Die fünf Recken

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Der Tisch war reichlich gedeckt. Krüge mit verschiedenem Wein. Teller mit Gemüse drauf und ein Ferkel, mit einem Apfel im Mund, in mitten der großen Tafel. Drum herum standen Stühle, die für die Recken gedacht waren. An der Spitze stand meiner.

"Wollen Sie sich noch einmal frisch machen, mein Herr?", fragte Gustav, einer unserer Knechte. Ich schürzte die Lippen. "Sicher." Also folgte ich ihm zu einen der vielen Waschräume. Er machte mir die Tür auf, reichte mir ein Lappen und eine Seifenschale, auf der ein grünes Stück Seife befand. "Ich warte auf Sie." Er verbeugte sich kurz und ließ mich dann allein.

Ich legte meinen Umhang ab und hängte ihn an die Wandhalterung. Danach striff ich mir mein Leinenhemd ab und warf es achtlos auf den Boden.

Wer wohl diese Menschen waren, mit denen ich gleich sprechen würde? Ob sich genau fünf fanden, die mich bis zum Ende meiner Regierung schützen werden? Ich biss mir auf die Unterlippe. Die einen Prinzen ohne Kraft schützen sollten.
Ich tunkte das Tuch in einen Metalleimer voll Wasser und rieb die Seife auf das nun nasse Tuch.
Ob ich mich richtig entscheiden würde? Ich hatte bedenken, da ich noch nie wirklich eine selbstständige Entscheidung treffen musste. Ich war siebzehn und es war das erste Mal, dass mir mein Vater vorerst in nichts reinreden durfte. Und bald wäre es schon so, dass er meine Entscheidungen nicht beeinflussen konnte. Schließlich war ich dann König und er, er war tot.

Ich wusch mir mein Gesicht und meinen Oberkörper, trocknete mich ab und zog mir Hemd und Umhang wieder an.
Jetzt war es soweit. Ich würde die sieben Recken kennenlernen und müsste mich am Abend entscheiden, wen ich als mein Schutz anerkennen würde.
Eines wusste ich jedoch jetzt schon. Der Recke, der so mysteriös wirkte, würde ich als mein ersten Leibwächter ernennen. Und dann musste nur noch mein Vater entscheiden, ob ich diese Entscheidung fällen durfte.

(...)

Ich stand mit Gustav vor der großen Flügeltür, hinter der sich die Tafel befand. Die Recken saßen schon an ihren Plätzen und warteten nur auf mein Eintreffen. "Ich bin nervös", gestand ich Gustav leicht flüsternd, der mir gleich darauf beruhigend den Arm klopfte. "Sie schaffen das. Es ist nur ein Essen, wo Sie Ihre Recken kennenlernen. Sie wissen was Sie tun müssen." Er lächelte. "Dann los." Ich sah zu den Wachen, links und rechts neben den Türen, die sie gleich auf meine Worte öffneten.

Ich fühlte mich komisch, als die Blicke der Recken auf mich gingen, sie sich von ihren Plätzen erhoben und ihren Kopf senkten.
Erst als ich mich setzte, setzte sich auch einer der Recken. Er tat es wie selbstverständlich. Es war der Recke mit dem zerschlissenen Umhang. Verwirrt blickte ich ihn an, ließ es aber so stehen. Vermutlich wusste er nicht, wie man sich zu benehmen hatte.

"So sei es", murmelte ich und räusperte mich anschließend, um meine Rede zu beginnen. "Ich habe euch alle auserwählt, wie ihr wisst, um zu schauen, wer von euch ein Teil meiner Leibgarde wird. Ihr habt alle sehr gut gekämpft und wart die Besten unter allen und jeder hat mich auf einer anderen Art und Weise von ihrem Können überzeugt. Nun gilt es mich von eurer Persönlichkeit zu überzeugen. Ich muss schließlich wissen, ob ihr zu mir passt. Aber das werden wir sehen. Bitte, setzt euch und stärkt euch." Ich deutete mit meiner Hand auf den Tisch und sah erstmals in die Gesichter meiner Recken. Sie sahen allesamt sehr Jung aus. Vielleicht mein alter. Nur einer wirkte älter. Vielleicht mitte dreißig. Als ich jedoch in das Gesicht des Recken mit dem besonderen Kampfstil schaute, bemerkte ich, dass er noch immer seine Maske auf dem Gesicht trug.

Mein Blick blieb auf ihm haften. Er tat sich mit der großen Holzkelle etwas Suppe in seine Schüssel. "Sir", sprach ich ihn an. Er drehte seinen Kopf zu mir. Sein Mund blieb geschlossen. "Wie ist Ihr Name?", fragte ich. Er schmunzelte sachte. "Manuel." "Gut, Manuel. Masken sind am Tisch nicht gestattet. Würde es Ihnen was ausmachen, sie abzulegen? Ebenso die Kapuze." Sein Lächeln verschwand. Allerdings griff er an sein Hinterkopf und zog die Kapuze herunter. Sein Haar war dunkelbraun und war zu einem strengen Zopf gebunden. "Vielen Dank," sagte ich noch schnell und beobachtete, wie er seine Maske aufband und neben seinen Teller auf den Tisch legte. Dann sah er mich an. "Zufrieden?" Er fragte es schon fast schnippisch. Ich nickte. Ich nickte wie im Trance. Geschockt von dem Anblick. Sein rechtes Auge war Matt und glanzlos. Grau, hingegen sein linkes, welches in einem dunklen Grün glänzte und fast schon bedrohlich leuchtete.

"Was ist Ihnen zugestoßen?", fragte ich ihn. Es war unhöflich so direkt zu sein. Allerdings wäre ein blindes Auge eine Einschränkung in meinem Schutze. "Eine Hexe", antwortete er Kühl und schüttete sich Rotwein in sein Kelch. "Hat einen Zauber zu mir geschmissen, bevor ich sie getötet habe. Zum Glück kam nur das bei rum und nicht mehr." Er trank seinen Kelch leer und ließ ihn auf den Tisch knallen. Mir schnürte sich die Kehle zu. Jedoch interessierte er mich. "Sie haben viel Erfahrung?" Er nickte. "Einige. Aber eigentlich habe ich mich bis jetzt nur selbst geschützt." Er lächelte mich schelmisch an. Es hörte sich an, als wäre es für ihn schon sicher, dass er einen Platz an meiner Seite hatte. Und genau deshalb wollte ich ihm keine weitere Aufmerksamkeit geben.

Der ReckeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt