Mut

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Also kommt es, wie es kommen musste. Ich war die ganze Nacht wach und habe versucht mich so wenig zu bewegen wie möglich. Weder wollte ich Joong aufwecken, noch wollte ich durch eine noch so kleine Bewegung bewirken, dass er sich von mir entfernt oder mich loslässt. 

Ich habe jede Sekunde genossen in seinen Armen zu liegen. Als es dann langsam Tag wurde, habe ich so getan, als würde ich schlafen. Ich glaube, das war der einzige Moment, indem ich mich zumindest ein wenig entspannt habe. 

Als er wach wurde, stockte er kurz und realisierte wahrscheinlich, in welcher Position wir uns beide befanden. Nachdem ein paar Sekunden vergangen sind, in dem einfach nichts passierte, dachte ich schon, er wäre wieder eingeschlafen. Doch falsch gedacht. Er zog mich einmal fester an sich und gab mir einen langen Kuss auf die Stirn. 

Er ließ seine Lippen ein wenig länger als nötig da liegen. Danach schob er mich mit einer atemberaubenden Sanftheit neben sich, genau darauf bedacht mich nicht aufzuwecken. Er stand auf und verließ das Zimmer. Ein paar Minuten später hörte ich das Wasser im Nebenraum rauschen.

Meine Gefühle waren ein einziges Wirrwarr. Was soll ich nur von dieser Nacht halten? Ich meine, wir sind, wie zuvor erwähnt, schon oft Arm in Arm eingeschlafen oder so aufgewacht. Doch meist waren es nur ein paar Minuten und auch nur aus Versehen. 

All dieser Momente haben sich nicht so angefühlt wie letzte Nacht. Puhh, ich sollte meine Gefühle besser unter Kontrolle haben. Was soll das noch alles werden? Die Quarantäne hat gerade erst begonnen, wir sind hier noch mehrere Wochen zusammen. Wie soll ich das nur durchstehen?

Mein Tag sah wie folgt aus: Ich schlief. Ich schlief den ganzen Tag durch. Joong weckte mich nur einmal kurz, da ich einen Online-Kurs um 10 Uhr hatte. Diesen habe ich auch gerade so geschafft. Dann lag ich schon wieder eingerollt im Bett und war wieder im Traumland verschwunden. 

So gegen 6 Uhr abends kam ich dann langsam wieder zu mir. Ich schleppte mich ins Bad und stellte das Wasser auf Eiskalt. Jedenfalls danach war ich richtig wach. Dennoch drehte sich in meinem Kopf immer noch alles. 

„Wie geht es dir?"

Das war das Erste, was Joong zu mir sagte, als ich wieder ins Zimmer kam. Was soll ich denn jetzt sagen? An sich geht es mir gut, aber meine Gefühle spielen komplett verrückt. Aber das kann ich ihn nicht sagen. Also entscheide ich mich für die einfachste Aussage.

„Ganz ok. Was machst du da?"

„Ach, ich habe nur ein paar Spiele gespielt und war kurz live auf IG."

„Wie war es?" 

Manchmal war es echt anstrengend, mit den ganzen Fragen von unseren Fans. Fast 90 % dieser Fragen richteten sich nach unserer Beziehung zueinander. Wir überlesen sie für gewöhnlich, außer wir machen uns etwas lustig darüber. 

Doch jedes Mal versetzt es meinem Herz einen kleinen Stich. Am Anfang wusste ich nicht warum, doch jetzt bin ich mir fast sicher. Ich habe Gefühle für Joong und deshalb tut es manchmal weh, wenn wir über dieses Thema Witze machen.

„Es war ausgezeichnet. Bist du sicher, dass es dir wirklich gut geht? Du hast den ganzen Tag geschlafen. Wirst du krank, Phi?"

Ich muss wahrscheinlich einfach nur so da gestanden und ihn angestarrt haben. Klar, macht er sich Sorgen, es ist nicht normal für mich am Tag zu schlafen. Irgendwie finde ich das ja ganz süß.  

„Hey, mach dir keine Sorgen, ich bin nicht krank. Ich war einfach nur müde. Ich habe die Nacht nicht so lange geschlafen. Du weißt schon, weil ich am Schreibtisch eingeschlafen bin. Aber ein wenig hungrig bin ich."

*2 Stunden später*

Ich weiß nicht, wie lange ich schon an meinem Schreibtisch sitze und diesen Bericht schreibe, doch es müssen bestimmt zwei Stunden sein. Aber es fühlen sich wie fünf an. Mein Rücken beginnt sich langsam zu verkrampfen. Eine Pause wäre jetzt gut, aber ich muss diesen Aufsatz bis morgen fertig haben. 

Einen kurzen Moment der Ruhe gönne ich mir aber doch. Ich gehe in die Küche und mache mir einen Tee. Als ich wieder ins Zimmer komme, bemerke ich Joong der im Bett liegt und schläft.  Ich weiß nicht warum, aber ich stoppe genau da, wo ich gerade bin und beobachte ihn. Er sieht so friedlich aus. 

Am liebsten würde ich ihn jetzt die ganze Nacht anstarren und jeden Zentimeter seines Gesichtes studieren. Doch im nächsten Moment muss ich leider meine Pläne über den Haufen werfen, denn Joong erwacht aus seinem kleinen Nickerchen und beobachtet mich faszinierend. 

„Habe ich etwas im Gesicht?"

Ich selbst erwache aus meiner Starre und gehe stumm wieder an meinen Schreibtisch zurück. Verzweifelt versuche ich mich wieder zu konzentrieren, um diesen Bericht fertig zu bekommen, doch es funktioniert einfach nicht. Es hilft auch kein bisschen, als Joong hinter mir auftaucht und seine großen Hände auf meine Schultern legt. 

Langsam beginnt er diese zu massieren. Ich schließe meine Augen und erlaube es mir tatsächlich, mich ein wenig zu entspannen. Leider kann ich das seufzen nicht verhindern, was meine Lippen verlässt. Genau das bringt mich wieder zurück in die Wirklichkeit und ich setze mich sofort aufrechter hin. Dabei rutschen seine Hände von meinen Schultern.

„P'Nine, was ist los? Irgendwas ist komisch."

Peng, genau ins Schwarze. Natürlich kann ich nicht davon ausgehen, dass Joong nichts bemerken wird. Kurz schließe ich meine Augen und versuche mich zu sammeln. Was soll ich jetzt nun sagen? Ich kann ihn nicht in die Augen sehen.

„Nichts ist los. Es ist wahrscheinlich nur, weil ich die Nacht nicht schlafen konnte und daher den ganzen Tag verschlafen habe. Ich bin einfach ein wenig müde. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen."

Also weiche ich wieder aus und streite alles ab. Das kann ich am besten. Joong weiß meistens, wenn ich nicht gut gelaunt bin oder ich mir über etwas Gedanken mache. Dann lässt er mich für gewöhnlich in Ruhe. Darauf hoffe ich jetzt auch. Doch leider werde ich diesmal enttäuscht.

„P', hat es etwas damit zu tun, was letzte Nacht war?"

Peng, wieder ein Treffer ins Schwarze. Ich bin kurz davor zu weinen. Meine Augen brennen schon und der Bildschirm, auf dem mein Bericht geschrieben steht, flimmert. Mit einem seufzen speichere ich das Dokument ab und schalte meinem Tablet aus. Ich nehme allen Mut zusammen und drehe mich zu Joong um.

Sleepless Nights JoongNineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt