00.: The end of the beginning

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„Wenn ich mit dir fertig bin, hast du zum letzten Mal in deinem Leben den Vollmond gesehen, Kim."

Eigentlich wusste Jeongguk, dass es nicht die beste Idee war, große Töne zu spucken, während jemand ihn im Schwitzkasten hielt und eine Waffe auf seinen Kopf gerichtet hatte. Aber das letzte, was er in dieser Situation zugeben würde, war, dass er sich zu gedemütigt fühlte, um nicht auf diese Provokation einzugehen.

Kim Taehyung stolzierte vor ihm hin und her, als wäre er der König über Busans Hafen und schien seine Worte nicht einmal gehört zu haben.
Er trug einen Mundschutz und hatte die Kapuze seines Wintermantels tief ins Gesicht gezogen, aber trotzdem wusste Jeongguk, dass er lächelte.

„Hast du sein Portemonnaie?", fragte er nach einer Weile an den vermummten Kerl gewandt, der Jeongguk festgenagelt hatte, woraufhin eine Hand sofort an sein Bein ging und er spürte, wie ihm die Last seines Geldes aus der Tasche gezogen wurde.
Taehyung fing Jeongguks Brieftasche geschickt auf, als sein Komplize sie ihm zuwarf.

Jeongguk spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, als er sie öffnete und ein wenig zwischen den Scheinen blätterte, bis er offensichtlich etwas gefunden hatte, was ihm gefiel. Jeongguk wusste sofort, was es war und versuchte ein letztes Mal sich aus dem Griff des Kerls, der ihn festhielt, zu befreien, bis dieser die Waffe entsicherte und sein Wille diese Situation zu überleben auf einmal alles andere überwog.

„Deine Freundin?"
„Nein."
„Dann deine Schwester. Hübsch hübsch. Ob sie wohl daran interessiert wäre mich kennenzulernen?"
„Ganz bestimmt nicht", zischte Jeongguk und spürte sofort wie sich der kalte Lauf der Waffe an seine Schläfe drückte.

„Schade. Ich behalte es trotzdem, wenn du nichts dagegen hast, Jeongguk", nannte er ihn provokant beim Vornamen. „Lass ihn los, Hyung... wir haben alles, was wir wollten."

Der Druck an Jeongguks Hals ließ augenblicklich nach und er sah gerade noch aus dem Augenwinkel, wie Kim Taehyung das Bild seiner Schwester in der Tasche seines Mantels verschwinden ließ und dafür ein kleines Päckchen herausholte, bevor der andere Kerl Jeongguk in den Rücken trat und er mit dem Gesicht voran zu Boden ging.

Etwas Metallisches landete neben ihm und der Schmerz verblasste sofort, als er sah, dass es seine eigene Waffe war.
Augenblicklich riss er das Teil an sich, sprang auf die Beine und richtete sie auf Taehyung und seinen Komplizen, die gerade dabei waren auf einen der ankernden Dampfer zu steigen, die hier überall am Kai lagen.

„Stehen bleiben oder ich schieße!", brüllte er sofort, doch die beiden ließen sich davon nicht beeindrucken.
„Ich meine es ernst", versuchte er es noch einmal, doch alles was ich dafür erntete, war Taehyungs Belustigung. „Ich habe keine Scheu davor. Ihr zwei seid nur ein paar mickrige Ratten auf meiner Liste..."

„Na wenn das so ist... dann tu's doch, Jeongguk", rief Taehyung zurück und zog sich die Kapuze vom Kopf. Die feuerroten Locken glänzten im matten Licht des Vollmondes. „Schieß!"

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Jeongguk, doch dann sprang der Typ, der ihn gerade noch festgehalten hatte, zur Seite und löste das letzte Tau.
Wie aus Reflex riss Jeongguk seine Waffe hoch und betätigte den Abzug ohne groß zu zielen.

Es geschah... nichts.

Im Hintergrund heulten Sirenen auf und die blauen Lichter der Dienstwagen vermischte sich mit dem des Vollmondes. Der Dampfer trieb langsam aus dem Hafen und er konnte Taehyungs Schadenfreude bis hier hin sehen.

Natürlich gaben sie ihm keine geladene Waffe zurück.

Ihm wurde heiß vor Wut und nicht einmal die quietschenden Reifen hinter ihm konnten etwas daran ändern.
Schon wieder war er weg.
Schon wieder war er entwischt.

„Ich hab dir gesagt, du sollst auf mich warten, Jeon", blaffte ihn jemand an und ein wenig erleichtert, nickte Jeongguk Yoongi zu, der aus dem Wagen stieg und ihm eine Waffe zuwarf, die bedeutend schwerer war, als die, die ich in der Hand hielt. „Los jetzt. Keine Müdigkeit vortäuschen. Solange sie im Hafen dümpeln gehören sie uns."

„Sie sind zu weit weg. Das schaffen wir nicht", versuchte Jeongguk die Euphorie seines Partners zu bremsen, doch da war dieser schon vorgestürmt und hatte auf den Dampfer gefeuert. Meilenweit vorbei, aber nicht weit genug, als dass Jeongguk nicht mit Genugtuung beobachten konnte, dass Taehyung zusammengezuckt war.

Augenblicklich war der Schmerz verschwunden und er rannte los. Am Kai entlang und die geladene Waffe fest umklammert, aus Angst sie fallen zu lassen, bevor er die beiden Verbrecher eingeholt hatte.

Eigentlich wusste Jeongguk kaum etwas über Taehyung und seinen Komplizen, aber sie hatten es schon mehrmals zu offensichtlich gemacht, dass sie das Gesetz verabscheuten. Es schien für sie wie ein Spiel. Als wollten sie, dass die Polizei sie bemerkte.

Der Dampfer wurde nur langsam von der Strömung davon getragen, weshalb Jeongguk schon bald aufgeholt hatte und zu seiner Zufriedenheit Überraschung in Taehyungs Augen sehen konnte.

„Kommt da runter oder ich schieße", befahl er und hob seine Waffe. Sie lag schwer in seiner Hand, aber er würde sie benutzen.

„Das will ich sehen", erhob Taehyung seine Stimme und zog das kleine Päckchen hinter seinem Rücken hervor. „Ein Cop. Stark wie ein Ochse, aber kaum aus der Schule raus... und du willst fähig sein den Abzug zu drücken?"

„Du unterschätzt mich", knurrte Jeongguk und feuerte probehalber auf einen Punkt über Taehyungs Komplizen. Der Schuss hallte durch die Nacht und der Kerl zuckte sofort zusammen, woraufhin Taehyung ihn grob anstieß.

„Daneben. Jetzt bin ich dran..."
Mit aller Kraft schleuderte Taehyung das Päckchen durch die Luft, sodass es nur wenige Meter von Jeongguk entfernt auf dem Boden aufschlug.

„Bon Voyage! Wir sehen uns im nächsten Leben", rief er und verbeugte sich tief, bevor er sich die Kapuze seines Mantels wieder aufsetzte und sich von ihm abwandte.

Erst dann fiel Jeongguk auf, dass das Päckchen zu ticken angefangen hatte. Doch statt wegzurennen tat er das einzige, was ihm in diesem Moment sinnvoll erschien.

Er riss die Waffe hoch, stabilisierte sie, zielte für zwei Sekunden auf den Wintermantel und drückte ab.

Der Schuss kam einen Augenaufschlag vor dem Knall der Explosion.

Jeongguk hatte keine Zeit seinen Triumph in Form von Taehyungs Schmerzensschrei auszukosten, da ihn die Druckwelle packte und zurückschleuderte.

In diesem Moment sah er vieles nur aus dem Augenwinkel; Yoongi und den Rest seiner Kollegen, das blaue Licht der Sirenen, sein linkes Bein, das sich unnatürlich verdreht hatte, Feuer und Rauch, den Dampfer und eine dunkle Gestalt, die über das Deck taumelte, als könnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten.

Jeongguk bemerkte, dass ihm die Schmerzen die Tränen in die Augen trieben. Er konnte sich nicht rühren.
Er sah nur, dass Yoongi bei ihm angekommen war, seine Schulter packte, ihn schüttelte und verzweifelt auf ihn einredete. Fragte, ob er ihn hören könne, während Jeongguk langsam spürte, wie ihm mit dem Schmerz ein Stück seiner Seele verließ.

Und er sah Taehyung, der sich nicht an der Reling hatte abfangen können und über diese in das pechschwarze Wasser des Hafenbeckens stürzte.








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