* Überarbeitet *
LivaGestern Abend hatte ich nicht viel gemacht. Eigentlich war es eher ein Verdrängen von allem gewesen. Ich war einfach nur in die Badewanne gestiegen, hatte Netflix angeschaut und mich von den Bildern auf dem Bildschirm ablenken lassen, die mir nichts bedeuteten. Der Moment war nicht wirklich entspannend – eher ein Versuch, meinen Kopf auszuschalten. Aber der Kopf, der ließ sich nicht so einfach abstellen. Ich war erschöpft, aber der Gedanke an Oscar, an das, was zwischen uns war – oder besser gesagt, an das, was nicht mehr war – hielt mich wach. Schließlich bin ich nach langem Hin und Her doch noch eingeschlafen. Irgendwann in der Nacht war ich dann wirklich weggetreten, doch der Schlaf fühlte sich nicht erholsam an. Es war, als ob ich in einem Zustand des Ausruhens festhingen, ohne wirklich zur Ruhe zu kommen.
Ich war gerade mit dem Shooting fertig, und nun saß ich hier, wartete auf Miguel, der mich nach Hause bringen würde. Ich wischte mir die letzten Reste meines Make-ups aus dem Gesicht und schlüpfte zurück in meine bequeme Jogginghose. Mein Handy gab plötzlich einen Ton von sich, und ein Blick auf das Display verriet mir sofort, wer mir schrieb. Natürlich war es Oscar. Wer denn sonst? Es war das gleiche Spiel wie gestern. Er hatte tausendmal versucht, mich anzurufen, und jedes Mal hatte ich den Anruf abgewiesen. Ich hatte ihm nicht einmal eine Antwort auf seine Nachricht geschickt. Ich war nicht mehr wütend, nicht mehr traurig – zumindest nicht auf die Weise, wie es früher gewesen war. Jetzt war es ein anderes Gefühl, das mich ergriff. Ein Gefühl, das sich wie eine Mischung aus Abscheu und Selbstekel anfühlte. Ich ekelte mich vor ihm, vor seinen ständigen Versuchen, mich zurückzugewinnen, vor der Tatsache, dass ich wieder in diese toxische Spirale eingetreten war. Aber am meisten ekelte ich mich vor mir selbst, vor der Tatsache, dass ich immer noch in irgendeiner Weise an ihn dachte. Dass ich ihm die Chance gegeben habe mir noch einmal nah zu sein. Wie konnte ich nur so blind gewesen sein? Wie konnte ich mich so täuschen lassen?
„Bist du ready?", hörte ich plötzlich die Stimme von Miguel hinter mir. Ich drehte mich um, nickte knapp, nahm meine Tasche und verließ das Studio.
„Dein Handy klingelt", bemerkte Miguel, als wir uns auf den Weg zum Auto machten. Ich drücke den Anrufer schnell weg, ohne nachzudenken. Warum sollte ich jetzt noch antworten? Was hatte ich ihm noch zu sagen?
„Soll ich nachfragen?", fragte Miguel, als wir in das Auto stiegen. Sein Blick war neugierig, aber auch irgendwie vorsichtig. Ich konnte die Frage in seinen Augen sehen: „Was ist wirklich los mit dir? Was läuft hier ab?" Aber ich wollte darüber nicht sprechen. Nicht jetzt. Vielleicht nie.
„Sind eigentlich alle Jungs so dumm?" Die Worte kamen aus mir heraus, ohne dass ich es richtig steuern konnte. Es war, als ob die Wut, die sich in mir angesammelt hatte, endlich einen Ausweg fand. Miguel lachte, aber es war ein leichtes, belustigtes Lachen, das mir für einen Moment das Gefühl gab, dass ich mich nicht ganz alleine mit meinen Gefühlen fühlte. Aber nur für einen Moment. „Was ist in den paar Tagen passiert, in denen du weg warst?" Miguel klang ernst, und ich spürte, wie der Druck in meiner Brust wieder zunahm. Es war, als ob er genau wusste, dass etwas nicht stimmte. Aber was sollte ich ihm sagen? Sollte ich ihm alles erzählen? Was würde das ändern? Ich atmete tief ein, schloss für einen Moment die Augen und spürte, wie die Tränen hinter meinen Augenlidern drängten. Doch ich hielt sie zurück. Nicht jetzt. Nicht hier.
„..Er hat mich gestern ständig angerufen. Und jetzt ruft er mich die ganze Zeit an, aber ich weiß nicht, ob ich mit ihm reden will", sagte ich schließlich. Ich blickte aus dem Fenster, versuchte, nicht in die Augen von Miguel zu sehen, als würde ich so den Blick auf die Wahrheit vermeiden können.
„Also, ich kann dich verstehen", begann er nach einer Weile. „Aber vielleicht hast du es auch falsch verstanden. Immerhin hast du nicht das ganze Gespräch mitbekommen." Er hielt kurz inne, als ob er selbst nach den richtigen Worten suchte. „Aber du magst ihn, hm?" Der Ausdruck in seinen Augen, dieser fast schelmische Blick, ließ mich für einen Moment lachen – aber es war ein kurzes, trockenes Lachen. Es fühlte sich fast bitter an, dass er das jetzt sagte, obwohl ich genau wusste, dass er es nicht böse meinte. Aber seine Worte trugen dennoch eine Wahrheit in sich, die mich unerbittlich traf. „Bei mir und Max war es damals ähnlich", fuhr er fort. „Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten. Es war ein steiniger Weg, bis wir dann endlich zusammenkamen." Ich dachte nach, versuchte, seine Worte irgendwie auf mich und Oscar zu übertragen. Aber es passte nicht. Oscar und ich – das war nie der gleiche Weg wie der von Miguel und Max. Vielleicht hatte er einen Punkt, aber irgendwie fühlte es sich nicht so an. „Er ist ein Arschloch, klar", murmelte ich schließlich. „Das wird er wahrscheinlich immer bleiben." Es klang wie eine Erkenntnis, die schon viel zu spät kam. „Ich wünschte, ich wäre nicht zu meiner Familie gefahren", flüsterte ich dann fast unmerklich, als ob ich mich für einen Moment in der Illusion wiegen könnte, dass es so vielleicht besser gewesen wäre. „Dann wäre vielleicht alles in Ordnung. Dann würde ich ihnen vielleicht endlich vergessen." Miguel nickte langsam, aber sagte nichts. Ich wusste, dass er mich verstand, auch wenn er nicht wusste, was in mir vorging.
„Vielleicht solltest du ihn anrufen", sagte Miguel schließlich. Die Worte hingen im Raum, als ob sie eine Tür öffneten, durch die ich jetzt hindurchschreiten sollte. Aber ich wusste, dass ich das nicht konnte. Nicht jetzt. Nicht in diesem Moment. Mein Stolz war zu groß, meine Wut zu tief, um ihm jetzt nachzugeben.
„Vielleicht später", murmelte ich leise, ohne ihn anzusehen, und starrte wieder aus dem Fenster. Ich fühlte mich, als ob ich zwischen zwei Welten stand – einer, in der ich ihm mein Herz noch immer zugänglich machen konnte, und einer, in der ich ihn einfach loslassen musste, um mich selbst zu retten. Aber welche Entscheidung war die richtige? Miguel fuhr mich bis vor mein Apartment, und ich stieg aus, ohne ein weiteres Wort. Ich holte mir etwas zu essen, setzte mich in meine kleine Küche und aß, während ich versuchte, den Raum um mich herum zu spüren, als wäre dieser Moment meine einzige Zuflucht. Es war ruhig. Und doch fühlte sich die Stille erdrückend an.
Nachdem ich gegessen hatte, räumte ich auf und saugte, ohne wirklich zu wissen, was ich tat. Es war wie eine mechanische Bewegung, eine Art, den Schmerz zu betäuben. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es fast 17 Uhr war. Morgen hatte ich frei, was bedeutete, dass ich mir die Nacht noch für mich selbst gönnen konnte. Aber die Lust, auszugehen, war mir vergangen. Ich hatte nicht den Kopf dafür. Ich setzte mich auf mein Bett und starrte auf mein Handy. Wieder das Geräusch. Es war Julia.
„Ey, du Kuh, bist du schon wieder zuhause?", fragte sie direkt, ohne Umschweife. Ich entschuldigte mich und bestätigte es, aber ich wusste, dass sie schon alles gehört hatte. „Ich hab gehört, was vorgefallen ist...", begann sie, aber ich verdrehte die Augen, bevor sie den Satz beenden konnte. „Hat Oscar gesagt, du sollst mich anrufen?", brummte ich, und ließ mich zurück auf mein Bett fallen. Die Worte fielen wie Blei. „Nein, wir haben geredet. Er versucht dich die ganze Zeit zu erreichen...", begann sie, doch ich ließ sie nicht weitersprechen. „Weißt du, ich will jetzt nicht darüber reden. Ich muss jetzt auch wieder los. Lass uns später schreiben, okay?" Ohne auf ihre Antwort zu warten, legte ich auf und warf mein Handy auf das Bett.
Ich schnappte mir die Fernbedienung, krabbelte unter meine Decke und schaltete den Fernseher an. Aber es war nicht der Fernseher, der meine Gedanken fesselte. Es waren wieder die gleichen Fragen, die mich quälten. Was hatte er gesagt? Was wollten sie mir verschweigen? Und warum hatte ich das Gefühl, dass ich immer noch nicht die ganze Wahrheit kannte.
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You have my Heart // OSCAR DÍAZ : On My Block
Novela JuvenilWIRD NACH UND NACH ÜBERARBEITET ( die kacke kann sich ja keiner geben 😖 ) „Wenn du jemanden verlierst, dann verlierst du ihn nicht nur an dem Tag an dem ihr euch auf wiedersehen sagt. Du verlierst ihn jedes Mal wenn du ein Auto siehst, das so auss...