Kapitel 18

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Nico's P.o.V
"Was ich von den Ärzten erfahren habe ist, dass...dass meine Mutter eine fortgeschrittene Form einer Polyneuropathie hat."
Nico war sprachlos. "W-was ist das?" Will seufzte. Er sah sehr müde aus, als ob er die Last eines Erwachsenen tragen würde.
"Polyneuropathie ist eine Krankheit, bei der mehrere Nerven im Körper beschädigt werden. Je nachdem welche Nerven betroffen sind, kann das zu Taubheit, Krämpfe, Schmerzen oder sogar Muskelschwäche führen. Und bei meiner Mom war das letztere der Fall. Als sie auf der Arbeit umgekippt ist, konnte sie sich nicht mehr richtig bewegen." Nico erbleichte. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Will seine Fäuste zusammenballte. "Was ich nicht verstehe", sagte dieser, "ist, dass sie mir nichts gesagt hat. Polyneuropathie entsteht nicht von einem Tag auf den anderen. Sie hat mir später gesagt, dass sie schon öfters Schwächeanfälle hatte, wenn ich nicht Zuhause war. Ab und zu konnte sie ihre Zehen oder Finger nicht mehr spüren. Und das ging über mehrere Monate so weiter, ohne dass ich etwas bemerkt habe!" Der blonde vergrub frustriert seine Hände in seinen Haaren. Nico war schockiert. Er hatte Will, in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, noch nie so aufgewühlt gesehen. Er legte ihm behutsam eine Hand auf den Arm. Will schaute auf und liess seine Haare los. Er wirkte entspannter. Nachdem er seine Hände auf den Schoss platziert hat, redete er weiter. "Als ich später im Krankenhaus war, entschuldigte sich meine Mutter bei mir. Der Doktor sagte uns, was mit meiner Mom los war und sagte, dass sie eine gute Behandlung braucht, um besser zu werden. Aber selbst dann würde sie nie vollkommen gesund werden. Wir mussten wieder umziehen. Wir zogen hier her, wo wir bei meiner Großmutter lebten. Sie wohnte in der Nähe eines guten Krankenhauses, wo wir meine Mutter bei Notfällen schnell hinbringen könnten. Aber wegen ihrer Erkrankung, konnte sie nicht mehr arbeiten. Das Geld wurde wieder knapp und die Krankenhaus Kosten stiegen. Meine Großmutter und ich wussten nicht mehr was wir tun sollen. Sie begann wieder zu arbeiten und ich holte mir einen Teilzeitjob bei McDonald's. Das Geld war zwar immer noch knapp, aber wir kamen irgendwie durch die monatlichen Kosten durch. Aber dann..." Will stockte. "Dann starb meine Großmutter." Er senkte wieder den Kopf und begann zu zittern. Nico sah die einzelnen Tropfen, die von seinem Gesicht auf den Boden fielen. Er war schockiert. Nach all dem, passierte auch noch so was. Wills Leben schein wohl verflucht zu sein. Nico kannte niemanden - ausser vielleicht ihn selbst - der so viel Pech hatte. "U-und dann?", fragte Nico. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Will schaute ihn von der Seite an. "Dann, ja dann, dann war meine Kindheit offiziell zu ende. Ich ging nicht mehr zur Schule. Ich habe viele Jobs bei Fast-Food Ketten und in Bars angenommen. Ich habe mein Alter verleugnet. Ich hatte mir einen gefälschten Ausweis anfertigen lassen, sodass ich als ein 18 Jähriger durchging, obwohl ich nur 13 war. Ich arbeitete pausenlos. Kaum war die erste Schicht fertig, musste ich zur nächsten. Und wenn ich mal frei hatte, musste ich mich um Mom kümmern. Die Ärzte wussten nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund fing sie an ein schlechtes Kurzzeitgedächnis zu entwickeln. Das hat nichts mit der Polyneuropathie zu tun, aber niemand weiss, wieso das passierte. Sie dachte, dass ich immer noch zur Schule ginge und es uns finanziell gut geht. Und damit sie sich nicht sorgt, sagte ich ihr auch nicht die Wahrheit. Ich lügte, sagte, dass es mir gut geht, dass ich glücklich bin. Ich lächelte die ganze Zeit vor ihr. Aber ich war so müde. Und traurig. Und wütend. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich konnte nicht einfach aufgeben. Das konnte ich Mom nicht antun. Deshalb machte ich weiter. Es wurde zur Routine. Arbeiten, lächeln, essen, arbeiten lächeln, essen." Will seufzte. Er sah sehr müde aus. „Und irgendwie schaffte ich es allein durch die Finanzen zu kommen. Das ging etwa eineinalb Jahre so weiter. Aber dann, vor einem halben Jahr, bekam ich einen Anruf." Will lächelte leicht. Seine Augen glänzten, als er sich an jenen Tag erinnerte. „Die Schwester meines Vaters war dran. Sie hatte von unserer Situation erfahren und sagte, dass wir bei ihr einziehen können. Ich weiss immer noch nicht, wieso sie uns ihre Hilfe angeboten hat, aber ich war nie in meinem Leben so erleichtert gewesen, wie in diesem Moment. Weisst du, meine Tante ist eine der Filialchefin von Amazon, zusammen mit Hylla Ramirez-Arellano. Sie verdiente viel Geld und konnte sich um uns kümmern. Ich konnte endlich wieder zur Schule gehen. Das letzte halbe Jahr habe ich damit verbracht, den Stoff, den ich verpasst habe, zu wiederholen. Dann bin ich in dieses Internat gekommen. Ich war sehr nervös. Ich hatte seit Jahren keine Freunde mehr. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Dann tat ich einfach das, was ich besten konnte. Ich habe meine Unsicherheit hinter einem Lächeln versteckt." Er drehte den Kopf zu Nico und schenkte ihm ein weites Lächeln. Aber Nico sah jetzt die Risse in seiner Maske. Er sah jetzt endlich durch das glückliche Getue. Er sah jetzt, wie gebrochen sein Blick ist. Vorsichtig streckte Nico eine Hand aus. Sie zitterte leicht, immer noch schockiert von dem, was Will ihm gerade erzählt hatte. Er legte seine blasse Hand auf Wills gebräunte Wange. Dieser schaute ihn verwirrt an, sein Lächeln verblasst. Nico schaute ihm tief in seine himmelblauen Augen. „Bitte, hör auf damit", hauchte Nico. „Bitte, hör auf deine Emotionen zu verstecken. Es wird dich nur von ihnen zerstören. Wie es mich beinahe zerstört hat. Du sollst lachen und weinen können wenn du es magst und nicht für andere Menschen eine Maske aufsetzen. Bitte, lass deinen Gefühlen freien Lauf." Will sah ihn verblüfft an. Dann lächelte er wieder. Ein zartes, aber ehrliches Lächeln. Dann fing er leicht an zu lachen und Tränen strömten frei seinen Wangen herunter. Nico spürte, wie auch seine Lippen zuckten und er wischte mit einer Hand die Tränen auf Wills Gesicht weg. Dann plötzlich versank sein Gesicht in einem Meer von goldenen Locken und erstaunt stellte er fest, dass Will ihn umarmte. Aber nach dem kurzen Schock schlang er auch seine eigenen Arme um ihn und versenkte sein Gesicht wieder in Wills Haare. So blieben sie für eine Weile sitzen, einfach die Präsenz des jeweils anderen geniessend. Und das war das erste Mal seit langer Zeit, bei dem sie sich beide wie Zuhause fühlten.
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Hey Leute! Lange nicht mehr gesehen! Hehe. Ja ich lebe noch. Kaum zu glauben.
Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, dass ich so lange nichts mehr geschrieben habe. Und deswegen konnte ich nicht einschlafen. Danke dafür -.-
Aber hey! Hier ist das Kapitel! Yey!
Lg
Pajkea😉🥱

Hope to be accepted (Solangelo)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt