【1】

226 17 6
                                    

Minho saß alleine auf dem Rücksitz des schwarzen Range Rovers.
Die Sonnenstrahlen, die durch die hinteren Fenster fielen und das große Auto mit einer glühenden Helligkeit erwärmten, hatten die Tränen auf seinen Wangen bereits getrocknet, sodass keiner mehr erahnen könnte, dass er vorhin noch geweint hatte. Der Abschied von seiner Familie war ihm schwerer gefallen als gedacht.

   „Ich möchte nicht in diese komische Stadt ziehen!" hatte er seiner Mutter klar und deutlich mitgeteilt, doch seine Eltern waren von der Idee, auf die sie vom Jugendamt aufmerksam gemacht worden waren, nicht mehr abzubringen.

  „Paradisia ist ein wunderbarer Ort," seine Mutter hatte ihm den Katalog der kleinen Gemeinde entgegenhalten „Dir wird es dort gut gehen, Minho. Dort gibt es viele Jugendliche, die mit denselben Problemen kämpfen wie du und je schneller du dich und dein Benehmen besserst, desto schneller kannst du wieder zurückkommen."

  Minho hatte seinen Kopf mit der Hand abgestützt und blätterte lustlos durch die Broschüre der Stadt. Auf den ersten paar Seiten waren Bilder von Reihenhäusern abgebildet, vor welchen immer jeweils vier Personen seines Alters standen.

  Obwohl sie keinesfalls miteinander verwandt waren, wirkten sie wie ein kleiner Familienverband; oder eher wie ein Klan, dachte sich Minho, nachdem ihm auffiel, dass sie alle eine einheitliche Uniform trugen. Dabei war diese Uniform nicht mal wirklich stilvoll. All die Jungen, die sie trugen, sahen darin total spießig aus; zumindest alle bis auf einer. Der einzige Junge, der es schaffte, in diesen hässlichen Klamotten doch noch gut auszusehen, hatte blondes Haar und ein außergewöhnliches Gesicht, welches an ein Eichhörnchen erinnerte. Minho wusste nicht warum, aber der Junge machte einen sympathischen Eindruck auf ihn.

   Über dem Bild stand in schwungvoller Schrift »Paradisia - Das einzige Paradies auf Erden«, was Minho, vor Ironie natürlich, ein wenig zum Lachen brachte. Auf ihn wirkte der Ort eher wie die Hölle. Er wollte dort auf gar keinen Fall hin.

  „Wollt ihr mich wirklich dieser neumodischen Sekte ausliefern?!" hatte er gefragt, die Nerven zum zerreißen angespannt.

  „Wir glauben, dass ein Aufenthalt dort, dir durchaus ganz gut tun würde. Dort wirst du endlich mal lernen, was Disziplin und Ordnung bedeutet." hatte sein Vater geantwortet.

  „Es ist also eine Art Resozialisierungs-Camp, auf das ihr mich abschiebt, weil ihr keinen Bock mehr auf mich habt?!"
Seine Eltern hatten gerade den Mund geöffnet, um zu widersprechen, doch Minho wollte nichts mehr von ihnen hören. Er stand auf und warf den Katalog quer durchs Wohnzimmer, bevor er auf sein Zimmer gestürmt war und sich unter seiner Bettdecke verkrochen hatte.

  Ihm war bewusst, dass er sich in letzter Zeit nicht wirklich vorbildlich benommen hatte. Vor einer Woche noch, musste sein Vater ihn um 2 Uhr Nachts von der Polizeiwache abholen, da er unter dem Einfluss von Marihuana hinter dem Steuer erwischt worden war. Genau genommen, war das schon der vierte Eintrag in seine Polizeiakte und er hatte gewusst, dass seine Eltern langsam genug davon hatten, dass er immer in Schwierigkeiten geriet.

  Doch trotzdem hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihn in an einen derartigen Ort abschieben würden; und doch saß er nun hier, auf der Rückbank des Range Rovers, welcher zu seinem Haus gekommen war, um ihn abzuholen.

  „Ich wusste gar nicht, dass ich einen eigenen Chauffeur von denen bekomme." sagte Minho und lehnte sich mit entspannter Miene in seinem Sitz zurück, obwohl er innerlich alles andere als entspannt war. Der Fahrer schnaubte aufgrund der unangemessenen Bemerkung. „Als Chauffeur würde ich mich jetzt nicht bezeichnen. Hat man dir etwa nicht gesagt, dass Paradisia seinen zukünftigen Bewohnern, einen Abhol-Service zur Verfügung stellt?"
    „Nein, man hat mir überhaupt nichts über diese Stadt gesagt."
    „Oh, nagut. Dann will ich dir die Überraschung mal nicht vorwegnehmen."

𝐏𝐚𝐫𝐚𝐝𝐢𝐬𝐢𝐚 ; Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt