Kapitel 12

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* Überarbeitet *

Liva

Ich hatte mittlerweile völlig das Zeitgefühl verloren. Wie lange bin ich schon hier? Drei Tage? Oder sind es doch schon vier? Die Handfesseln hatten sie mir inzwischen abgenommen. Wahrscheinlich haben sie gemerkt, dass ich mich ohnehin nicht wehren kann. Meine Kräfte sind längst erschöpft. Wie auf Kommando begann mein Magen zu knurren, und ich schloss die Augen, lehnte meinen Kopf an die kalte Betonwand. Sie brachten mir regelmäßig Essen, aber ich rührte es nicht an. Lieber würde ich verhungern. Nur den Eimer mit Wasser und Seife sowie die Zahnbürste und Zahnpasta hatte ich akzeptiert. Wenn ich schon sterben muss, dann wenigstens gepflegt. Zacarias kam täglich vorbei, setzte sich vor mich und sprach mit mir. Besser gesagt, er redete, und ich hörte nur stumm zu. Ich wollte ihm kein einziges Wort erwidern, aber er gab nicht auf. Was auch immer sein Plan war, ich wusste es nicht. Meine Gedanken kreisten nur um meine Familie. Ich wollte einfach nur nach Hause. Inzwischen hatte ich fast aufgegeben, daran zu glauben, dass mich jemand retten würde. Zacarias zeigte mir immer wieder das Video von Oscar, wiederholte es in einer Endlosschleife. Er wollte mich glauben machen, dass Oscar nicht kommen würde. Doch etwas in mir weigerte sich, ihm zu glauben. Ein Funke Hoffnung blieb. Zacarias schlug mir sogar vor, bei ihm zu bleiben. Nur wir beide, wie er sagte. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt, aber ich wollte nicht wissen, was er dann mit mir angestellt hätte. Die Tür öffnete sich mit einem lauten Knarren, und ich wandte meinen Blick sofort ab. Ich konnte und wollte ihn einfach nicht mehr ansehen. "Guten Tag, meine Liebe," ertönte seine ekelhafte Stimme. Ich starrte weiterhin auf die graue Wand. Irgendwie fand ich das Grau tröstlich. "Wie geht es dir?" fragte er, doch wartete er nicht auf eine Antwort. Er wusste, dass er keine bekommen würde. "Hast du es dir anders überlegt? Bleibst du bei mir?" Er hockte sich vor mich hin, und ich zwang mich, ihm ins Gesicht zu sehen.

„Oscar wird kommen," brachte ich schließlich leise heraus. Meine Stimme klang schwach, aber in meinen Augen lag Entschlossenheit. Zacarias' Gesicht verzog sich vor Wut. "Oscar hier, Oscar da! Was findet ihr Schlampen nur an ihm?" brüllte er, während er aufstand. Ich zuckte zusammen und schloss reflexartig die Augen, als er sich auf mich stürzte. Seine Hand packte meinen Hals, drückte mich gegen die Wand. Die Luft blieb mir weg, ich keuchte und versuchte verzweifelt, zu atmen. „Du wirst mich lieben, Liva. So, wie ich dich liebe," zischte er mit verklärtem Blick. Meine Lungen brannten, und schwarze Flecken begannen vor meinen Augen zu tanzen. "Lieber würde ich sterben, als dich zu lieben," krächzte ich. Meine Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, aber sie trafen ihn wie ein Schlag. In seiner Wut packte er meinen Kopf und schlug ihn gegen die Wand. Der Schmerz explodierte wie ein Feuerwerk in meinem Schädel, und ich sank sofort auf den Boden. Meine Arme schlossen sich schützend um meinen Kopf, und die Tränen, die ich so lange zurückgehalten hatte, brachen nun unaufhaltsam hervor Ich konnte nicht mehr aufhören zu wei- nen. Der Schmerz und die Verzweiflung übermannten mich. Zacarias verließ den Raum wortlos und knallte die Tür hinter sich zu. Das laute Geräusch ließ mich zusammenzucken. Ich lag da, weinend und zitternd, und fühlte mich, als würde ich vor Angst ersticken. Meine Gedanken wirbelten unkontrolliert durch meinen Kopf. Werde ich hier jemals lebend herauskommen? Ist das hier meine letzte Erinnerung an das Leben? Werden meine Familie und Freunde wissen, was passiert ist? Werden sie mich vermissen, wenn ich tot bin?
Ich drückte meine Hände gegen meine pochende Stirn. Waren diese Kopfschmerzen die Folge der ständigen Grübelei oder des harten Schlags gegen die Wand? Es war egal. Ich spürte, wie mich die Verzweiflung zu überwältigen drohte. Für einen Moment wollte ich einfach aufgeben. Aber dann ballte ich die Fäuste. Worüber dachte ich hier nach? Wenn ich jetzt aufgebe, dann gebe ich Zacarias genau das, was er will. Nein, das würde ich ihm nicht geben. Niemals. Tief in mir flammte ein Funke des Widerstands auf. Ich musste stark bleiben. Egal, wie aussichtslos es schien. Ich durfte jetzt nicht den Verstand verlieren.

Mit Tränen in den Augen starrte ich auf die Tür. Oscar wird kommen. Ich wusste es. Ich musste daran glauben. Denn dieser Glaube war das Einzige, was mich noch am Leben hielt.

You have my Heart // OSCAR DÍAZ : On My Block Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt