Kapitel 9

2K 79 6
                                    

"Hey, Esmé! Hallo? Hey! Schau mich mal an!" Erst nach und nach nahm ich wieder mein Umfeld war. Vor mir stand Dustin und wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. Verwundert hob ich meinen Blick und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. "Hä? Was ist denn?", fragte ich dann. Nun war es Dustin, der verwirrt dreinblickte. "Ehm... du hast gerade geschlagene fünf Minuten nicht mehr reagiert und standest einfach nur so da und hast in die Luft gestarrt? Eigentlich sollten wir eher dich fragen, was los ist!", antwortete er mit einem komischen Blick, den ich nicht so ganz deuten konnte. Erst einen kurzen Moment später fiel mir dann ein, was überhaupt passiert war. Der Junge im Kiosk, der Schuss. Bei diesem Gedanken schoss mein Blick sofort zum Eingang des Kiosks, der gerade von einigen Polizisten belagert wurde. "Was ist mit dem Jungen?!", fragte ich dann wohl ziemlich laut, denn einige der Polizisten und Passanten schauten daraufhin verwundert in meine Richtung. Upps, peinlich...

"Dem gehts gut, keine Sorge. Das war nur ein Warnschuss, sonst hätten wir hier noch Stunden rumstehen können. Der kleine ist ohne irgendwelche Blessuren davongekommen, nur der Schreck halt.", erklärte mir dann Dustin. Puh, da hatte der Junge aber echt Glück gehabt. Ich hatte mir echt schon Sorgen gemacht, dass das Ganze hier vielleicht nicht so schön ausgehen würde und wir dann noch eine Schusswunde hätten behandeln dürfen... Und das an meinem ersten Arbeitstag? Ich weiß ja nicht. Vor allem, weil der Junge gerade einmal 14 Jahre alt war!
"Esmé?" Und schon wieder schaute mich Dustin fragend an, denn ich hatte wahrscheinlich erneut seine Frage nicht gehört. "Ja?", antwortete ich schnell. "Du machst mir langsam echt Angst! Du bist die ganze Zeit so abwesend, stimmt irgendetwas nicht?", fragte er dann vorsichtig. "Nein, nein. Alles bestens. Das war wohl nur ein bisschen viel, immerhin ist das ja auch mein erster Tag...", meinte ich dann und lächelte ihn schnell und hoffentlich überzeugend an, damit er nicht weiter fragen würde. Ich musste ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich ziemliche Probleme mit solchen Situationen hatte, da sie mich einfach sehr an meine eigene Vergangenheit erinnerten. Vor allem war ich damals ja genauso alt gewesen... Aber gut, ich wollte damit jetzt abschließen! Immerhin war das der erste Tag meines neuen Lebens! Oder etwa nicht?

Nachdem ich Dustin dann tatsächlich mehr oder weniger glaubhaft versichert hatte, dass es mir gut ging und die Polizei uns nicht mehr brauchte, fuhren wir zurück zur Wache, wo meine beiden Kollegen natürlich sofort lauthals herumposaunen mussten, was passiert war. Einschließlich der etwas peinlichen Reaktion meinerseits.
Daraufhin blickten mich sofort sechs verwunderte und leicht besorgte Augenpaare an, darunter auch Alex.
"Und warum hast du so reagiert?", fragte dann Phil, der Notarzt, der heute neben Alex Dienst hatte und mit dem ich mich vorhin schon nett unterhalten hatte. Schulterzuckend meinte ich dann:" Ach, das hat mich irgendwie an was erinnert, ist aber nicht wichtig. Und immerhin ist das ja auch mein erster Tag hier und dann gleich sowas."
Zum Glück ließen die anderen das so stehen, sodass im Endeffeckt nur noch Alex mir ab und an fragende Blicke zuwarf, die ich aber gekonnt ignorierte. Ich hatte jetzt echt keine Lust, mich dafür zu rechtfertigen...

Die restliche Schicht verlief einigermaßen ruhig. Unter anderem wurden wir zu einer kleinen Verbrennung aufgrund einer Herdplatte gerufen, danach einem seeehr besoffenen Typen und gegen Abend dann noch einem Kind dass sich den Finger in einer Autotüre eingeklemmt hatte. Im Großen und Ganzen waren die meisten Dinge Lappalien, sodass wir an diesem Abend entspannt und pünktlich in den Feierabend gehen konnten.
Alex, Phil und Jacky verließen mit mir gemeinsam die Wache, die anderen brauchten wohl noch ein bisschen. Obwohl - die hatten vorhin schon so geheimnisvoll getan und immer wieder verschwörerische Blicke ausgetauscht. Aber immer, wenn ich dann den Raum betreten hatte, waren ihre Gespräche urplötzlich verstummt und alle schauten mich nur aus großen Augen an.
Aber gut, ich war ja auch die Neue. Und meine Aktion von heute Vormittag war vielleicht auch nicht gerade vertrauenerweckend gewesen...

"Und, was macht ihr jetzt noch so?", fragte dann Jacky in die Runde, als wir das Gebäude verlassen hatten und einige Meter gelaufen waren. "Ich hab nichts vor.", meinte Alex. "Ich auch nicht.", kam ebenfalls von Phil. "Wie wär's dann mit nem Bier später? Oli, Dustin, Yannik, Franco und ein paar von der Polizei wollten eventuell auch kommen.", meinte dann Jacky. Verwundert blickte ich sie an - dreimal die Hälfte der genannten Namen sagten mir halt mal überhaupt nichts. Und auch wunderte ich mich, dass die Rettungswache wohl auch Kontakt zur Polizei hatte. In meiner Heimat war das eher das Gegenteil gewesen. Teilweise standen die Rettungsdienstler mit der Polizei sogar auf Kriegsfuss. Aber gut, konnte hier ja durchaus anders sein.

Die anderen drei hatten wohl meine dezent ahnungslose Miene bemerkt und grinsten jetzt amüsiert. "Du wirst die alle schon noch kennenlernen. Vorausgesetzt natürlich, du kommst heute Abend auch. Obwohl, du musst! Dann feiern wir ein bisschen deinen ersten Tag bei uns, ja?", meinte Jacky und grinste mich breit an. Na eigentlich wollte ich ja am liebsten nur noch in meine Wohnung, aber die drei schauten mich so erwartungsvoll an, da konnte ich gar nicht nein sagen.
"Na gut.", seufzte ich, "Wann und wo?" Jacky quietschte begeistert auf und drückte mich einmal kurz, was ich nur mit gerunzelter Stirn bedachte. War die schon immer so drauf gewesen? Aber egal, war doch schön, wenn sie sich freute...
"Ich kann dir später ne Nachricht mit der Adresse schicke. Sagen wir um Neun?", meinte dann Phil. Nickend stimmte ich ihm zu und verabschiedete mich dann von den dreien. Immerhin musste ich mich jetzt auch noch für später schick machen, da blieb mir nicht mehr so viel Zeit...

Gute zwei Stunden später stand ich schließlich fertig angezogen vor dem Spiegel im Flur, schlüpfte noch schnell in meine Ballerinas und verschwand dann aus der Tür. Ich war schon ein bisschen spät dran, denn immerhin musste ich noch ein paar Minuten laufen. Aber durch einen zieeeemlich spannenden Krimi hatte ich dann vorhin komplett die Zeit vergessen, sodass ich nun schnell die Treppe hinuterhastete, wobei ich beinahe auf die Schnauze fiel, und anschließend schnell aus dem Haus stürmte. Was machte das denn für einen Eindruck, wenn ich zu spät kam?! Bei sowas war ich dann ja doch ziemlich pingelig...
Ich war gerade ungefähr zwei Minuten gelaufen, als mich auf einmal ein komisches Gefühl überkam. Wurde ich verfolgt oder so? Mit aufsteigender Angst blickte ich mich in der Gegend um, doch wirklich viel konnte ich unter dem matten Schein der Straßenlaternen nicht erkenne. Aber Stopp - warum dachte ich sowas überhaupt? Das war ja echt schon paranoid...
Aber trotzdem hatte ich irgendwie das Gefühl, dass etwas im Busch war. Aber was genau, konnte ich nicht sagen.

Ich war gerade um eine Straßenrand gebogen, da hörte ich plötzlich hinter mir ein komisches Geräusch und ich blieb perplex stehen. Langsam drehte ich mich um, doch da war nichts! Verdammt, was war denn mit dir los, Esmé? Das waren doch fast schon Wahnvorstellungen...
Ich atmete einmal tief durch, straffte meine Schultern und versuchte, mich wieder zusammenzureißen. Dann drehte ich mich wieder um, doch was dann passierte, ließ mir mein Herz gewaltig in die Hose rutschen.
Vor mir standen zwei Gestalten, beziehungsweise konnte ich nur ihre Umrisse erkennen, doch ihre Statur wirkte sehr männlich. Ich wich einen Schritt zurück und fing an, schneller zu atmen. Was wollten die?!
Doch ich konnte noch nicht mal mehr reagieren, da kamen die beiden plötzlich auf mich zugestürmt und packten mich an den Armen. Schreiend wand ich mich in ihrem eisernen Griff, doch ich hatte keine Chance - Ich war ihnen hilflos ausgeliefert.

--------
Endlich mal wieder ein neues Kapitel! Aber bei uns hat leider auch wieder die Schule/Ausbildung angefangen, da haben wir nicht mehr so viel Zeit.

Aber wir wollten uns einmal herzlich für 1K Reads bedanken! Nach der kurzen Zeit ist das echt total krass!
Also Danke😊😍😍😍👍

Zukunft ist Vergangenheit - Traurige Wahrheiten || ASDSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt