"It's time for the next chapter"
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Das Zimmer war minimalistisch. So minimalistisch, dass das Fenster bereits eine tiefe Kerbe in meinen Schrank geschlagen hatte und die Tür zum Flur sich kaum weiter als einen Spalt öffnen ließ. Außerdem teilte ich mir den Raum mit zwei anderen Schülern. Robert und Kim. Robert war groß und stark, wirkte irgendwie deplatziert in dieser kleinen Welt, die sich meine neue Heimat schimpfte. Kim war zierlich und so gar nicht männlich mit den langen Haaren und femininen Gesichtszügen. Er ähnelte einer Elfe.
„Ich hoffe, Mo schmort in der Hölle", brummte ich, während ich meinen Koffer unter das Hochbett schob. Mit einigem Drücken und Quetschen gelang es und ich ließ mich erschöpft auf die quiekende Matratze fallen. Doch innerhalb weniger Sekunden war ich wieder auf den Beinen. Eine gigantische Feder war hochgesprungen und hatte den Bezug der Matratze durchstoßen.
„Autsch", murmelte ich. Das war ja ein grandioser Einstieg in ein neues Leben mit guten Vorraussetzungen, von etwas erstochen zu werden. Fabelhaft.
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Wie sich herausstellte, schien Robert die sanftmütigste Person zu sein, welcher ich jemals begegnet war. Er erzählte von seinen drei Schwestern und von seinen zwei Katzen und von dem Ausflug mit seiner Familie ins Disneyland. Er zeigte mir sein Einhorn-Tattoo und erklärte, dass er es nur habe, weil seine jüngste Schwester Sally Angst vor bösen Dämonen hatte, welche ihn überfallen könnten, sollte er keinen Schutzpatron haben. Er lächelte, redete und erkundigte sich ebenfalls nach meinen Verwandten.
Kim dagegen war kalt und stumm.
Er hockte gelangweilt auf seinem Bett und verdrehte die Augen, sobald Robert erneut anfing, seine Familie zu erwähnen. Ich war mir nicht sicher, ob es daran lag, dass er die Geschichten schon zu oft gehört hatte oder aber daran, dass er schlichtweg keinen Sinn für Freude verspürte.„Wenn du willst, könnte ich dir morgen zeigen, wie du zu deinem Klassenraum findest", schlug Robert vor, wobei er leicht rot wurde. Ich grinste ihn an. Er war zu süß.
„Klar, das wäre cool. Ich hab keinen Plan, wo ich hin muss", gestand ich, die Hände aneinander gelegt.
„Ich glaube, du hast zuerst Benimm-Kunde mit Herrn Senegal", murmelte er. Seine blauen Augen musterten mich unsicher. Ich fuhr mir durch das hellbraune Haar, ein Seufzen auf den Lippen. Benimm-Kunde? Ernsthaft?
„Was genau kann man sich darunter vorstellen?", wollte ich wissen, obgleich mir bereits klar war, dass es sich um nichts Spannendes handeln konnte. Ich sah mich innerlich schon Handküsse verteilen und Türen aufhalten.
„Ähm, wir lernen Regeln auswendig. Das ist alles. Das ist Benimm-Kunde", stotterte Robert, die breiten Schultern gefährlich gegen das Bettgestell gelehnt, welches unter seinem Gewicht knatschte.
„Nicht, dass sich irgendjemand an die Regeln halten würde", schnarrte Kim, die Zähne gebleckt. Es fuhr mir kalt den Rücken herunter. Er ähnelte einem Raubtier auf der Jagd und ich stellte die Beute dar.
„Na ja", setzte Robert an, wurde jedoch von einem lauten Grölen unterbrochen. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Kim stöhnte und schlug seinen Kopf gegen die Wand des Zimmers. Robert kratzte sich unbehaglich am Nacken.
Gespannt erhob ich mich von meinem Platz an der winzigen Heizung.„Ich glaub's nicht! Wie bist du weggekommen? Sie hat dich quasi auf frischer Tat ertappt!", schrie eine quietschende Stimme, deren Besitzer gerade zu hyperventilieren schien.

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K A R M A [bxb]
HumorWenn „[d]as Leben ist unfair" dein persönliches Lebensmotto sein sollte, dann ergeht es dir wie mir. Denn ich erlebe den Traum, für alles bestraft zu werden, was andere anstellen. Was mich zu meiner jetzigen Situation führt. Ich sitze in einem Inte...