Als ich auf die LB Stables zurückkehrte, fuhr gerade Charlottes Mutter auf den Innenhof. Aus dem Innern des Subarus war freudiges Bellen zu hören, am Fenster des Kofferraums hockte ein Schemen, und ich wusste augenblicklich, wer an Bord war.
Grinsend liess ich Neige zügiger laufen, um Charlotte gleich abzufangen. Das blonde Mädchen stieg aus, ich rief nach ihr. Sofort drehte sie sich um und winkte, als sie mich sah. Sie wirkte etwas müde und vielleicht mürrisch, aus der Distanz konnte ich es nicht genau sagen.
Während dem ich zu ihr hin ritt, öffnete sie die Heckklappe, mit wedelndem Schwanz und gezückter Zunge kam Miles rausgesprungen. Ich hoffte, dass er nicht zu mir kam, weil Neige Hunde nicht sonderlich schätzte, doch er Rüde hielt hechelnd Abstand und wuselte stattdessen um die Beine meiner Freundin herum.
„Ich hatte noch gar keine Zeit, mich bei dir zu bedanken, dass ich Princess reiten durfte!", meinte ich mit verlegenem Gesichtsausdruck, um es gleich anzuschneiden. Die Scheckstute war Charlottes Augapfel, darum konnte ich mich geehrt fühlen, dass sie sie mir überlassen hatte. „Ja, ja, kein Ding", erwiderte das blonde Mädchen abwesend, doch ich wusste, dass es ein Ding war. Alessia hätte sie das nie erlaubt, auch wenn Alessia besser ritt als ich.
„Ich musste dieses Turnier einfach reiten. Ludger hat uns den Sponsor vorgestellt, so ein unsympathischer Typ! Auf jeden Fall hat er keinen Hehl daraus gemacht, dass er nicht mehr für mich zahlt, wenn ich nicht bald Ergebnisse liefere", erklärte ich. Eigentlich wollte ich noch weiterreden und erzählen, wie es gelaufen war, dass Ronja in ihrem Turnier den hervorragenden fünften Platz belegt hatte, aber Charlotte unterbrach mich. „Mensch, ich habe gesagt, es ist kein Ding!", herrschte sie mich an.
Völlig überrascht blinzelte ich und wollte zu einer Entschuldigung ansetzen, aber ich kam nicht dazu. „Alles gut bei euch Mädels?", fragte Charlottes Mutter verwundert und stieg aus. Wir beide sagten nichts. Ich suchte den Blick des blonden Mädchens, als sie mich ansah, nickte ich zu den Stallungen rüber und ritt dann schweigend weg, grüsste jedoch noch kurz Frau Seidel, die Miles an die Leine nahm.
„Tut mir leid, falls ich dich genervt habe, aber was ist denn mit dir?", wollte ich von Charlotte wissen. Sie bürstete mit hastigen Strichen Foudres Fell, der Wallach spielte durch die Gitterstäbe der Box hindurch mit seiner Nachbarin Corbella. Charlotte beachtete er nicht, vielleicht hatte er ihre schlechte Laune gespürt und wollte sich seine, die offenbar gut war, nicht verderben lassen.
„Gott, du weisst, was mit mir ist...", schnaubte Charlotte, ohne mich anzusehen. Ihr Blick war eisern auf Foudres fuchsfarbene Schulter gerichtet, doch ihr Körper wirkte mehr schlapp als verkrampft.Instinktiv trat ich von einem Fuss auf den andern und lehnte mich stärker gegen die Boxentür, woraufhin mein Arm jedoch empört auffiepte, um die Stille, verursacht durch meine Ratlosigkeit, mit irgendetwas zu füllen. Nein, ich wusste nicht, was ihr über die Leber gekrochen war. „Rück doch einfach mit der Sprache raus!", murrte ich möglichst geduldig. Ich hatte nicht die Nerven, einfühlsam zu klingen, wenn sie mir nicht sagte, ob ich Anlass dazu hatte.
Charlotte drehte sich zu mir hin und sah mir mit aufeinandergepressten Lippen in die Augen, das sonst so sonnige Gesicht düster. „Okay, ich sag's dir! Jede Woche muss ich mir anhören, was du so alles treibst. Ein Ritt auf diesem Turnier, ein Gespräch mit dem Sponsor, ein Interview mit dieser Zeitung. Ich muss mir ständig anhören, wie du nach Aachen fährst oder wichtige Leute triffst, und ich darf entweder den Turniertrottel spielen, oder zu Hause sitzen. Hast du eine Ahnung, wie scheisse das für mich ist?", krächzte sie, ihr Kinn zitterte. Foudre stiess ein unruhiges Geräusch aus und wandte sich von Corbella zu ihr hin, als wolle er sagen, dass jetzt aber genug sei.
Aha, das war es also. Ich schloss für einen Moment die Augen. „Ach, Charlotte, darum! Komm schon, du weisst doch selbst, dass es nicht mehr lange geht, bis du das Reitabzeichen hast. Dann kannst du auch mit nach Aachen und auch den Sponsor treffen, wenn du das so erstrebenswert findest", erwiderte ich mit ruhiger Stimme.
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Keep Fighting - Ich werde reiten
Novela JuvenilTeil zwei der Geschichte rund um Joelle und die Junioren auf den LB Stables: Das Springreiten ist ihre Leidenschaft, seit sie denken kann. Eine Leidenschaft, die nach zwei Jahren endlich wieder mit Brüllen zum Leben erwacht. Es wird Winter in Riesen...