Am nächsten Morgen wurde Madlene relativ früh wach und schlich sich noch in aller Morgenstunde nach draußen auf das Schiffsdeck, um ein wenig frische Luft schnappen zu können. Sie hatte ihr rosé farbendes Morgenkleid an und trug dazu einen Fliederfarbenden Morgenmantel. Sie lehnte sich an die Rehling und genoss den Wind, der ihr um die Nase wehte. Sie schloss die Augen und Gedanken allerlei machten sich in ihrem Kopf zu schaffen. Eine Träne rollte ihr über die Wange. Solche Momente wie diese, in denen sie komplett mit sich und ihren Gedanken allein war, bereiteten ihr Sorge. Oft fühlte sie sich allein gelassen. Verstoßen von den Menschen, für die sie alles getan hätte. Sie lauschte den Wellen, die sich an dem Schiff brachen und in kleinere Wellen geteilt wurden. So fühlte sie sich manchmal. Geteilt. Sie hatte immer an das Gute im Menschen geglaubt und nie die Hoffnung aufgegeben. Doch irgendwann kam der Tag, an dem selbst das nicht mehr half. Für Madlene war es schwer, aus ihrer Komfortzone zu gelangen und sich somit gegen sich selbst zu stellen. Sie wischte sich die Träne weg. "Alles in Ordnung?" Madlene erschrak förmlich und drehte sich um. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. „Richard... Mr. Newcomer, Hallo, ich habe Sie gar nicht kommen hören. Was machen Sie denn in aller Frühe hier draußen?" Er schmunzelte „Nun Miss, dass gleiche wollte ich Sie fragen. Was macht denn so eine schöne Maid denn in den frühen Morgenstunden allein an der Reling des Schiffes?" säuselte er. Madlene wurde etwas verlegen und strich sich ihre vom Wind zerzausten Haare aus dem Gesicht. "Nun ich wollte etwas frische Luft schnappen gehen. Meine kleinen Schwestern schlafen noch wissen Sie. „Er nickte verständnisvoll. „Wissen Sie ich habe auch kleinere Geschwister. Die jüngste ist gerade einmal vier. „Madlene lächelte. „Das ist ja schön. Und wie viele haben Sie? „Fünf Miss, ich bin der Älteste, daher musste ich auch schon relativ früh mit dem Arbeiten anfangen. Mit dreizehn war das. Meine Mutter ist vor zwei Jahren erkrankt und nun braucht sie dringende Hilfe. Sie fährt ebenfalls auf diesem Schiff genauso wie meine Geschwister. Wir wollen in Amerika einen Arzt auftreiben und dort dann auch ein neues Leben beginnen..." Madlene hörte ihm gebannt zu und unterbrach ihn kein einziges mal. "Und wo ist Ihre Familie untergebracht Mr. Newcomer?" "In der dritten Klasse Miss. Wir konnten uns das gerade mal so leisten." Sie lächelte zaghaft. "Sie haben eine interessante Art wie sie erzählen Mr. Newcomer. Machen Sie so etwas des Öfteren?" Er schluckte. "Ja...", begann er zögernd. "Vor ein paar Jahren habe ich auf der Straße Kindern Geschichten erzählt. Geschichten, die mein Vater mir als ich klein war, immer erzählt hatte. Er war auch immer auf hoher See wissen Sie?" "Und was ist jetzt mit ihrem Vater?", fragte Madlene etwas schüchtern. Sein Gesicht verdunkelte sich. „Er ist tot!" Madlenes wurde blass. "Das tut mir leid Mr. Newcomer ich hatte ja keine Ahnung. " "Das haben die wenigsten, bis sie die Trauer am eigenen Leibe erfahren." Er sah sich etwas verstört um. "Ich muss jetzt wieder gehen sonst bekomme ich Probleme. Machen Sie sich fertig laut meiner Taschenuhr beginnt in einer halben Stunde das Frühstück." Ohne noch ein Wort zu sagen ging Richard Newcomer. Madlene zögerte, doch dann lief sie ihm hinterher. "Warten Sie Mr.Newcomer warten sie." Er blieb zögernd stehen und drehte sich langsam um. "Was ist denn?" "Werde ich Sie wiedersehen Mr.Newcomer?" Er trat von dem einem Bein aufs andere. "Ich weiß nicht ...vielleicht. Ich muss jetzt wirklich los!" Er drehte sich auf dem Absatz um und hechtete in Richtung Eingangshalle. Madlene ging leise vor sich hin summend Richtung Kabine. Sie achtete nicht auf den Weg, bis sie mit einem Pärchen zusammenstieß. "Also hören Sie mal Miss!", rief die Dame ihr entgegen. "Mmh, ja?" "Hat deine Mutter dich nicht vernünftig erzogen, oder warum antworten Sie so derbe?" erwiderte der Gatte streng. "Entschuldigung ich habe nicht auf den Weg geachtet. Es wird nicht mehr vorkommen." Neben dem Pärchen machte sich jetzt ein junger Mann bemerkbar den Madlene gar nicht gesehen hatte. "Mutter nun reg dich doch nicht so auf.", er zwinkerte Madlene zu. "Vielleicht würden Sie und Ihre Familie uns nachher die Ehre erweisen und mit uns das Frühstück einnehmen? Als eine Art der Versöhnung? " Seine Mutter zog hörbar die Luft ein. Madlene nickte. "Warum nicht." "Wir erwarten Sie dann am Tisch am Veranda-Café." Er zwinkerte ihr noch einmal zu und verschwand dann mit seinen Eltern um die Ecke. Als sie in ihre Kabine kam herrschte dort ein riesen durcheinander. Ihre Schwestern sprangen auf Madlenes Bett herum und waren gerade mitten in einer Kissenschlacht. "Sag mal seid ihr noch ganz bei Trost?", schrie Madlene aus vollem Hals. Ihre Schwestern sahen sie mit großen Augen an. "Du hast doch noch nie mit uns geschimpft!", jammerte Ida. Madlene setzte sich auf ihr Bett. "Geht euch jetzt anziehen in einer halben Stunde gibt es Frühstück." Die beiden Schwestern sahen sich fragend an, und gingen dann leise zu ihrem Schrank, um sich umzuziehen. Madlene selbst entschied sich für ein gelbes Kleid, dass an den kurzen Ärmeln mit Spitze versehen war. Ihre Haare steckte sie mit Goldenen Haarklammern zusammen. Ihre Schwestern, die in Blau und Lila gekleidet waren, standen nun wieder mit ihr vor der Kabine ihres Vaters. "Dad es ist soweit kommst du Frühstücken?" "Ich kann nicht mir ist nicht gut." Madlene versuchte die Türe von außen zu öffnen. "Dad komm schon, lass uns doch rein. Was hast du denn?". Doch ihre Frage blieb unbeantwortet. "Geht nur, ich muss mich nur ein wenig ausruhen." Ungläubig stand Madlene mit ihren Schwestern vor der Kabinentüre ihres Vaters und starrte auf den goldenen Türknauf, den sie immer noch fest umklammerte. Ihr Vater war noch nie krank, ein gesunder Spross. "Komm Maddie, wenn Dad allein sein will, dann sollten wir ihn auch lassen. Er erholt sich schon wieder." Ida nahm Madlene bei der Hand und versuchte sie von der Türe weg zu bekommen. "Maddie wir sind doch verabredet, es wäre unhöflich, wenn wir die Leute warten lassen würden.", erwähnte Henriette. Madlene versuchte zwanghaft diesen Türknauf loszulassen. In ihrem Kopf erschienen Szenarien von damals, ihre Mutter hatte sich was zurückgezogen, da es ihr nicht gut gehen würde. "Maddie!" Madlene blickte auf. "Ja ich komme ja schon, verzeiht mir ich war wohl am Träumen.", sagte Madlene und Zwang sich zu einem lächeln. Sie gingen den langen Korridor, der mit rotem Teppich ausgelegt war, entlang. Die Mädchen hüpften über den Teppich, voller Vorfreude auf das Frühstück. Madlene zügelte ihr Tempo, da sie nicht wusste, was ihr bevorstand. Sie gingen in Richtung A-Deck, um auf eins der beiden Verandacafés zu gelangen. Als sie das Café betraten, staunte Madlene nicht schlecht. Der Boden des Cafés war mit einem Schachbrettmuster in den Farben Weiß und hellbraun eingedeckt. Der Raum war sehr hell gehalten, die Wand bestand aus weißen und grünen Kacheln die perfekt zu den kleinen Farn Pflanzen in den Töpfen passten. Im hinteren Teil des Cafés, direkt an einem Fenster, wurde ein Arm gehoben und der junge Mann von heute Morgen stand auf. Zügig ging Madlene mit ihren Schwestern auf den Tisch zu. "Miss, wie ich mich freue, dass Sie es einrichten konnten heute zu erscheinen.", sagte der junge Mann und zog den hellbraunen Korbstuhl vom Tisch weg, so, dass sich Madlene setzen konnte. Ihre Schwestern nahmen neben ihr Platz. Die Eltern des jungen Mannes betrachteten Madlene mit hochgezogenen Augenbrauen und begutachteten sie von oben bis unten. Es herrschte für kurze Zeit eine peinliche Stille. Bis Madlene den Mut zusammenfasste, um das Wort zu erheben. "Vielen Dank für die Einladung. Ich wollte mich nochmals für mein Mieses Benehmen von heute Morgen Entschuldigen. Ich war in Gedanken vertieft und hätte auf den Weg achten müssen. Ich hoffe Sie nehmen mir das nicht übel." Das Ehepaar sah sich kurz schweigend an. "Nun", sagte der Mann und stand auf "ich denke wir hatten einen schlechten Start und können das Missgeschick auf sich beruhen lassen. Dann stellen wir uns Ihnen erst einmal vor, um Ihnen die Freundschaft anzubieten. Mein Name ist George Hunter, meine Frau Ellen und unser Sohn Michael." Michael lächelte ihr zu. Diese Geste ließ Madlene erröten. Um schnell aus dieser Situation zu entfliehen, entschied sie sich ebenfalls aufzustehen und sich vorzustellen. "Danke für Ihre Bekanntmachung. Wir freuen uns sehr und nehmen die Freundschaft gerne an. Mein Name ist Madlene Brown und das sind meine Schwestern Ida und Henriette. Unser Vater Tom Brown ist auch mit auf dem Schiff, leider musste er sich für heute entschuldigen, da es ihm wohl nicht so gut geht.", sagte Madlene mit zittriger Stimme und setzte sich wieder. "Meine Güte, ich hoffe er erholt sich wieder!", sprach ihr Ellen zu und hielt erschrocken ihre Hand vor den Mund. Madlene nickte ihr dankend zu. Der Kellner kam vorbei und nahm die Bestellung für das Frühstück der beiden Familien auf. Schon bald wurde ein riesiger Korb mit Brot gebracht. Dazu in kleinen Schälchen Butter, Marmelade und Honig. Während des Essens beugte sich Michael, der neben Madlene saß zu ihr rüber. "Miss Madlene, ich darf Ihnen doch wohl sagen, dass Sie heute bezaubernd aussehen. Ich meine das taten Sie schon bei unserem kleinen Malheur heute Morgen, aber ich muss sagen, Sie bessern sich." Wieder zwinkerte er ihr zu und grinste. "Danke", stotterte Madlene "aber wieso haben Sie uns heute Morgen Eingeladen Michael? Sie hätten es doch auch bei einer Entschuldigung belassen können." Michael grinste und kleine Grübchen kamen an seiner Wange zum Vorschein. "Nun Miss, ich sah Sie mit ihrem wunderschönen Gesicht, ihren Locken und den rosaroten Wangen, die erröten, wenn ich Ihnen zu zwinkere.", sagte er während er ihr erneut zu zwinkerte. Madlene spürte wie ihre Wangen warm wurden und wahrscheinlich wieder purpurrot. "Miss Brown", unterbrach Ellen Hunter die Unterhaltung. Zur Erleichterung von Madlene. "Ihr Name ist Französisch, haben Sie Verwandte in Frankreich? Und wird Ihr Name dann auch wie im Französischen geschrieben?" "Nein Mrs Hunter, meine Mutter hatte eine große Begeisterung für Französische Literatur und Gedichte, ihr Lieblingsschriftsteller war Octave Mirbeau. Mein Name wird nicht wie im Französischen geschrieben Mam, da meine Mutter die Befürchtung hatte, dass die Menschen ihn dann falsch aussprechen." "Ach das ist ja interessant.", sagte Michael und lehnte sich in den Korbstuhl zurück. "Welche Verbindung haben Sie denn sonst noch mit Frankreich?" Madlene lächelte, als Michael so ein großes Interesse an ihr hegte. "Meine Großmutter kam aus Frankreich, besser gesagt aus Lyon. Meine Mutter kam dann mit 10 Jahren nach England." Die Hunters nickten ihr zustimmend zu. "Und wieso sprechen Sie von Ihrer Mutter in der Vergangenheit?", fragte Ellen Hunter etwas zu dreist. "Mama ist vor 3 Jahren gestorben!", sagte Ida. Bedrückte Gesichter am ganzen Tisch. Das war Madlene zu viel. Sie ließ sich hier nicht zum Affen machen. Bestimmt stand sie auf und griff nach ihrer kleinen Tasche. "Mr und Mrs Hunter, Michael, ich danke Ihnen herzlichst für die Einladung, es war sehr angenehm, aber nun entschuldigen Sie uns bitte. Wir müssen nach unserem Vater sehen." George und Michael standen schnell auf, um sich von ihr zu verabschieden. "Ich hoffe wir haben Sie nicht gekränkt Miss Brown?", fragte George Hunter vorsichtig nach. "Guten Tag.", sagte Madlene und begab sich, ihre Schwestern an den Händen, zügig zum Ausgang.
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Titanic-Liebe bis auf den Grund
RomanceEs war ein Wunderwerk. Das größte von Menschenhand gebaute Schiff. Es hieß es sei unsinkbar! Doch das war alles Humbug für Madlene. Sie und ihre Familie wollten in New York ein neues Leben anfangen und das alte voller Trauer und Kummer hinter sich b...