Geständnis

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Das war eine sehr, sehr dumme Idee gewesen. Meine Tränen konnte ich gerade so noch herunterschlucken. Doch jetzt, nachdem ich mich umgedreht habe, fangen sie an zu laufen. 

Wenn ich Joong so vor mir sitzen sehe mit diesem Hundeblick, kann ich einfach nicht anders, als alles loszulassen. Ohne etwas zu sagen, zieht Joong mich vom Stuhl auf seinen Schoß. Er hält mich mit seinen Armen umschlungen und drückt mich schützend an sich. Keine Ahnung wie lange wir so da sitzen, jegliches Zeitgefühl hat sich schon vor langer Zeit verabschiedet.

Manchmal nervt es mich, so klein neben den ganzen Jungs auszusehen. Ich will nicht als der „kleine" oder der „zierliche" wirken. Gerade neben Joong sehe ich immer so aus. Doch gerade jetzt in diesem Moment, liebe ich es, mich in seine starken Arme und an seine breite Brust zu flüchten. Ich muss mir auch keine Sorgen machen, dass ich zu schwer sein könnte, da Joong öfter mit schweren Gewichten trainiert.

Ich kann einfach nicht aufhören zu schluchzen und die Tränen wollen auch nicht aufhören zu fließen. Mittlerweile hat Joong sich nach hinten fallen lassen. Er hat uns so positioniert, dass wir richtig herum im Bett liegen. Anschließend hat er die Decke über uns beide gezogen. 

Immer noch liege ich in seinen Armen, beziehungsweise eher mehr auf ihm als neben ihm. Diesmal hat er auch ein T-Shirt an, an dem ich mich fest krallen kann. Bisher war es still, keiner sagte etwas und ich bin ihm echt dankbar, mich nicht mit Fragen zu löchern.  

„Was ist los, hmm?"

Nun muss ich ihm antworten, was bleibt mir anderes übrig? Außerdem hat er es verdient eine Antwort zu bekommen. Ich meine, ich habe ihn gerade ganze fünfzehn Minuten voll geheult und sein T-Shirt komplett durchweicht. 

Nicht gerade angenehm. Doch was soll ich denn jetzt antworten? Joong, ich weine, weil ich dich liebe und ich es nicht mehr aushalte in deiner Nähe zu sein. Nein, das kann ich ihm nicht sagen. Es wäre einfach nur ober peinlich und so etwas könnte ich auch gar nicht. 

Dennoch wäre es die Wahrheit. Und war ich nicht derjenige, der am Anfang unserer Freundschaft gesagt hat, er soll immer ehrlich mit mir sein und mit allen Problemen zu mir kommen. Tja, nun bin ich es, der diese Regel nicht befolgt, obwohl ich sie selbst aufgestellt habe. Na toll, ich bin so ein schlechter Freund.

Er sieht mich immer noch abwartend an, nicht genervt oder angeekelt von mir. Ich würde es ihm nicht übel nehmen. So wie ich gerade aussehen muss, rote Augen, laufende Nase, geschwollenes Gesicht. Nicht gerade ansehnlich. 

Doch er hält weiterhin Blickkontakt mit mir und streicht mir sogar eine Träne von der Wange. Sie möchten einfach nicht aufhören zu fließen, obwohl ich schon längst nicht mehr weinen muss. Sie laufen einfach so herunter. 

Ich glaube, das Beste ist, ich bin ehrlich mit ihm, auch wenn es wehtun wird und wir danach nicht mehr richtige Freunde sein können. Ihm gegenüber bin ich es einfach schuldig. Dabei kann ich ihm aber nicht in die Augen schauen, deshalb verkrieche ich mich ein wenig mehr in seinen Armen. 

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll." 

„Fang am Anfang an, P'."

Tja, wenn ich nur wüsste, wann das alles begonnen hat. Das würde ich ja selbst gern einmal wissen. Vielleicht hat es angefangen, als wir uns das erste Mal geküsst haben, vielleicht damals als wir im Workshop diese Übungen zum Skinship machen sollten oder das erste Mal als Joong bei mir übernachtet hat. Eines weiß ich zumindest: Diese Gefühle für ihn habe ich jetzt schon eine ganze Weile. 

„Am Anfang, tja, wenn ich wüsste, was ich dir dazu antworten soll, würde das Ganze hier vereinfachen."

„Versuche es einfach. Ich mache mir Sorgen, du bist in letzter Zeit, besonders nachdem ich bei euch praktisch eingezogen bin, so komisch."

Natürlich macht er sich Sorgen, er ist nun mal der Typ, der sich sehr um seine Freunde und seine Mitmenschen kümmert und sorgt. Noch so eine Sache, die ich an ihn liebe.

So gern ich mich auch weiterhin in seinen Armen verkriechen würde, ich brauche einfach kurz Luft. Ich befreie mich gerade so weit aus seinem Griff, dass ich mich aufsetzen kann. Joong bleibt liegen, wofür ich ihm echt dankbar bin. Er strahlt eine enorme Hitze aus, die mich ein wenig benebelt. Nicht zum ersten Mal wohlgemerkt.

„Es gibt vielleicht etwas, was ich dir erzählen sollte. Doch es kann sein, dass unsere Freundschaft danach ruiniert ist."

„Nichts, was du auch immer sagen wirst, wird unsere Freundschaft zerstören." 

„Sag das nicht zu früh."

Ich schnappe mir ein Kissen und klammere mich daran fest. Mittlerweile hat Joong damit begonnen kleine Kreise auf meinen unteren Rücken zu malen. Kurz schließe ich meine Augen und genieße diese kleine Massage. Ich versuche mich zu entspannen, was ich sogar teilweise hinbekomme.

Anscheinend merkt Joong das auch, denn er rutscht näher an mich heran und beginnt wieder damit meine verspannten Schultern zu massieren. Ein Seufzen kann ich nicht verhindern, als er einem empfindlichen Punkt an meinem Nacken findet. 

„Willst du mir jetzt vielleicht endlich erzählen, was los ist?"

Ich kann sein Atem an meiner rechten Wange spüren. Er muss unbemerkt weiter an mich herangerückt sein. Eine Hand ruht nun an meiner Hüfte, während er sich mit der anderen neben mir abstützt. Das war es also wieder mit dem Abstand halten. Ich versuche mich zu sammeln, um das Nächste gleich sagen zu können, ohne schon wieder in Tränen auszubrechen.

„Ich weiß nicht genau, wann es passiert ist. Irgendwann in letzter Zeit habe ich aber bemerkt, dass etwas nicht mehr ganz normal ist. Ich...ich habe manche Dinge mit anderen Augen gesehen, manche Dinge anders gefühlt. Ich wusste nicht genau, was es war, doch seit einiger Zeit bin ich mir fast sicher. Joong..."

Mein Blick sucht seinen, komischerweise will ich jetzt unbedingt seine Reaktion sehen. Ich setze mich im Schneidersitz ihm gegenüber. Seine Hand rutscht von meiner Hüfte in meinem Schoß. 

Er hält mein Knie mit seiner Hand bedeckt als er sich, so wie ich, mir im Schneidersitz gegenüber setzt. Wir sehen uns eine Weile einfach schweigend in die Augen. Er streicht mir eine Strähne meines Haares hinters Ohr. Mittlerweile sind sie echt lang geworden. Ich müsste echt mal wieder zum Friseur.

„Du weißt, du kannst mir alles sagen."

Dieser kleine Satz klingt so einfach, doch wiegt er so viel schwerer als er sich vorstellen kann. Von meinem Haaren wandern seine Hände wieder zu meinen und umfassen sie. Erst jetzt wird mir die Lage, in der wir uns befinden, wirklich bewusst. 

Genau so sah unsere Szene bei 2Moons2 auch aus. Wir, als Kit und Ming haben uns genau so unsere Liebe gestanden. Mit der Ironie in der jetzigen Lage bewusst, fange ich an zu lachen. Ich lache und lache, so wie ich schon sehr lange nicht mehr gelacht habe. 

Irgendwann verstecke ich mich hinter meinen Handflächen und streiche mir die Tränen aus dem Gesicht. Es sind keine traurigen Tränen, sondern fröhliche. Ich schaue wieder zu Joong, der mich wahrscheinlich schon die ganze Zeit so verwirrt angesehen hat. 

Verdenken kann ich es ihm nicht. In einem Moment weine ich wie ein Baby und in der nächsten lache ich wie ein Verrückter. Er sieht mich verständnislos an, dennoch hat er ein kleines Lächeln auf den Lippen, welches mich so an die Szene bei 2Moons2 erinnert.

„Weißt du, es ist schon lustig, wie wir uns jetzt in genau der gleichen Situation und Position wie beim Dreh befinden. Wie in der Folge, als Ming und Kit sich ihre Gefühle füreinander gestehen."

„Wenn du mir jetzt auch ein Liebesgeständnis machst, dann wäre die Szene jetzt wirklich perfekt."

Er lächelt mich an, noch weiß er nicht, was er da gerade gesagt hat. Wie kann er, wenn auch unwissend und ungewollt, immer ins Schwarze treffen, was mich betrifft. Doch er hat mir gerade die perfekte Vorlage gegeben. Ich kratze allen Mut, den ich aufbringen kann zusammen. 

Seine und meine Hände ruhen immer noch ineinander verschlungen in meinem Schoß. Meine Augen fokussieren seine. Ich atme einmal tief durch und lasse mich fallen.

„Und was ist, wenn ich genau das jetzt machen will?"

Sleepless Nights JoongNineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt