Kapitel 7: Die Wahl zwischen zwei Übeln

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(* für alle, die sich fragen, woher Saladirs "Abendgarderobe" kommt: bei 3:24 ^^)

Der nächste Schlag des Königs traf Saladirs Wange – so heftig, dass es dessen Kopf zur Seite schlug und der junge Lythari ein Knacken in seinem Kiefer hörte. Die Wucht ließ ihn sich einmal um die eigene Achse drehen, bevor er gegen die Wand der kleinen Zelle taumelte. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen hob er die Hand an die schmerzende Wange und starrte den Mann vor sich an, dessen Augen ihn fixierten, als wollten sie ihn verbrennen. Es war ein Blick, der Saladir alles andere vergessen ließ – den Schmerz in seinem Kiefer, seinen Zorn, der sich angesichts des Bevorstehenden in Luft auflöste – und der seinen Verstand mit nur einem Gedanken überflutete: Azul wird dich mit bloßen Händen in der Luft zerreißen, wie das Herz von Bikur... Als die Hand ein zweites Mal auf ihn zuschoss, kniff der blauhaarige Elf die Augen zu und krümmte sich zusammen.

Doch nichts davon geschah. Azul packte ihn am Genick und zerrte den Ängstlichen hinter sich her zur Tür. Der Fackelschein von draußen blendete Saladir, doch schon gleich darauf schabte Stein über Stein. Der König der Naralfir lenkte seinen Gefangenen durch scheinbar endlose, gleich aussehende Gänge, die so dunkel und gewunden waren, dass Saladir sich fragte, wie Azul darin nicht die Orientierung verlor. Mehrfach stolperte der junge Prinz in dieser ungastlichen Schwärze wenn es Treppen gab, die er hinaufsteigen musste... doch Azuls Griff in seinem Nacken verhinderte, dass er fiel. Wohin würde der König ihn jetzt bringen? Zu einem Schafott? Was hatte er vor? Saladirs Vorstellungskraft ließ ihn angesichts des erwarteten Grauens im Stich.

Plötzlich roch es nicht mehr nur nach Stein und Feuchtigkeit, sondern nach frischer Luft... in die sich der Duft von Wildblumen mischte. Auf eine Bewegung von Azuls linkem Arm hin verschob sich ein Teil der steinernen Wand vor ihnen, so dass Licht durch eine Öffnung auf den Gang brach. Geblendet hielt Saladir eine Hand vor seine Augen, während ihm ein erstauntes Keuchen entfuhr.

Doch Azul ließ ihm keine Zeit sich zu wundern, sondern öffnete eine weitere Tür und stieß ihn in einen ihm unbekannten Raum: Das Vorzimmer zu einem Bad.

Als der junge Prinz sich an das Licht gewöhnt hatte, erkannte er eine Handpumpe und Hocker aus dunklem, stark gemasertem Holz. Gegenüber davon, unter einem Fenster, stand eine kleine Kommode aus dem gleichen Holz, auf der verschiedene Tiegel und Flakons angeordnet waren. Direkt daneben lag ein Stapel weich aussehender Handtücher auf einem weiteren Hocker. Der Raum selbst war sehr klein – kaum größer als Saladirs Zelle – doch eine weitere Tür offenbarte einen Blick in ein prächtiges Badezimmer. Marmor verkleidete in beiden Räumen Wände und Boden und während der eine sehr schlicht wirkte – von seinen edlen Baumaterialien einmal abgesehen – konnte Saladir bereits durch den Türspalt sehen, dass in einer prächtigen Badewanne aus Marmor ein heißes Bad eingelassen war. Von dort kam der Duft von Wildblumen, von Klatschmohn und Kornblumen, Mhyrra und Seidenkraut. Es war wie ein Traum.

Ein nasser Lappen traf Saladirs Wange und holte ihn kalt und nass in die Gegenwart zurück.

„Ausziehen."

Der junge Lythari blickte den König der Naralfir verwirrt an, der regungslos dastand und ihn scheinbar nicht aus den Augen gelassen hatte. Mit zitternden Händen gehorchte er und wollte sich Ugruis Mantel von den Schultern streifen...

„Nicht dich. Mich."

Die kalte, ruhige Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Langsam näherte Saladir sich dem Naralfir und öffnete langsam die Knöpfe von Azuls schwarzem Oberteil, das wie ein samtener Mantel ein blutrotes Hemd verborgen hatte. Die Flüssigkeiten aus dem Eimer waren aus den langen violetten Haaren Azuls bis auf dessen Kleidung geflossen, wo sie die edlen Stoffe durchtränkt hatten. Der Gestank war so erbärmlich und gleichzeitig so aufdringlich, als wollte er sich in der Nase aller festsetzen und nie wieder verschwinden. Saladir schien es, als wollte er durch seine Haut in ihn eindringen und mit seiner Jauche sein Innerstes verseuchen. Der junge Lythari fragte sich, wie sein Gegenüber dabei so unbeeindruckt bleiben konnte, während er sich mit jedem Atemzug zu übergeben fürchtete.

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