~ Kapitel 1 ~

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Der kühle Novembermorgen liess mich frösteln. Ich schlang mir den Schal enger um den Hals und zog meine weisse Wollmütze tiefer in die Stirn. Der kalte Wind spielte mit meinem langen, dunklen Haar und ich sehnte mich bereits nach meinem warmen, gemütlichen Bett zurück. Der leichte Regen verbesserte meine Stimmung auch nicht gerade. Sanfte Tropfen landeten auf den Gläsern meiner Brille und die Welt verschwamm vor meinen Augen.

Seufzend setzte ich meinen Weg fort und beschleunigte meine Schritte, um so schnell wie möglich wieder ins Warme zukommen. Als ich gerade rechts abbiegen wollte, holte mich ein harter Aufprall in die Wirklichkeit zurück. Ich strauchelte und klammerte mich an das nächst beste was ich finden konnte. Meine Finger krallten sich in etwas Weiches, doch ich hatte so viel Schwung, dass mich auch das nicht mehr retten konnte. Unsanft landete ich auf dem harten Gehweg.

Ich spürte eine Eiseskälte, die sich sofort durch meine Kleidung frass und meinen ganzen Körper erfasste. Zitternd und laut fluchend sah ich mich um. Meine Tasche lag vor mir und sah glücklicher Weise unversehrt aus. Ich liess meinen Blick weiter schweifen und fluchte erneut. All meine Blätter lagen völlig durchnässt neben meiner Tasche verstreut. Mühsam rappelte ich mich hoch und blickte in wunderschöne dunkle Augen.

«Kannst du nicht aufpassen wo du hinläufst?» Verwirrt blinzelte ich und erwiderte: «Entschuldigung? Du bist in mich hineingerannt,was kann ich dafür das du nicht darauf achtest wo du hinläufst?» Er sah mich nur abschätzig an und zog eine Augenbraue hoch. Wenn der Typ nicht so arrogant und mürrisch gewesen wäre, hätte er mir vielleicht sogar gefallen. Seine Locken, die ihm lässig in die Stirn fielen, waren schwarz wie die Nacht. Die braunen, fast schwarzen Augen wurden von einem Kranz langer, dunkler Wimpern eingerahmt. Durchd as enganliegende schwarze Shirt, das er über verwaschenen schwarzen Jeans trug, waren die Konturen eines durchtrainierten Oberkörpers zu erkennen. Sein komplett schwarzes Outfit bildete einen starken Kontrast zu seiner hellen, porzellanfarbenen Haut. Am Ärmel seines Shirts konnte ich die Umrisse eines Tattoos erkennen.

Ich merkte, dass ich ihn anstarrte und machte mich schnell daran meine ruinierten Blätter zusammen zu suchen. Der arrogante Typ machte nicht einmal Anstalten mir helfen zu wollen. Er stand einfach nur da, die Hände in den Taschen seiner schwarzen Jeans vergraben, und beobachtete mich. «Nur keine Umstände, ich schaffe das auch alleine vielen Dank», murmelte ich leise vor mich hin. Der Typ musste es wohl gehört haben, denn seine Lippen verzogen sich zu einem verschmitzten Grinsen.

Erst jetzt fiel mir das Piercing an seiner Lippe auf, welches das Licht der Strassenlaternen reflektierte. Mir jedoch war überhaupt nicht nach Lachen zumute. Die kompletten Notizen meiner gestrigen Vorlesung waren ruiniert, ich war von oben bis unten durchnässt und wenn ich nicht bald meine Kleidung wechseln konnte, würde ich wohl oder übel erfrieren. Ich wollte gerade meine Tasche schultern und ohne ein weiteres Wort an dem Typen, der mir diesen ganzen Schlamassel erst eingebrockt hat, vorbeistapfen, als er in seinen Rucksack griff, einen Schwarzen Kapuzenpulli herauszerrte und ihn mir wortlos hinhielt. «Was soll ich damit», fuhr ich ihn an. «Umziehen.» «Nein danke ich komme zurecht», ich bemühte mich ihn nicht anzuschreien, so wütend war ich gerade. Konnte dieser Tag noch beschissener werden?


Völlig durchnässt und durchgefroren drückte ich die Tür meines Lieblingskaffees auf. Die warme Luft, die mir entgegenkam, liessmich wohlig aufseufzen. Auf dem Weg hier her hatte es begonnen wie aus Eimernzu schütten. Meinen Schirm hatte ich natürlich zu Hause gelassen. Meine nassen Haare hingen mir strähnig den Rücken hinab und meine Wimperntusche war bestimmt komplett verschmiert. Ohne mich davon beirren zu lassen, steuerte ich eine gemütliche Sitzecke am Rand des Kaffees an, um in Ruhe arbeiten zu können. Ichliess mich auf das weiche Polster fallen und bestellte mir einen Caramel Macchiato.

Während ich mein Notizbuch und ein paar Stifte aus meiner Tasche kramte, schweiften meine Gedanken zu der Begegnung von heuteMorgen. Ich wurde das Gefühl nicht los, diesem Typen schon einmal begegnet zu sein. Doch so lange ich mir auch den Kopf darüber zerbrach, ich kam nicht darauf warum er mir so bekannt vorkam. Meine Gedanken wurden jäh von der Kellnerin unterbrochen, die mir meinen Kaffee brachte. Ich bedankte mich leise und setzte die Tasse an meine Lippen, um einen grossen Schluck zu nehmen. Das war genau das was ich jetzt brauchte. Ich stellte die Tasse wieder hin und widmete mich meinem Notizbuch. Ich war so vertieft in meine Skizze, dass ich nicht hörte wie die Tür zum Kaffee erneut aufging. Erst als eine aufgeregte Stimme: «Skylar?» rief schaute ich auf.

Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Vor mir stand Alicia. «Ali? Was machst du denn hier?» Ungläubig starrte ich sie an,unfähig mich zu bewegen. Sie rannte auf mich zu und schloss mich in eine stürmische Umarmung. Ihr vertrauter Geruch hüllte mich ein und sofort fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. Ali war meine beste Freundin, bevor ich zu meiner Tante nach London gezogen war und wir uns irgendwann aus den Augen verloren haben. »Wie geht's dir? Bist du noch mit Adam zusammen? Wohnst du noch bei deiner Tante? Wir haben so viel aufzuholen, du musst mir alles erzählen!» Als Ali kurz Luft holte, um ihren Redeschwall fortzusetzen unterbrach ich sie lachend: «Setz dich doch zu mir, dann kann ich dir alles erzählen.»

Enttäuscht verzog sie das Gesicht. «Tut mir leidich muss gleich weiter, ich bin mit meinem Freund verabredet.» Bei diesenWorten hellte sich ihr Gesicht wieder auf und ihre Augen strahlten. «Wer ist denn der Glückliche?», fragte ich und zog anzüglich meine Augenbrauen hoch. «Sein Name ist Alex. Er sieht gut aus, ist charmant, lustig und einfach perfekt. Du musst ihn unbedingt kennenlernen Sky.» Ihr Ausdruck wurde immer verträumter und ein breites Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. «Ich kanns kaum erwarten», erwiderte ich mit einem Lächeln und freute mich sie so glücklich zusehen. Mit dem Versprechen uns in den nächsten Tagen zu verabreden tauschten wir unsere Handynummern aus, bevor wir uns mit einer festen Umarmung voneinander verabschiedeten. Ich schaute ihr nach, als sie zur Tür hinausrauschte und schmunzelte in mich hinein.

Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich sie vermisst hatte. Im Alter von ungefähr 10 Jahren zog sie mit ihren Eltern in meine Strasse und kannte niemanden in der Stadt. Mit ihrer aufgestellten, immer fröhlichen Art hatte ich sie sofort ins Herz geschlossen und wir waren nach kurzer Zeit unzertrennlich. Nach dem Tod meiner Eltern musste ich zu Tante Maddie nach London ziehen. Anfangs telefonierten wir viel und erhielten den Kontakt aufrecht, doch mit der Zeit wurde er immer weniger, bis er schliesslich ganz abbrach. Mit den Gedanken in meiner Kindheit versunken, trank ich einen weiteren Schluck Kaffee.

In unserer Strasse wohnte ein weiterer Junge in unserem Alter­ — Alexander. Er war in sich gekehrt und sehr verschlossen. Er sprach nur selten ein Wort uns schaute uns meistens nur beim Spielen zu. Ali und ich fragten ihn immer wieder, ob er nicht mitspielen möchte. Doch er schüttelte nur den Kopf und konzentrierte sich wieder auf sein Notizbuch, welches er stets bei sich trug. Der Junge mit den schwarzen Locken war uns immer ein Rätsel, und irgendwann gaben wir die Versuche auf ihn miteinzubeziehen und liessen ihn in Ruhe. Aber so sehr ich auch versuchte ihn aus meinen Gedanken zu verbannen, er liess mich nicht los. Ich wollte wissen was mit ihm los war. Als ich schliesslich all meinen Mut zusammennahm und ihn danach fragte, breitete sich ein düsterer Ausdruck auf seinem Gesicht aus. Er schwieg, klappte sein Buch zusammen und lief davon.

Ab diesem Tag bekamen wir ihn kaum noch zu Gesicht. Ich fragte mich heute noch, was es mit diesem Jungen auf sich hatte. Ich sollte aufhören mir den Kopf darüber zu zerbrechen, denn das Rätsel des Jungen mit dem nachtschwarzen Haar würde ich nicht lösen können. Mit einem Seufzer strich ich mir eine Strähne hinter die Ohren und beugte mich wieder über meine Arbeit. Ich nahm den Bleistift in die Hand und schlug eine leere Seite auf. Ich setzte die Spitze aufs Papier und begann zu zeichnen. Wie von selbst flog meine Hand über die weisse Fläche und ehe ich mich versah blickte mich ein Junge mit lockigem Haar aus grossen dunklen Augen traurig an.

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Hey Leute :)

Schön, dass ihr euch auf unser Profil verirrt habt.
Dies ist unser erstes Buch, so please don't judge. :)
Voraussichtlich werden wir wöchentlich mind. ein Kapitel hochladen.

Viel Spass beim Lesen.

xoxo

The boy I used to knowWhere stories live. Discover now