Helena seufzte genervt, als sie das gefühlt hunderste Kleid anprobierte. Nachdem Watson, sie heute wieder einmal, an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte, war ihr eigentlich überhaupt nicht nach ausgehen. Aber wie immer, war Cat verdammt hartnäckig und wie fast immer, bekam sie auch ihren Willen. Ihre beste Freundin, hatte an den meisten Klamotten, die Helena gerne trug etwas auszusetzen. Wenn man Cat nicht besser kannte, konnte man sie durchaus für eine dieser schrecklichen Modepüppchen halten. Doch Cat war nicht oberflächlich. Ihre Welt spielte sich nur ziemlich fern von jeglicher Realität ab. So war sie auch der Meinung, Helena ständig auf irgendwelche Partys schleppen zu müssen. Dass Helena Single war, störte Cat mehr als, dass ihre eigenen Beziehungen wechselten wie Unterwäsche. Sie nahm die Versuche, ihre beste Freundin mit dem nächstbesten Typen zu verkuppeln, ein bisschen zu ernst. Vor allem da sie wirklich keine Ansprüche stellte. Helena hingegen, war da ein bisschen anders gestrickt. Das größte Problem war jedoch, dass Cat überhaupt keinen Erfolg haben konnte. Helena wusste schon seid längerer Zeit, dass sie auf Frauen stand und lebte trotzdem das Leben einer Hetero. Unglücklich, um andere glücklich zu machen. So wie auch an diesem Abend, als sie in das Creme farbende Kleid schlüpfte, welches Cat so gut gefiel. Helena versuchte positiv zu denken. Wenigstens, würde sie sich am heutigen Tage richtig betrinken können. Vielleicht würde es ihr sogar gelingen, die schmierigen Finger von Watson zu vergessen.
"Komm schon, Hel. Wir kommen zu spät", drängte Cat und zog Helena einfach mit sich zu ihrem Auto. "Wie kann man zu einer Party zu spät kommen", murmelte Helena genervt und wartete darauf, dass Cat den Wagen startete. Diese Person, die sie vorgab zu sein, war eine normale Frau, die ständig mit ihrer besten Freundin auf Partys ging, um unter Leuten zu sein und irgendwelche Kerle abzuschleppen. Inzwischen war Helena einfach nur noch gelangweilt...und natürlich angewidert. Es kostete sie eine enorme Überwindung einen Mann und vor allem sein Ding auch noch anzufassen, ein Grund mehr, diese Nächte mit Cat zu hassen. Doch Helena war bewusst, dass sie selbst an ihrem Elend Schuld war. Dass sie gerade ihrer besten Freundin die Wahrheit über sich schuldete. Doch sie konnte es nicht. Sie hatte Angst in eine Schublade gesteckt zu werden, sie hatte Angst davor das Leben, wie sie es kannte zu verlieren. "Vergiss Watson einfach, Hel. Der Arsch verdient es nicht einmal, dass du einen Gedanken an ihn verschwendet." Auch wenn Helena gerade nicht an ihren sexgeilen Chef gedacht hatte, wusste sie dass Cat recht hatte. Sie musste lernen damit umzugehen und ihm Grenzen zu setzen. Am liebsten hätte sie die Beine in die Hand genomen und hätte die Flucht ergriffen, doch sie brauchte diesen Job. Dies war auch der einzige Grund, wieso sie sich von diesem schmierigen Kerl befummeln ließ, während Flo, ihre reizende Kollegin, ständig so tat als würde sie rein gar nichts davon mitbekommen. "Heute Abend will ich, dass du dich amüsierst, hörst du? Ich will dir jemanden vorstellen. Süßer Typ. Nicht mein Fall aber ich glaube für dich wäre der was." Cat besaß die Gabe, Helena wieder und wieder in den Wahnsinn zu treiben. "Cat, wie oft habe ich dir gesagt, du sollst das lassen?", maulte sie doch sie schaffte es nicht ihre Stimme wirklich verärgert klingen zu lassen. "Jetzt guck ihn dir doch einfach an. Shawn wird dir gefallen." Helena seufzte, doch sie wusste diesen Konflikt wurde Cat erneut gewinnen. "Du bist unmöglich", stellte sie fest und die hübsche Blondine grinste frech.
Die Reifen quieschten als Cat auf den Parkplatz fuhr. Helena schüttelte nur mit dem Kopf. Sie hatte keine Ahnung, wieso Cat jedes mal darauf bestand das Auto zu nehmen, wo sie sowieso ständig mit dem nächsten Typen im Bett landete. "Also wo ist Shane?", fragte Helena so motiviert, dass Cat ihr grob in die Seite stieß. "Verdammt Hel, er heißt Shawn", zischte sie und Helena verkniff sich ein Grinsen. Sie wollte an diesem Abend zumindestens versuchen, ein bisschen Spaß zu haben. So nahm sie es recht gelassen, als Cat sie einem Typen vorstellte, der so lieblos wirkte, dass Helena ihn niemals als "Süß" bezeichnen würde. Nur Cat zuliebe, nahm sie ihn mit an die Bar und hörte ihm bei seinen Vorträgen zu, die alle mit seinem Jura Studium zu tun hatten. Nachdem sie eine gewisse Menge Alkohol intus hatte, war dies insoweit erträglich, dass sie nur noch nicken musste, während sie davon träumte, nur einmal von einer Frau so angesehen zu werden, wie von manchen Männern. Helena empfand es als eine Tatsache, dass Männer nur auf das eine aus waren, während sie sich bei Frauen mehr davon wünschte. Wobei sie sich auch einfach in den falschen Kreisen bewegte. Solange sie mit Cat ausging, würde sie immer an solche Flaschen wie Shawn geraten.
Somit hatte Helena keine Ahnung, wieso sie sich immer wieder darauf einließ und sich letztendlich, eng umschlungen in Shawns Armen wiederfand. Sie küsste ihn und war dabei nicht einmal zurückhaltend, so als müsste sie dringend herausfinden, ob sie dabei irgendetwas empfinden konnte. Doch sie fühlte nichts bis auf Ärger, was sie nur noch intensiver werden ließ, so als würde das alles besser machen. Cat hatte sie schon vor einer Weile nicht mehr gesehen, vermutlich war sie mit irgendeinem, für sie mega scharfen Typen mit nach Hause gegangen. Daniel, mit dem sie aktuell zusammen war, tat ihr schon ein bisschen leid. Doch das war Berufsrisiko, wenn man mit ihrer Freundin eine Beziehung einging. "Gehen wir zu mir nach Hause?", fragte Shawn in einer Atempause und Helena nickte, obwohl sie mit dem Kopf schütteln wollte. Es war so verdammt frustrierend und vielleicht steckte auch ein bisschen masochismus dahinter. Vielleicht wollte sie sich aus irgendeinem Grund selbst quälen, weil sie sich an manchen Tagen selbst dafür hasste lesbisch zu sein. Wieso konnte sie nicht ein ganz normales Hetero Leben führen? Etwas besonderes zu sein, war in diesem Fall nichts schönes. Für die Gesellschaft, war es abstoßend, sogar ihre eigenen Eltern würden sie dafür verabscheuen, doch sie wussten gar nicht, dass Helena noch viel weiter ging. Dass sie gezielt mit einem Typen ins Bett ging, um sich selbst zu schaden und dass es ihr egal war, ob sie Shawn damit verletzte. Ja in diesem Moment war es ihr tatsächlich egal und es war nichts, worauf Helena stolz war.
"Du bist wunderschön Helena", hauchte Shawn, während er ihr den Reißverschluss ihres Kleides öffnete. Doch Helena fühlte sich nicht wunderschön. Sie fühlte sich fehl am Platz und es fühlte sich fast so an, als wäre sie nichts weiter als eine Maschine, als sie über seine Brust strich und ihm langsam das Oberteil über den Kopf zog. Sie konnte deutlich seine Erregung an ihrer Mitte spüren und doch war sein Schwanz vermutlich das, was sie am meisten anwiderte. Sie nahm dieses Kompliment schweigend hin und brach es dieses erst wieder, als ihr BH zu Boden rutschte und sie nur noch im Höschen vor ihm stand. "Nimm mich", hauchte sie. Zwei Wörter, die nichts weiter als eine Lüge waren und die dazu führten, dass Helena sich eine weitere Nacht etwas vormachte. Während Shawn sie berührte, legte sie mit all dem los, was sie über die letzten Jahre, über Sex gelernt hatte. Sie stöhnte, als seine Hände auf ihren Brüsten lag und sie heftig massierten, sie bog sich ihm entgegen, als seine Finger an ihrem Oberschenkel entlang rutschten, sie nahm seinen Penis in die Hand und verwöhnte ihn, doch nichts von all dem löste irgendein Gefühl in ihr aus. Nichts fühlte sich in irgendeiner Art und Weise richtig oder sogar gut an. Es war, als wäre sie nur eine Verplfichtung eingegangen, aus der sie jetzt nicht mehr raus kam. Als Shawn in sie eindrang, war es einfach nur unangenehm und unheimlich schwer sich zu entspannen. Und während sie ihren Orgasmus, nachdem er relativ schnell gekommen war, in Höchstleistung vor spielte, wurde ihr nur noch einmal deutlich, dass dies nicht das Leben war was sie sich wünschte und dass sie niemals glücklich werden würde, wenn sie nicht bald etwas änderte.
"Wie war deine Nacht mit Shawn?", wollte Cat am Telefon augeregt wissen. Nach dem Sex mit ihm war Helena ziemlich schnell verschwunden und hatte es sich nun, mit einer Tasse Kaffee, auf dem Sofa bequem gemacht. "Sie war Okay", meinte sie ausweichend. Sie hatte ziemliche Kopfschmerzen, außerdem hatte sie gerade nur wenig Lust mit Cat über ihr Sexleben zu sprechen. Doch diese ließ natürlich nicht locker. "Okay?", wiederholte sie frustriert. "Man Hel, dich zu verkuppeln ist eine verdammte Lebensaufgabe! Du treibst mich in den Wahnsinn", schimpfte sie. "Ich habe dich nicht darum gebeten, Cat", erinnerte Helena sie. "Als deine beste Freundin, habe ich automatisch dafür zu sorgen, dass es dir gut geht", warf Cat ein und ohne es verhindern zu können, musste Helena lächeln. Egal wie verschieden sie auch waren, sie wusste, dass sie sich auf Cat immer verlassen konnte. Phil und sie waren vermutlich die besten Freunde, die man sich wünschen konnte und wenn Helena jemals den Mut finden würde, sich zu outen, dann würde sie bei ihnen anfangen. "Wie könnte es mir unter deiner reitzenden Fürsorge nicht gut gehen Cat", stichelte Helena und lachte und wusste genau, dass Cat ihr in diesem Moment die Zunge heraus streckte. "Wie ist es denn bei dir gelaufen?", fragte Helena geschickt, um das Thema zu wechseln. "Es war der absolute Wahnsinn", erzählte ihre Freundin aufgeregt, so wie jedes mal, wenn sie einen neuen Fang gemacht hatte. "Liam ist einfach verdammt süß und er hat eine eigene KFZ Werkstatt. Er will mich mal mit nehmen." Helena versuchte sich vorzustellen, wie die modebewusste Cat durch eine ölige KFZ Werkstatt spazierte. Es hatte doch etwas komisches an sich. Doch da Cats Beziehungen, selten länger als zwei Wochen andauerten, würde sie sich nicht länger damit beschäftigen müssen. "Siehst du Shawn auch wieder?", fragte Cat da und Helena stöhnte. "Mal sehen", meinte sie abweisend und hoffte gleichzeitig, dass sie diesen Typen nie wieder zu Geischt bekam. Nachdem Cat noch eine Weile von Liam geschwärmt hatte, beendete Helena das Gespräch und vebrachte den Rest des Tages auf der Couch. Es gelang ihr nur schwer zu verdrängen, dass sie morgen wieder arbeiten musste. Und auch die Tatsache, dass sie definitiv nicht glücklich in ihrem Leben war, machte Helena zu schaffen.
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Shadow of Desire
FantasyHelena leidet darunter, ihre Vorliebe für Frauen verstecken zu müssen. Bis Lilith in ihr Leben tritt, der es nicht nur gelingt, es völlig auf den Kopf zu stellen, sondern Helena dazu zwingt, bis an ihre Grenzen zu gehen. Denn Lilith ist kein Mensch...