Kapitel 5

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Als ich die Augen aufschlug, erhellten Sonnenstrahlen den Raum und Isalie lag friedlich neben mir. Um sie nicht zu wecken, kroch ich leise aus dem Bett. Ich zog eine dunkle Stoffhose und das helle Leinenhemd an, welches Isalie für mich bei einem fahrenden Händler gekauft hatte. Dann schlüpfte ich zur Tür hinaus und ging die Stiege zur Stube hinunter. Jetzt in den Morgenstunden, war die Taverne wie ausgestorben. Camilla stand gut gelaunt hinter dem Tresen und polierte Gläser. "Guten Morgen Joona, schon so früh auf? Möchtest du etwas essen?", fragte sie mich.

"Es ist gestern nicht allzu spät geworden. Ja gerne!".

Ich setzte mich auf einen der hölzernen Hocker und beobachtete Camilla beim Zubereiten meiner Mahlzeit. Konzentriert füllte sie eine kleine Schale mit ihrem legendären Haferschleim, dann gab sie noch etwas Milch hinzu und verrührte alles gründlich. Immer wenn sie etwas zubereitete, runzelte sie konzentriert die Stirn. Die Speisekarte der Taverne war nicht üppig und nach zwanzig Jahren hier konnte ich mir gut vorstellen, dass sie jedes Gericht im Schlaf zubereiten konnte. Dennoch wirkte jeder Handgriff von ihr äußerst konzentriert. Ihre langen, schwarzen Haare, immer zu einem Zopf gebunden, wippten bei jeder ihrer Bewegungen mit.

Sie knallte die Schale und einen Holzlöffel vor mich hin und lies mich aufschrecken. "Du weißt ich mag es nicht, wenn du mich beobachtest. Spar dir diese lästige Angewohnheit lieber für deine nächtlichen Streifzüge!", tadelte sie mich, wischte ihre Hände an der Schürze ab und verschwand in einem der Hinterzimmer. "Schenker, was machst du denn da schon wieder?", hörte ich sie schimpfen.

Genüsslich begann ich den Haferschleim zu essen und schloss die Augen. Es ging nichts über Camillas Kochkünste.

Während ich aß hörte ich einen Knall aus einem der Hinterzimmer und anschließendes Gepolter. Im nächsten Augenblick betragt Schenker fluchend den Raum, ein schweres Weinfass tragend. Ich machte erst gar keine Anstalten aufzustehen. Mein Vermieter war viel zu stur, um sich von Irgendjemandem helfen zu lassen. Wütend knallte er das Fass auf den Tresen.

"Joona, eines sage ich dir, sei glücklich und zufrieden mit deiner Isalie!", schnaubte er, "Camilla, dieses Weibsstück macht mich noch wahnsinnig! Wir haben erst Morgen und sie fuchtelt schon mit ihrem Besen herum und befielt mir die Weinfässer auszutauschen. Lange halte ich es mit dieser Furie nicht mehr aus!"

Das waren Camilla und Schenker. Beide nahmen kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, den anderen herumzukommandieren. Oft hatten sie sich schon so heftig gezankt, dass Teller und Becher in der Taverne herumgeflogen waren. Doch wer sie kannte wusste, dass sie sich wahnsinnig liebten und ohne einander nicht konnten.

Mittlerweile hatte ich mein Frühstück beendet und begnügte mich damit, Schenker beim austauschen der Fässer zu beobachten. Dabei konzentrierte ich mich auf jede seiner Bewegungen. Jedes Mal bevor er ein Fass unter den Tresen stellte, schnaubte er einmal genervt und schloss die Augen. Beim Abstellen verzog er für einen kurzen Moment schmerzverzerrt das Gesicht. Sein Rückenleiden war also immer noch nicht besser geworden.

"Hast du nichts Besseres zu tun, als arbeitende Leute zu beobachten?", schnaubte Schenker verärgert und wischte sich über die Stirn, "Diese Angewohnheit von dir ist wirklich unerträglich!"

Entschuldigend hob ich die Hände, stand auf und grinste verschmitzt. Nun fiel mir wieder ein, warum ich sonst nicht ohne Isalie nach unten kam. Sie liebte es sich zu Unterhalten. Mir genügte es, wenn ich Menschen beobachten konnte. Dies war interessant genug.

"Ach ja, da fällt es mir wieder ein, Traumfänger, dieser Wichtigtuer, war gestern hier. Er will dich unbedingt sprechen. Faselte irgendwas von einer düsteren Prophezeiung. Wenn du mich fragst, der will sich doch nur wichtigmachen. Aber was weiß ich schon.", brummte Schenker und verschwand wieder im Hinterzimmer.

Ich verdrehte die Augen. Traumfänger! Dann blieb mir wohl nichts anderes übrig, als ihm einen Besuch abzustatten.

Noctem UmbraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt