XX - Verschwunden

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Draco hat seit Tagen nichts mehr von sich hören lassen und mittlerweile macht sich Astoria große Sorgen. Sie weiß, dass er vorübergehend in eines der leerstehenden Malfoy-Häuser inmitten von London gezogen ist, aber mehr hat sie nicht herausfinden können. Sie hat überlegt, Lucius nach ihm zu fragen, aber gleichzeitig fürchtet sie, dass Draco das irgendwoher hören und falsch interpretieren könnte. Außerdem fragt sie sich jeden Morgen, ob dies der Tag sein wird, an dem ihr eigenes Gesicht ihr von der Titelseite des Tagespropheten entgegenstarren wird. Sie weiß, dass Lucius Narzissa die Wahrheit gesagt hat, und kann nur hoffen, dass sie auf die Beschwichtigungen ihres Gatten tatsächlich gehört hat... Die andauernde Anspannung ist für sie schon Strafe genug.

Sie hat sich in ihrem Bett verkrochen, jegliche Kommunikation mit der Außenwelt unterbunden und dreht Däumchen. Die Einsamkeit bewirkt genau das, was Draco wohl wollte – nämlich, dass sie nachdenkt. Wie eitel und abgestumpft sie war, zu glauben, mit Sex alles lösen zu können. Und wie sehr er ihr fehlt. Ihre Gespräche, mit ihm zu lachen, seine Hand zu halten und sich an ihn zu kuscheln... All das war nie schlecht. Sie hat sich wohl gefühlt mit ihm, ruhig. Vielleicht hat die Leidenschaft gefehlt, die Hitze, aber auch die hat er am Ende gezeigt – zwar im Streit und nicht im Guten, aber immerhin. Die Realisierung fühlt sich an, als käme sie viel zu spät, aber noch muss das vielleicht gar nicht sein. Noch wurden ihr immerhin keine Annullierungspapiere vorgelegt oder sie in Schimpf und Schande aus der englischen Gesellschaft verjagt. Noch könnte sie sich vielleicht retten... Wenn ihr nur nicht die Kraft fehlen würde.

Aber sie schafft es nicht, sie kann einfach nicht mehr tun als abwechselnd die Wände und ihr Spiegelbild anzustarren, und zwischendurch eine Zeitung in die Ecke zu pfeffern. Sie sollte Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Draco zu finden und ihn auf Knien um Verzeihung anzuflehen... Aber es gelingt ihr einfach nicht. Stattdessen sitzt und wartet sie, wartet, bis endlich etwas geschieht.

Und am 5. Dezember passiert tatsächlich etwas, allerdings anders, als sie es gehofft hat. Es klingelt an der Tür und Astoria öffnet unfrisiert und im Bademantel. Die einzige Person, bei der ihr Aufzug ihr wichtig wäre, ist Draco, und der würde wohl kaum läuten. Stattdessen blickt sie in das leicht schockierte Gesicht von Romilda, die dort unangekündigt neben ihrem Mann steht.

„Hey, Toria... Henry und ich waren gerade in der Gegend und da dachte ich, wir schauen mal vorbei, weil wir euch lange nicht mehr gesehen haben... Ist es gerade ungünstig?" Und wie, will Astoria erwidern, man braucht sie doch nur anzusehen, um das offensichtlich zu machen. Sie sieht aus als wäre sie aus der Höhle eines Trolls gewankt, und als Romilda sie fragt, ob Draco zuhause ist, bricht sie in Tränen aus. Henry zögert nur eine Sekunde, dann gibt er seiner Frau einen zärtlichen Abschiedskuss und meint, dass sie sich später sehen. Ob er aus dieser unangenehmen Situation fliehen will oder einfach nur sehr feinfühlig ist, Astoria ist ihm unendlich dankbar, als Romilda eintritt und sie in eine feste Umarmung zieht.

„Hey, was ist denn passiert?" Astoria bringt nur unzusammenhängendes Gestammel unter ihren Schluchzern hervor, während Romilda sie auf der Couch fest drückt. „Ich mach uns jetzt einen Kakao, und dann erzählst du mir, was los ist", beschließt sie kurz entschlossen. Als wäre Kakao ein Allheilmittel, aber vielleicht war er das für Frauen wie Romilda ja auch. Die große Errettung in jeder Liebeskrise. Astoria hat das noch nie gebraucht – normalerweise ist sie diejenige, die die Dinge beendet. Und die immer, immer, die Kontrolle behält.

Als sie die dampfende Tasse in der Hand hält, geht es ihr für eine Sekunde sogar wirklich besser, als sie den Duft einsaugt. Mittlerweile sind ihre Schluchzer abgeebbt, aber sie kann es Romilda immer noch nicht erzählen. So sehr sie Romilda als Freundin schätzt, sie weiß, dass absolut alles, was sie ihr erzählt, früher oder später bei fremden Ohren landen wird.

Ain't My Fault (Adventskalender 2019)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt