Als sie wenig später mit einem Tablett mit zwei Tellern dampfenden Eintopfs und einer großen Flasche Kürbissaft wieder kam, saß Lucius tatsächlich angezogen auf dem Bett mit dem Rücken zur Tür. Sie stellte das Tablett neben ihm ab und setzte sich auf den Sessel. Schweigend begann sie zu essen und wartete ab. Er blickte finster drein und rührte sich nicht. Als sein Magen knurrte, musste Hermine schmunzeln.
„Ihr Körper verrät Sie. Nun essen Sie schon etwas, ich habe es nicht vergiftet."
Sie hielt ihm einen Löffel hin und lehnte sich im Sessel zurück, als er ihn ergriff und zu essen begann. Es dauerte nicht lange und er hatte alles verschlungen.
„Da wir dieses Zimmer bald räumen müssen, sollten wir uns darüber Gedanken machen, wo Sie unterkommen können."
„Ich finde schon etwas."
„Wenn Sie im Ministerium schlafen wollen, das kommt nicht in Frage. Was ist mit Ihrem Sohn?"
„Draco und ich hatten... Meinungsverschiedenheiten."
„Ich denke, wenn Sie ihm die Situation schildern..."
„Ich werde meinen Sohn nicht anbetteln!", sagte er scharf.
„Was ist mit Ihrer Frau? Können Sie nicht in dem riesigen Haus zumindest ein Zimmer bekommen? Wie kann sie sich überhaupt leisten, weiterhin so zu leben, wo doch Ihr Vermögen eingefroren wurde?"
„Narzissas Vermögen ist von der ganzen Sache nicht betroffen. Sie hat allerdings alles daran gesetzt, dass ich den letzten Rest, den ich noch zur Verfügung hatte, an sie zahlen durfte. In Anbetracht dieser Umstände ist von ihr kaum Mildtätigkeit zu erwarten."
„Eine schrecklich nette Familie", Hermine lachte laut. Auf seinen irritierten Gesichtsausdruck hin erklärte sie: „Bei den Muggeln gibt es eine Fernsehsendung, die so heißt."
„Achso."Malfoy sah sie mit hoch gezogener Augenbraue an.
„Sie sollten wirklich ins Krankenhaus gehen. Dort sieht man nach der Verletzung und Sie haben erstmal ein Dach über dem Kopf. Das Ministerium wird für die Kosten aufkommen, immerhin wurden Sie während eines... Einsatzes verwundet."
Hermine verschränkte entschlossen die Arme und Lucius suchte offenbar krampfhaft nach einer Alternative, doch es schien ihm keine einzufallen.
„Warum wollen Sie denn nicht dorthin?"
„Ich bin nicht gerne der Gnade anderer Zauberer ausgeliefert."
„Übertreiben Sie da nicht ein wenig? Der Gnade?"
Er zuckte nur mit den Schultern. Es klopfte und die Hauselfe mit einem Eimer und einem Wischmopp eintrat.
„Mincy ist untröstlich, aber hier muss jetzt sauber gemacht werden, Miss."
„In Ordnung, wir sind schon auf dem Weg", Hermine nahm die Papiere und den Geldbeutel vom Schreibtisch, drückte sie Malfoy in die Hand und schnappte sich selbst den Koffer, „kommen Sie schon."Er folgte ihr widerwillig, doch er war nicht wirklich in der Verfassung, um ernsthaft mit ihr zu streiten. Apparieren kam für ihn gerade nicht in Frage, daher benutzten sie den Kamin im Gastraum des Blinden Trolls und standen kurz darauf im Empfangsbereich des St.-Mungo-Hospitals für magische Krankheiten und Verletzungen. Es war eine Zeit lang her, dass Hermine das letzte Mal hier gewesen war – sie waren nach der Schlacht von Hogwarts alle zu einer routinemäßigen Überprüfung gedrängt worden. Sie trat zu einer gelangweilt aussehenden, Kaugummi kauenden Hexe am Empfangsschalter, die in eine Hochglanz-Lektüre vertieft war. Die junge Frau hatte knallrote Haare, die zu einem nestartigen Dutt oben auf ihrem Kopf zusammengebunden waren. Sie trug eine dicke blaue Hornbrille und war stark geschminkt. Als sie an den Schalter traten, reagierte die Hexe nicht. Hermine räusperte sich, noch immer keine Reaktion. Diese Trulla ging Hermine gehörig auf die Nerven.
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie bei wichtigen Dingen störe, aber Mr. Malfoy hier benötigt einen Heiler.", giftete sie.
Die Hexe sah über den Rand ihrer Brille hinweg zu Hermine hoch und kaute provokativ laut auf ihrem Kaugummi bevor sie ihn groß aufblies und platzen ließ.
„Kann Mr. Malfoy nich sprechn, oder sin'se seine Mami?"
Hermine wollte gerade genervt zu einer Erwiderung ansetzen, als Lucius sie beiseite schob, sich über die Theke lehnte und der Hexe die Zeitschrift aus den Fingern zog.
Er warf einen Blick auf ihr Namensschild und sagte: „Ich sehe schon, dass Sie zu tun haben, Gemmy, aber an Ihrer Stelle würde ich mich nicht mit meiner Freundin hier anlegen. Sie kann ganz schön zuschlagen, wie ich gehört habe, auch wenn man ihr das auf den ersten Blick gar nicht so zutraut. Und ein hübsches Gesicht wie das Ihre sollte wirklich nicht dadurch verunstaltet werden. Dafür wäre es viel zu schade."
Er lächelte sie an und zu Hermines Verblüffung kicherte diese Gemmy und lief rot an. Wirklich? Er drohte ihr damit, geschlagen zu werden und sie fühlte sich geschmeichelt? Wie machte er das? Die Hexe deutete auf ein paar Stühle hinter Hermine und hauchte:
„Es wird gleich jemand zu Ihnen kommen, wenn'se noch was brauchn, dann wenden'se sich an mich, ich bin Ihnen gern zu Diensten."
Sie lächelte Lucius an und würdigte Hermine keines Blickes. Diese schüttelte nur den Kopf und verdrehte die Augen, bevor sie sich auf einem der Stühle niederließ. Lucius nahm neben ihr Platz und Hermine beobachtete, wie er der Hexe zuzwinkerte.
„Ernsthaft?"
„Was?"
„Sie flirten mit dieser Schnepfe?"
„Sind Sie eifersüchtig, Miss Granger? Wäre es lieber, ich würde mich Ihnen flirten?"
„Mir wäre es am liebsten, Sie würden gar nicht flirten."
„Das wäre aber ziemlich langweilig."
Darauf gab Hermine keine Antwort, sondern verschränkte die Arme und reckte trotzig das Kinn nach vorne, wie es schon immer ihre Art gewesen war, wenn sie mit der Situation unzufrieden war. Sie wusste selbst nicht so genau, warum sie verärgert war. Es dauerte nur einen Moment, dann kam eine kleine kugelige Heilerin in einem limonengrünen Umhang auf sie zu. Sie schüttelte ihnen die Hand, warf einen Blick auf Lucius blutige Haarsträhnen und führte sie in einen hellen Behandlungsraum.
„Womit kann ich helfen?"
„Er ist zersplintert.", kam es wie aus der Pistole geschossen von Hermine.
„Vielen Dank, Miss Granger, ich kann für mich selbst sprechen. Ich bin zersplintert."
Die Heilerin sah ein wenig irritiert aus.
„Darf ich die Stelle sehen? Sie sehen dafür recht fit aus."
„Ich habe ihn mit Murtlap und Diptam behandelt."
„Sie dürfen."
Lucius ignorierte Hermines Einwurf und nahm den Umhang ab.
„Nehmen Sie am besten auf der Liege Platz", sagte die Heilerin und stand auf. An Hermine gewandt fügte sie hinzu, „Sie sollten einen Moment draußen warten."
„Oh, ja, natürlich. Entschuldigung."
Hastig stand sie auf. Es war ihr fast ein wenig peinlich, dass sie einfach mit hineingegangen war. Etwa eine Viertelstunde später kam die Heilerin aus dem Sprechzimmer und sagte: „Sie haben ordentlich gearbeitet, wir behalten ihn trotzdem lieber eine Nacht hier, damit er wieder vollends zu Kräften kommen kann."
Hermine nickte der Hexe zu. Sie warteten einen Moment, bis Lucius herauskam, dann machten sie sich auf den Weg zu einem Krankenzimmer.
„Ich komme in einer Stunde mit einem Stärkungstrank zu Ihnen. Ruhen Sie sich aus, Mr. Malfoy.", sagte die Heilerin und öffnete die Tür.
Hermine stockte beinahe der Atem. Das war kein bloßes Zimmer, es war größer als ihre ganze Wohnung. Heller Holzboden, sonnengelbe Wände, große Fenster, die viel Licht hereinließen, ein großes Bett, eine ganze Wohnlandschaft, Bücherregale, ein Kamin, flauschige Teppiche, Gemälde von paradiesischen Inseln und alten Schlössern, sogar ein magisches Grammophon und eine ganze Küche mit einem großen Esstisch befanden sich darin. Lucius warf seinen Koffer wie selbstverständlich auf das Bett und ging auf den Kühlschrank zu. Er nahm eine Flasche Wasser heraus und schenkte sich ein Glas ein.
„Möchten Sie auch etwas trinken?"
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Lumine I - Dornröschenschlaf
FantasyHermine bekommt es als Leiterin der Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe nicht nur mit dem Angriff eines Werwolfrudels zu tun, sondern auch mit einem neuen Mitarbeiter, der ihr vom Zaubereiminister persönlich zugewiesen wurde. Sie...