Kapitel 16 - Dennis

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Ich stieg aus dem Bus aus und sah wie Arvid mir zuwinkte. Ich hob meine Hand zum Gruß, dann lief ich los. In Gedanken war ich bei der kleinen Hangout-Party, die später bei Maxi sein wird. Als ich schließlich vor meinem Haus stand, kramte ich in meiner Tasche um den Schlüssel zu suchen. Ganz unten lag er drin, war ja klar. Wenn man was sucht ist es IMMER ganz unten. Ich steckte den Schlüssel in das Schloss und öffnete die Tür. "Bin wieder da!" rief ich und zog meine Schuhe aus. Meinen Rucksack warf ich wie immer ins Eck. Doch es kam nichts zurück. Komisch. Eigentlich müsste meine Mutter schon längst von der Arbeit zurück sein. Ich ging in die Küche und fand dort einen Zettel vor. "Hallo Dennis, bitte komm umgehend ins Krankenhaus wenn du das liest. Ich bin hier bei deinem Vater. -Mama". Ich schluckte. Was hatte das zu bedeuten? Ich schnappte mir meinen Geldbeutel und zog meine Schuhe wieder aus und sprang draußen sofort auf mein Longboard, zwar hatte es wieder angefangen zu regenen, aber das war mir egal. Ich konnte nicht Bus fahren, ich musste einen klaren Kopf bekommen. Ich pushte und pushte mein Atem ging schnell und der Schweiß lief mir über die Stirn. Unter meiner Beanie war mir schon mega warm geworden, aber ich ignorierte es. Ich hatte Angst. Als ich eine Viertelstunde später vor dem Krankenhaus stand, schlug mein Herz in Höchstgeschwindigkeit, was nicht nur am longboarden lag. Ich klemmte mir mein Board unter den Arm und öffnete die Tür. Die Dame an der Information sah auf. "Ähm, Guten Tag, ich komme wegen meinem Vater..." began ich meine Satz "bist du Dennis?" fiel sie mir ins Wort. "Ja, der bin ich... Wo muss ich hin?" fragte ich "Zimmer 202". Ich rannte auf den Aufzug zu, dessen Türen sich gerade schlossen. Gerade noch so hastete ich herein und drückte auf den Knopf für Zimmer200-300. Die Tür öffnete sich und ich stieg aus. Nummer 202 war das Zimmer ganz hinten. Langsam schlich ich den Gang entlang, veränstigt davon, was mich erwarten würde. Ich klopfte an. "Ja?" ertönte eine mir unbekannte Stimme von drinnen. Ich öffnete die Tür und trat in das Krankenzimmer und erschrak. Mindestens 5 Ärzte standen um das Bett meines Vaters, der ziemlich bleich war. Meine Schwester kam auf mich zu und ich hob sie hoch und gab ihr einen Kuss. Sie tat mir Leid. Sie war noch so jung und verstand noch nichts davon, was hier abging. Ich blickte zu meiner Mutter, man sah ihr an, dass sie geweint hatte. Einer der Ärzte räusperte sich. "Dennis? Also, es tut uns Leid es dir zu sagen, aber die Lage deines Vaters ist ernster als gedacht." Er sprach mit einer festen Stimme und ich wollte nicht wissen, wie viele schlechte Nachrichten er schon überbracht hatte. "Das die Brüche gut heilen, denken wir nicht. Sie sind sehr kompliziert, sie wachsen schräg zusammen. Dein Vater wird wahrscheinlich nie wieder laufen können." Dieser Satz war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich sah zu meinem Vater, der die Augen geschlossen hatte. Schlagartig kamen alle Erinnerungen aus meiner Kindheit zurück, die ich mit meinem Vater gehabt hatte. Fußballspielen am Strand, an verregneten Novembertagen im Wohnzimmer Höhlen aus Kissen und Decken bauen, als er mir das Fahrradfahren beigebracht hatte und als ich mein erstes Longboard bekam. Erst jetzt bemerkte ich, dass mir meine Tränen die Wangen herunter liefen. Ich wurde wütend. "Was heißt hier wahrscheinlich und wir denken? Hä? Was soll das heißen? Warum müssen sie immer nur denken? Wieso?? Ich will wissen was mit meinem Vater ist?! Ist das so schwer die Angehörigen ordentlich zu informieren? Ist das schon zu viel verlangt?" schrie ich den Arzt an. Ich war nur noch verzweifelt. Verdammt! Wie konnte sowas passieren? Und wieso passierte sowas uns? Wieso musste dieser Bastard die rote Ampel überfahren und in das Auto meines Vaters reincrashen? Wieso? Die Ärzte sahen zu Boden. Ich ließ mich an der Wand herunterrutschen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Mein Vater sah zu mir. Er sah müde aus. "Dennis... Nicht weinen. Ich komme klar. Auch wenn ich in ein paar Monaten keine Beine mehr haben werde." flüsterte er mit gebrochener Stimme. Ich sah auf. "Keine Beine?? WAS?" meine Stimme bebte vor Wut. "Es ist wahr, Dennis, seine Beine müssen wohl abgenommen werden." meldete sich meine Mutter zu Wort. Ich stand mit offenem Mund da. "Nein! Das ist nicht wahr!" schrie ich, packte mein Longboard an der Achse und riss die Tür auf. Ich musste raus. Sofort. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Ich rannte den Flur entlang, zum Aufzug. Ich schlug auf den Knopf. Einmal, Zweimal, Dreimal. Dann endlich öffnete sich die Tür. Die Leute die im Lift waren, schauten mich mitfühlend an, dabei hatten sie keine Ahnung wie ich mich fühlte. Endlich waren wir im Empfangsraum angekommen. Ich rannte auf die Tür zu, stieß sie auf und sprang aufs Board. Ich raste die Straßen entlang, bis ich am Fluss angekommen war, der unsere Stadt durchfloss. Ich ließ mich ins Gras fallen. Mittlerweile war es schon dunkel geworden und dank des Regens, der glücklicherweise aufgehört hatte, recht kühl. Ich schluchzte auf und riss mir meine Mütze vom Kopf und warf sie neben mir ins Gras. Ich vergrub mein Gesicht erneut in meinen Händen und schluchzte auf. So saß ich eine Weile, doch der Schmerz wurde nicht weniger. Ich schaute auf mein Handy. 3 verpasste Anrufe von Arvid und eine zugespamte Whatsapp-Gruppe der Mannschaft. Ich sah auf die Nachrichten. "Dennis, wo bleibst du?", "Ohne Spaß, wo steckst du?", "Alter, du bist sonst so pünktlich?". Ich sperrte mein Handy wieder und steckte es zurück in meine Hosentasche. Der Schmerz in meiner Brust war unerträglich, wie konnte mein Vater da so gelassen sein? Ich beschloss nach Hause zu fahren. Ich brauchte unbedingt eine Dusche. Zuhause angekommen, war noch niemand da. Ich schrieb meiner Mutter einen Zettel, dann lief ich hoch, riss mir die Klamotten vom Leib und sprang unter die Dusche. Als das heiße Wasser auf meine Haut traf, waren die Sorgen für einen kurzen Augenblick weg, doch als ich das Wasser abdrehte, ging es mir genauso scheiße wie vorher. Ich ging in mein Zimmer zurück und zockte Assassin's Creed. Als ich hörte, wie meine Mutter heimkam, setze ich die Kopfhörer auf und machte das Licht aus, das sie dachte ich würde schon schlafen. Ich versank die ganze Nacht lang im alten Paris, zu der Zeit der französischen Revolution.

Nicht ohne meinen Blondie! (boyxboy) [Abgebrochen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt