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Ihr Gesicht ist zu mir gerichtet. Ihre Augen funkeln und ein Lächeln zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. Emilia. Ihre Haare wehen im Wind und die untergehende Sonne lässt dieses weißblond, zart rosa leuchten. Mein Körper ist wie festgewachsen. Ich kann sie nur anstarren, sie bewundern und es macht mich gerade zu Krank, ihr nicht näher kommen zu können. Ich will sie berühren. Ich will sie spüren. Die Blumen auf der Wiese, können mit ihrer Schönheit nicht annähernd mithalten. Emilia wendet ihren Blick von mir und dreht sich um. Sie wendet sich ab von mir. Ich balle die Fäuste. Das darf sie nicht. Sie darf nur mich angucken. Ich soll das Schönste, das Beste, das Einzige auf dieser Welt für sie sein. Der See an dem sie steht, funkelt sanft. Ich kenne diesen Ort, ich kenne ihn gut. Am Tag ist er wunderschön, doch in der Nacht wird er zu etwas Gruseligem. Und so Rot, wie die Sonne schon am Horizont steht, dauert es nicht mehr lange, bis der Tag stirbt und die Nacht die Kontrolle an sich reißt. Noch kämpft die Sonne dagegen an, unterzugehen. Mit ihren kräftigsten Farben, versucht sie sich an der Oberfläche zu halten. Doch sie wird untergehen und ertrinken, bis sie sich am nächsten Morgen wieder heraufkämpfen kann. Emilia bewundert die Sonne. Doch es ist dumm, denn sobald sie untergeht, ist das hier mein Reich und nichts wird sie dann noch vor mir retten können. Sie ist in meine Falle getappt. Wenn die Finsternis mir ihre Kraft gegeben hat, wird Emilia, meine Emilia, keine Chance mehr haben. Die Nacht senkt sich über uns und als sie ihren Blick wieder mir zuwendest, sehe ich Nervosität darin schimmern. Wo ich mich über die Nacht freue, macht sie ihr Angst. Sie schwächt Emilia, während sie mich stärker macht. Die unsichtbaren Fesseln, die mich eben noch festhielten, lösen sich und ich gehe langsam auf sie zu. Ich muss darauf bedacht sein, keine hektischen Bewegungen zu machen, denn ihr strahlendes Lächeln von vorhin ist verschwunden und ihre Augen weiten sich verängstigt. Wenn ich zu schnell bin, verscheue ich sie und ich will jetzt nicht jagen. Ich muss vorsichtig sein. Aber ich weiß, dass Emilia ein gutes Herz hat. Sie wird nicht erwarten, dass ich in bösen Absichten handele. Als ich einen halben Meter vor ihr zum Stehen komme und sie anlächele, schaut sie zu mir hoch und erwidert es zaghaft. Das ist meine Chance. Binnen einer Sekunde hab ich ihre Handgelenke gegriffen und sie näher an mich gezogen. Erschrocken keucht Emilia auf und versucht sich loszumachen. Doch ich werde sie nicht gehen lassen. Ich werde sie nie wieder gehen lassen. Ich nähere mich ihrem Gesicht und mein Lächeln wird breiter.

Ein lautes Rufen, erfüllt plötzlich alles und erschrocken reiße ich die Augen auf. Ein kleines Mädchen sitzt auf meinem Bett und rüttelt an meiner Schulter. "Nathan, wach auf!", ruft sie laut mit ihrer kindlichen Stimme. Verwirrt blicke ich meine kleine Schwester an, die mir nun ein strahlendes Lächeln schenkt und sich auf mich wirft. "Du bist so eine Schlafmütze. Da bist du schon mal zu Hause und dann schläfst du die ganze Zeit." Ein Lachen entkommt mir, auch wenn ich nicht leugnen kann, dass ich etwas verärgert bin, dass das alles nur ein Traum war und Nicole mich im besten Moment aus ihm gerissen hat. "Nica, geh doch schon mal runter, ich komme dann gleich auch und dann spielen wir so viel du willst. "Wirklich?" Ihre Augen strahlen und ich wuschele ihr durch die braunen Locken. "So viel du willst, aber erstmal müssen wir in die Kirche." Ihr genervtes Stöhnen erfüllt den Raum, doch Mutter besteht auf dieses sonntägliche Ritual.  Und immer wenn ich am Wochenende mal zu Besuch kam, musste auch ich mit. Seit ich klein war, ging das so, denn meine Mutter war schon immer sehr religiös und pflegte ein Leben mit Gott, doch mittlerweile stört es mich nicht mehr. Was allerdings nicht daran liegt, dass ich plötzlich auch vorhatte mein Leben nach einem Buch zu richten, dessen Wahrheitsgehalt nett gesagt nicht unbedingt glaubwürdig ist. Nica ist mit einem Satz aufgesprungen und steht bereits an der Tür. "Dann bis gleich." Und schon ist sie wieder nach unten gerannt. Ich höre das Poltern auf der Treppe und meine Mutter, die ruft, dass sie vorsichtiger sein müsse. Die Energie von einer Achtjährigen könnte ich auch mal gebrauchen. Ich reibe mir mit der Hand übers Gesicht und versuche die Müdigkeit zu vertreiben. Doch so sehr mir der Traum auch gefallen hat, der Schlaf war keine Spur erholsam. Langsam richte ich mich auf und schwinge meine Beine über das Bett. Der Boden ist kühl und mit einem Gähnen stehe ich auf und gehe zu meinem großen Schrank, gegenüber des Bettes, indem ich einige meiner Klamotten für Wochenendbesuche ordentlich verstaut habe . Ich wohnte jetzt schon seit fünf Jahren nicht mehr Zuhause, doch meine Eltern hatten mein Zimmer dennoch nicht verändert. Ich wusste, dass es meine Eltern freuen würde, wenn ich öfter zu Besuch kommen würde, doch ich hatte eigentlich kein sonderliches Interesse daran, meine Eltern öfter als nötig zu sehen. Meine Eltern waren sehr streng und sowas konnte ich nicht gebrauchen. Doch für Nica tut es mir Leid, es macht sie immer so traurig, wenn sie mich lange nicht gesehen hat und sie war auch immer der Hauptgrund, wenn ich nach Hause gekommen bin. Doch als ich sie vor einem Jahr das allererste Mal gesehen hatte, zieht es mich immer öfter nach Hause. Wegen ihr. Emilia. Sie wohnt nur zwei Straßen weiter und besucht jeden Sonntag den Gottesdienst. Ein Grinsen stiehlt sich auf mein Gesicht, als ich mir das weiße Hemd aus dem Schrank ziehe, über meinen muskulösen Oberkörper ziehe und mit schnellen Fingern zuknöpfe. Dazu folgt noch eine schwarze Hose, in die ich das Hemd anständig hineinstecke. Ich binde mir noch meine Armbanduhr um und prüfe mein Aussehen schnell im Spiegel. Braune Augen schauen mich durch die Scheibe hindurch an und ich fahre mir mit der Hand noch ein paar mal durch meine braunen  Locken, bis ich zufrieden bin. Mein Aussehen ist mir schon immer wichtig gewesen, denn es ist das Erste was Menschen wahrnehmen. Der erste Punkt der Manipulation. Mein Auftreten muss immer perfekt sein. Vor allem wenn Emilia in der Nähe ist. Oh ja, ich habe es sofort bemerkt wie sie beginnt, mich anzustarren und wenn ich ihren Blick erwidere mit roten Wangen ihren senkt. Mein Charm, mein Auftreten als wunderbarer großer Bruder, der Stolz meiner Eltern, mein Aussehen. All das hat meine Emilia nach einem Jahr in mein Netz gezogen, was ich extra für sie gespannt hatte. Jetzt bräuchte ich es nur noch immer fester um sie zu ziehen. Mein kleiner Engel wird es am Anfang gar nicht bemerken, doch wenn sie sich beginnt zu wehren, werde ich ihr ihre Flügel ausreißen und ihr jede Chance zur Flucht nehmen. Ich schließe kurz die Augen, um das Bild zu vertreiben, es ist noch zu früh. Das alles braucht noch Zeit. Ich bin noch nicht so weit. Ich muss mir erstmal ihr Vertrauen erkämpfen, mich anfreunden. Sie darf bis zum Ende das Netz nicht bemerken, bis sie schon zu sehr verheddert ist. Mein Gott, wie sehr ich mich schon darauf freue!

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Heyy, ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag! :)
Eure Elsi.

Beta: Niveldrums

Liebe mich!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt