Tod

97 7 9
                                    

Als ich am nächsten Tag aufwachte, war die Sonne noch nicht aufgegangen. Schweren Herzens erhob ich mich und betrachtete Sakuro. Er sah so friedlich aus, als würde er nur schlafen, doch ich wusste es besser. Diese Erkenntnis war gestern wie heute ein Schlag in die Magengrube. Es war der bittere Geschmack des Verlustes. Es war der bittere Geschmack des Todes.

Seufzend machte ich mich auf den Weg. Bestimmt würden bald die anderen kommen und ich wollte nicht wissen, was sie mit Sakuro machen wollten. Also schlug ich mich in den Wald, weg von allem anderen. Immer und immer wieder fragte ich mich, was wäre passiert, wenn ich nicht ohnmächtig geworden wäre. Hätte ich ihn retten können? Hätte ich Verluste verhindern können? Hätte ich helfen können? Doch ich bekam keine Antwort auf meine Fragen. Im Gegenteil. Es kamen immer mehr Fragen auf.

Was meinte Kagemaru mit Kind der Schatten? Warum gaben sie uns 6 Monate? Was wollten sie von uns? Warum kamen sie jetzt? Was ist damals wirklich vorgefallen? Was meinten sie mit Ära der schwarzen Drachen? Doch ich konnte nicht lange in meinen Gedanken bleiben. Ein Schluchzer riss mich in die Wirklichkeit und ich brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass nicht ich wieder weinte. Es war jemand anderes. Jemand, den ich kannte. Mein Verstand riet mir, zu verschwinden, doch meine Neugier riet, dorthin zu gehen. Und leider siegte wieder meine Neugier. Ich musste echt mal an dem Durchsetzungsvermögen meines Verstandes arbeiten!

Aber genug dazu. Leise schlich ich mich in die Nähe des Weinens und gegen meine anfänglichen Hoffnungen brachte mich das Weinen wieder in die Nähe von Sakuro. Ich wollte doch Abstand zwischen uns bringen! Nach einer Weile saß ich nun auf einem Baum, an dem ich Sakuro und die Personen sah, welche weinten. Erst bei genauerem hinschauen erkannte ich, dass es meine Eltern waren. Zuerst wollte ich zu ihnen hin, doch irgendwas in mir drin riet mir, dass ich hier oben bleiben sollte.

Mum und Dad hingegen gingen geradewegs zu ihm. Aber was wollten sie dort? Dad hatte doch schon genug gelitten, warum also gingen sie wieder an diesen Ort? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, aber nun war ich doch ein wenig neugierig. Was wollten sie hier? Leise kletterte ich meinen Baum wieder herunter und kletterte einen anderen hoch, welcher näher an der Lichtung stand. Dort konnte ich meine Eltern halbwegs verstehen.

"Warum bringst du mich wieder hierher?", fragte Dad, immer noch am weinen. "Weil ich geforscht habe", antwortete meine Mutter, "Du weißt doch, was sie mit den Leichen machen und bis jetzt hat noch niemand Sakuro gefunden und ich will nicht, dass ihm das gleiche Leid widerfährt. Ich will ihm eine andere Ruhestätte schenken, doch sein Geist wird immer hier sein." Jetzt wurde es interessant. Was hatte Mum vor? Wollte sie Sakuros Leiche hier wegschaffen? Wollte sie gehen? Nein, diesen Gedanken durfte ich nicht weiterdenken. Mum würde uns nicht alleine lassen.

"Wo?", riss mich Dads Stimme wieder in die Gegenwart, "Wo soll diese Ruhestätte sein, wenn nicht bei den anderen Drachen in den Höhlen?" "Es gibt ein Buch, welches besagt, dass es hier auf der Welt noch andere Ruhestätten gibt. Es wird von den Wächterdrachen erzählt, welche die Leichen der Drachen in eine neue Welt schicken. Es wird erzählt, dass ihr Geist jedoch immer bei einem sein wird." "Aber ich will Sakuro nicht noch ein zweites Mal verlieren. Das erste Mal war schon schlimm genug", schluchzte Dad, doch er schien sich fassen zu können, solange er seinen Drachen nicht ansah. Doch sobald er auch nur eine Schuppe Sakuros sah, kamen die Tränen wieder zum Vorschein.

Ich konnte es nicht mehr länger ansehen, doch ich konnte auch nicht gehen. Irgendetwas hinderte mich daran. Vielleicht, weil ich wusste, dass ich sobald meine Eltern nicht mehr sehen würde. Aber sicher war ich nicht. Deswegen harrte ich hier immer noch aus, kämpfte selber gegen meine Tränen und hörte ihnen halb zu. Sie redeten noch immer über ihn und es brach mir das Herz, die beiden so zu sehen. Sie waren immer fröhlich und glücklich, doch jetzt? Jetzt sprach nur die Trauer in ihren Gesichtern und das war etwas, was ich nie wieder sehen wollte.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 11, 2021 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Saphira - DrachensucheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt