Kapitel 1: In Gefangenschaft

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Er wirbelte herum und fand sich plötzlich umzingelt von fünf Gestalten, die mit geladenen Armbrüsten auf ihn zielten.

„Ein Mondelf. Du scheinst ja mit deinem Leben bereits abgeschlossen zu haben", sagte jener hämisch, der bereits eben gesprochen hatte, und ein kaltes Lächeln trat in sein finsteres Gesicht.

„Ihr macht mir keine Angst", erwiderte Saladir mit fester Stimme und mutiger, als er sich fühlte. „Ich bin Saladir, zweiter Sohn Rateshvars, des Königs der Lythari, und werde jeden von euch zur Hölle schicken, der es wagt, mir zu nahe zu kommen."

„Ein Lügner ist er auch noch", zischte ein anderer. „Wohin willst du den Pfeil haben? Kopf oder Herz?"

„Können wir ihn essen?", fragte ein dritter.

„Wie schmeckt denn Mondelf, Kylaf?"

„Vergiss es Tradui, der stinkt. So was ess' ich nicht..."

„Ich will sein Schwert, wenn er tot ist!"

„Ich seinen Mantel!"

„Du spinnst wohl, Akal! Ich hab' mehr Anrecht darauf!"

„Ach, und wieso?", widersprach dieser und stieß mit der Armbrust nach seinem neben ihm stehenden Gefährten.

„Akal, Fenach! Genug!", erklang eine neue Stimme.

Aus dem Dunkel der Nacht erschien ein weiterer Mann, der einen flackernden Ball aus Feuer in der Hand hielt. Saladir erkannte sofort, dass dieser zwar ein Naralfir, aber anders als die restlichen Dämonen war: Kaum war seine Stimme erklungen, wichen die anderen ehrfürchtig ein wenig zur Seite, ohne dabei ihre Waffen zu senken. Saladir erkannte entsetzt, dass er offenbar in eine Falle getappt war.

Der Neuankömmling hatte längeres, purpurfarbenes Haar als der Rest seiner Begleiter, das ihm bis über die Schultern fiel. Sein fein geschnittenes Gesicht wurde wie bei den anderen von hellroten Augen dominiert und an seinen spitzen Ohren – die nur etwas kürzer als die eines Lythari waren – glänzten unzählige silberne Ringe. Im Gegensatz zu den knielangen, mit Pelz besetzten Ledermänteln der Umstehenden trug er einen langen, schwarzen Mantel aus einem Samt ähnlichem Stoff, auf den mit Silberfäden geheimnisvolle Muster gestickt waren, sowie schwarze Hosen und Stiefel. An seiner Seite hing ein kostbar aussehendes Langschwert. Außerdem war er der Einzige auf einem Kissard, einer abscheulichen Mischung aus Pferd und Eidechse.

Das kühle Lächeln im Gesicht dieses Naralfirs verhieß allerdings nichts Gutes. Alles in Saladir schrie danach, sofort wegzurennen und erst stehenzubleiben, wenn er seine sichere Heimat wieder erreicht hatte, doch er konnte sich nicht bewegen. Für scheinbar endlose Momente blickten sich die beiden Erzfeinde direkt in die Augen, dann stieg der Reiter ab und kam auf Saladir zu. Er tat es mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen suchte, gerade so, als würde ihm das auf ihn gerichtete Schwert nicht das Geringste anhaben können. Direkt vor dem jungen Elf blieb er stehen und ließ seinen Blick über diesen wandern. Der Prinz fühlte sich wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.

„Was hat denn ein Prinz hier ganz allein verloren? Sollte ein solcher es nicht eigentlich besser wissen, als Feinden zu verraten, wer er ist? Falls es wirklich stimmt, natürlich."

Die Stimme war nicht sehr tief, aber sie hatte etwas zutiefst Beunruhigendes an sich. Saladir schaffte es nicht, etwas zu antworten: Er war zu sehr in seiner Starre gefangen, als etwas anderes tun zu können, als haltlos zu zittern. Der Naralfir seufzte kopfschüttelnd, ehe er nach dem Lythari griff und dessen Hand mit den Rosenblüten nachdenklich musterte. Saladir fröstelte unter der Berührung.

„Du sagst vermutlich tatsächlich die Wahrheit", riss ihn die Stimme des Naralfirs in die Wirklichkeit zurück. „Ein Ring mit dem königlichen Siegel – oder bist du nur ein sehr geschickter Dieb?"

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