, um Ihr Recke zu werden. Alles hat einen Grund." Diese Worte halfen mir so gar nicht weiter. Auch ich richtete mich auf und stand Manuel nun gegenüber. "Ich möchte den Grund wissen." Doch er schwieg auf meine Forderung. "Ich erkläre es zu einem anderen Zeitpunkt. Der König geht zu den Recken. Da sollte ich anwesend sein." Er machte eine flüchtige Verbeugung, die nicht nach Ernsthaftigkeit aussah, und ging dann zurück Richtung Schloss. Er ließ mich verwirrt zurück. Wütend, grummeld schlüpfte ich aus meinen Schuhen hinaus und stieg in das kalte Wasser der Quelle und fing an zu Beten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 07, 2020 ⏰

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