Kapitel 2 - Er.

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Die ganze Nacht liege ich mit Coco in meinem Bett, sie schläft, ich starre sie, die Wand oder die Decke an. Hätte ich doch nur ein Buch oder irgendwas zur Beschäftigung, denke ich und schaue zum Fenster. So langsam wird es hell. Dann höre ich aus dem Nebenzimmer, wo Youngjae schläft, etwas, er scheint also wach zu sein. Das scheint auch Coco gehört zu haben, denn sie springt auf und rennt freudig quietschend zur Tür. Sofort lasse ich sie zu ihm, natürlich begrüßt sie ihn bellend und braucht erstmal viel Aufmerksamkeit - so als ob se keine von mir bekommen hat. Youngjae geht in die Küche und ich folge ihm unauffällig.
"Guten Morgen...entschuldige, falls du Coco heute Nacht gesucht haben solltest, sie kam zu mir an die Tür und hat dann bei mir geschlafen...alles ganz ruhig ohne Probleme." berichte ich ihm. Er antwortet sofort, während er sich streckt: "Youngjae: Ja, alles gut. Ich hab mitbekommen, dass sie raus wollte und hab sie raus gelassen, dann hab ich deine Tür gehört...also war es mir schon irgendwie klar." Er lacht und nimmt Coco hoch. Sein Lachen klingt so ehrlich...ich wünschte, ich könnte auch so etwas fühlen. Oder überhaupt irgendetwas fühlen.

Den ganzen Tag lang helfe ich Youngjae, seine Wohnung zu putzen - quasi als kleine Gegenleistung dafür, dass ich hierbleiben darf. Anschließend ziegt er mir etwas die Gegend und erklärt mir auch vieles. Zum Beispiel was Geld ist, wofür man es braucht und wie man es bekommt. "Man das ist ja alles ganz kompliziert bei euch...Und wie findet man einen Job?" frage ich ihn mal wieder.

Und wieder erzählt er mir von gefühlt tausenden Möglichkeiten einen Job zu finden. Ich sollte das vielleicht auch tun. Schließlich kann ich bei ihm wohnen, bis ich alleine klar komme, und später, wenn ich wieder alleine bin, brauche ich ja auch Geld. 

Ich bedanke mich und verkünde, dass ich mir am nächsten Tag sofort etwas suchen werde, da jetzt schon alle Läden zu sind. Also gehen wir mit Coco wieder nach Hause. Diese ist total erledigt, weil Youngjae im Park so viel mit ihr gespielt hat, bis die wirklich keine Lust mehr hatte und sich einfach auf den Boden gelegt hat - deshalb trage ich sie gerade nach hause. Sofort lege ich sie in ihr Körbchen und Youngjae geht auch ins Bett, also bin ich wieder allein und werde die Decke anstarren.


Ich versuche verzweifelt mich irgendwo vor ihm zu verstecken. Doch egal wohin ich gehe, er findet mich - dann tut er Dinge mit mir, an die ich mich mein Leben lang erinnern werde. Er schlägt mich, schreit und spuckt mich an, und das nur, weil ich nicht so funktioniere, wie ich soll. Tagelang bekomme ich nichts zu essen, muss draußen schlafen im Winter, mit nichts als einem Kissen und einem Bettbezug als Decke. Ich bin krank, unterkühlt, muss sogar auf die Krankenstation und bin tagelang ohne Bewusstsein. Aber sie bekommen mich jedes Mal wieder hin. Und das nur, damit ich das ganze wieder und wieder ertragen kann.
Ich bin 5, fast 6, Jahre alt und ein verdammtes Kind. Verdammt im wahrsten Sinne des Wortes. Ich lebe hier, hinter Gittern, und weiß nicht, was es heißt, ein Kind zu sein. Jeden Tag muss ich leiden, mich an alle möglichen Regeln für alles mögliche halten, selbst dafür, wenn ich auf Toilette muss, muss diese Typen alles mit mir machen lassen und das nur, um nicht zu sterben. Dabei wäre ich lieber tot, als auch nur einen Tag länger hier - ich wäre lieber in der Hölle. 
Eben habe ich noch ein Versteck gefunden und kann fünf Minuten verschnaufen, ehe ich ihn auch schon wieder höre. Nur kann ich diesmal nicht vor ihm flüchten. Er packt mich an den Haaren und zieht mich aus meinem Versteck. Wieder beleidigt er mich als kleine, unbedeutende Ratte und schlägt mich. Erst einmal ins Gesicht, dann in den Bauch, dann wieder ins Gesicht. Schließlich lege ich mich weinend auf den Boden, ehe er mich an den Beinen hoch nimmt, über seine Schulter hängt und wieder mit in diesen Raum zerrt. Dort lässt er mich einfach fallen und spritzt mir etwas, dass mir unwahrscheinliche Schmerzen verursacht. Dann packt er seinen Gürtel aus und schlägt mir damit so lange auf den nackten Rücken und hintern, bis alles blau und blutig ist - und lässt mich einfach so zurück.


Schreiend schrecke ich hoch und schaue mich panisch atmend nach meinem Peiniger um. Dann merke ich aber, dass ich ganz wo anders bin, als mir auch alles wieder einfällt. Ich bin dort weg. Jetzt bin ich bei Youngjae, verstecke mich mehr oder weniger hier, bis ich alleine hier ein normales, zumindest halbwegs, Leben führen kann. Ich muss diesen Mann nicht länger ertragen und sehen. Dann spüre ich, wie etwas an meinem Gesicht runter läuft und wische es sofort weg, ehe ich erschrocken die Augen weite. Habe ich etwa eben geschlafen?! Und was war das gerade in meinem Gesicht? Würde ich es nicht besser wissen, würde ich sagen eine Träne, aber das war unmöglich. Bestimmt hatte ich nur etwas im Auge. Ich atme durch, ehe ich ins Bad gehe und eine eiskalte Dusche nehme. Youngjae hat mir heute einige Wechselsachen gekauft, da ich ja sonst nichts hätte. Dafür war ich ihm natürlich sehr dankbar, oder eher gesagt spielte ich him das vor. Mehr konnte ich als Eisklotz sowieso nicht tun. Nach der Dusche sind meine Gedanken zum Glück wieder etwas klarer, allerdings kann ich immer noch nicht verstehen, wieso ich geschlafen habe. Seit Jahren habe ich das erste mal geschlafen...Das letzte mal, glaube ich, mit 16. Ich habe seitdem auch nie wieder das Verlangen danach verspürt. Aber ich weiß, dass ich nie wieder schlafen will. Nie wieder will ich das ganze durchleben, ob nun real oder im Traum. Ich hoffe einfach, dass ich nie wieder in meinem Leben schlafe, darauf kann ich ganz gut verzichten. Ein eiskalter Schauer wander über meinen Rücken,  als ich an meinen Traum denke und diesen Mistkerl wieder vor mir sehe. Irgendwann, früher oder später, wird er alles zurück bekommen. Irgendwann werde ich ihn finden und genauso quälen, wie er es mit mir immer getan hat, bis ich all meine Gefühle verloren habe. Vielleicht werde ich ihn sogar umbringen, damit er niemand anderem mehr so etwas antun kann. Außerdem verdient so jemand es nicht, zu leben. Jemand, wie er, verdient es, gequält zu werden, bis er darum bettelt sterben zu dürfen. 

Let me freeze you [Jackson Wang X Choi Youngjae]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt