Kapitel 4: Die Konsequenzen einer Entscheidung

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Für eine ganze Weile konnte Saladir nicht anders, als den König der Naralfir nur anzustarren. Sein Verstand weigerte sich zu glauben, dass der Mann, auf dessen Schoß er immer noch kraftlos saß, ernst meinte, was er gerade gesagt hatte. Er, ein Prinz der Lythari, sollte sich dem Feind „hingeben"? Hatte er sich verhört, oder war Azul verrückt?

„Wiescho schollte isch schowasch tun?", murmelte er halblaut zu sich selbst und schüttelte langsam den Kopf.

„Hängst du so wenig an deinem Leben, kleiner Dieb?", schnurrte Azul und lächelte.

„Und wenn isch... misch weigere?"

„Dann, kleiner Dieb, werde ich dich mit Gewalt gefügig machen. Dein restliches Leben wird eine einzige Qual werden, und du wirst dir wünschen, einfach sterben zu können. Ich werde erst aufhören, wenn du mir sagst, was ich hören will."

„Wasch du hören willscht...", wiederholte Saladir fassungslos.

Wieder beugte sich der König der Naralfir dicht an sein Ohr. „Ich gehöre Euch, mein König", flüsterte er.

Der Kerl war eindeutig verrückt. Das konnte nur ein grausamer Scherz sein... Saladir hob den Kopf und erkannte deutlich, dass Azul es tatsächlich ernst meinte. Allerdings konnte der Kerl doch nicht wirklich glauben, dass sich ein Prinz der Lythari auf so etwas einließ... Sie waren Todfeinde! Es wäre Landesverrat! Niemals!

„Nun, kleiner Dieb... Deine Antwort?"

„Isch... isch werde niemalsch tun, wasch du verlangscht!", schrie Saladir mit geballten Fäusten. „Lieber schterbe isch!"

„Übertrieben dramatisch wie immer." Azul erhob sich seufzend und zog den nackten Lythari mit sich auf die Füße, bevor er seine Hose wieder hochzog und schloss. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich so einfach mit dem Tod davonkommen lasse? Es gibt Schicksale, die weitaus grausamer sind, als so etwas Banales... Ich rate dir also, sehr genau über mein Angebot nachzudenken und es nicht aus unangebrachtem Stolz heraus voreilig abzulehnen."

Azul öffnete die Tür und verließ die Zelle. Müde griff Saladir nach Ugruis Mantel und hängte ihn mit schwerfälligen Bewegungen über seine Schultern, bevor er sich erschöpft in einer noch halbwegs sauberen Ecke zu Boden sinken ließ und sein brennendes Gesicht am kalten Stein der Wand kühlte. Er wäre beinahe eingenickt, doch schon ging die Tür wieder auf: Zwei Soldaten flankierten einen in Ketten gelegten Waldelf, der sich kurz umschaute und dann angewidert das Gesicht verzog.

„Guten Abend, Prinz Saladir. Mein Name ist Haruim", stellte er sich vor. „Mir ist aufgetragen worden, mich um Eure Verletzungen zu kümmern."

Saladir reagierte kaum und hielt still, als sich der junge Mann mit den langen, grünen Haaren und den braunen Augen hinhockte. Mit federleichten Berührungen wurde sein Kopf hin und her gedreht und sein Gesicht kritisch gemustert, bevor leuchtende Fingerspitzen seine Schulter berührten. Es tat zwar weh, aber der Erschöpfte hatte einfach keine Kraft mehr, um Widerstand zu leisten. Die Augen fielen ihm immer wieder zu, und er wusste nicht, ob er müde war oder kurz vor einer Ohnmacht stand.

„Der hat ganz schön was abgekriegt", sagte einer der Soldaten.

„Bikurs Pranken will man nicht in den Weg kommen, wenn er ausrastet", stimmte der Andere zu.

Saladir kamen die Stimmen vage bekannt vor. Als der Waldelf sich vornüber beugte, um auch die Blutergüsse auf seiner Brust und seinem Bauch zu untersuchen, erkannte er Akal und Fenach. Das Schicksal schien sie ihm immer dann zu schicken, wenn er in einem besonders gedemütigten Zustand war. Aber Saladir war zu erschöpft, um den beiden wirklich Beachtung zu schenken.

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