Kapitel 2

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»Ich hasse es, wenn er Nachtflüge hat«, vertraute mir Christy an, als wir das schmutzige Geschirr in die Küche trugen. »Es ist grässlich, allein in dem großen Bett zu schlafen. Er fehlt mir dann immer so.«

»Wenn du willst, schlafe ich bei dir«, bot Tommy an, der plötzlich hinter uns stand. Wir lachten und Christy zwinkerte ihm zu. »Vielleicht komme ich darauf zurück, mein Schatz.« Er grinste zufrieden und verschwand.

»Du kommst gut zurecht mit Georges Kindern, nicht wahr?«, fragte ich.

»Ja, zum Glück. Normalerweise können Kinder ihre Stiefmütter ja nicht leiden.«

»Das ist ein albernes Klischee und kommt wohl auch auf die Stiefmutter an.«

Christy öffnete die Spülmaschine und begann, das schmutzige Geschirr hinein zu räumen. »Die beiden hatten schwer an dem Tod ihrer Mutter zu knabbern«, vertraute sie mir leise an. »Besonders Sandy. Tommy war noch zu klein, um es so richtig zu verstehen. Sandy hat mir zunächst nur Misstrauen entgegengebracht. Aber mit Emma verstand sie sich von Anfang an super, und inzwischen hat sie mich ebenfalls akzeptiert.«

Die nächsten Tage verbrachte ich hauptsächlich damit, Bewerbungen zu schreiben und mich bei den verschiedensten Firmen vorzustellen. Nun hieß es abwarten. Ich wusste, ich war gut in meinem Job, sprach fließend Deutsch und Englisch und besaß Basiskenntnisse in Französisch. Bestimmt würde ich bald etwas finden. Mit Glück würde ich sogar wählen können. Das Vorstellungsgespräch an diesem Tag war so gut gelaufen, dass ich anschließend in ein Einkaufszentrum fuhr und mir ein Sommerkleid und ein schickes Paar Schuhe kaufte. Zufrieden fuhr ich nach Hause. Als ich dort ankam, war es bereits nach acht.

George saß mit einer Flasche Bier auf den Stufen der Veranda und sah mir entgegen. »Hi. Wo warst du so lange?«

»Einkaufen.« Wie zum Beweis hielt ich die Tüten hoch.

»Möchtest du auch eins?« Er hob seine Flasche an.

»Gern.«

Wenig später saßen wir nebeneinander auf der Treppe und schauten in die Dämmerung. »Wie ist Deutschland so?«, fragte er.

»Kühl. Nicht die Deutschen an sich, aber das Klima. Sehr sauber, sehr organisiert. Wir können viel von den Menschen dort lernen. Aber nicht alles. Es fehlt ihnen ein wenig an Leichtigkeit. Vielleicht wegen des Wetters.«

»Bist du deshalb zurückgekommen?«

»Auch. Ich hatte den Drang, wieder nach Hause zu kommen. Während der letzten Monate habe ich immer häufiger an Amerika denken müssen. Und irgendwann wurde mir klar: Ich will zurück.«

»Eine gute Entscheidung«, befand George und lächelte mir zu. »Ich bin froh, endlich die berühmte Allie kennen zu lernen. Christy hat so viel über dich erzählt, dass ich richtig neugierig wurde.«

Ich verzog das Gesicht. »Oje, was hat sie dir verraten?«

Er lachte. »Dass du chaotisch und temperamentvoll wie ein Wirbelwind bist, zum Beispiel. Und dass du dir mit Sechzehn einen Irokesen-Schnitt zugelegt hast, um deine Eltern zu schocken.«

Bei der Erinnerung musste ich auch lachen. »Es sah furchtbar aus. Mein Vater hätte fast einen Herzinfarkt bekommen und ließ mich nur mit Mütze das Haus verlassen, egal, wie warm es draußen war. Natürlich habe ich sie abgenommen, sobald er mich nicht mehr sehen konnte.«

»Du scheinst ja ein ziemliches Früchtchen gewesen zu sein.«

»Nur manchmal«, schwächte ich ab. »Aber Christy war auf jeden Fall immer vernünftiger als ich.«  Das Insektengitter hinter uns quietschte leicht in den Angeln und wir drehten uns um. Da stand Tommy in seinem Schlafanzug. »Ich muss ins Bett«, sagte er bedauernd.

Chaos der GefühleWhere stories live. Discover now