I. Neustart

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Den letzten Karton gepackt, den letzten Blick gewagt und das letzte Mal Tschüss gesagt.

Das wars. Endgültig. Für immer. Tschüss London. Good bye.

Neue Stadt, neues Leben. So lautet meine neue Devise. Ein bisschen mulmig war mir schon, wenn ich daran denke, wie viel Schönes ich hier erlebt habe und was ich nun hinter mir lassen würde. Wer weiß, ob es jemals auch nur annähernd so wird wie früher, vor Ed. Ich habe keine Ahnung, welche Herausforderungen noch auf mich zukommen werden, was überhaupt aus mir wird. Was ist, wenn jemand meine Identität entdeckt? Wenn ich meinen Job verliere? Keinen Anschluss finde? Keine Freunde? Je mehr ich darüber nachdenke, desto schwieriger fällt mir der Abschied von meiner alten, kleinen Londoner Wohnung.

Aber wer es schon geschafft hat, von einem anderen Planeten hier her zukommen, die Sprache, Sitten und Gebräuche zu erlernen, für den wird der Rest wohl auch ein Kinderspiel sein, oder?

Einige Stunden und Minuten später stehe ich schließlich vor einem alten, großen Haus in Irland, dessen Miete sicherlich nicht grundlos so günstig ist. Aber mir gefällt es. Hier gibt es bestimmt immer was zu tun, was mich von meinem endlosen inneren Schmerzen ablenkt. Und hier kann ich in Ruhe an meinem Plan tüfteln, meinen Auftrag zu erfüllen- wird ja auch langsam Zeit.

Durch die großen, dunkelgrünen Haustüren gelangt man direkt in die hohe Eingangshalle. Zu meiner Rechten befindet sich ein Kamin, zu meiner ein goldener, verzierter Kleiderhaken, eines der wenigen Schmuckstücke, die ich besitze. Zur Zeit ist die Eingangshalle vollgepackt mit Umzugskartons, in paar Wochen wird diese aber leer sein. Die Küche, deren Tür etwa viereinhalb Meter vom Kleiderhaken entfernt ist, sieht aus als käme sie aus den 50ern, wenn nicht sogar aus noch früherer Zeit. Der Boden aus weißen und schwarzen Kacheln war kalt, die Küchenmöbel alt, vergraut und schmucklos, aber mit bisschen praktischer Fantasie kann es hier ganz schön werden. An der Decke hängt, wie in jedem Raum, ein vergoldeter Kronleuchter. Auch in der Waschküche befindet sich so ein Leuchter sowie im Esszimmer, welches über einen riesigen Schrank aus Eichenholz und einem Esstisch für mindestens zehn Personen verfügt. Insgesamt also weit über meinen Bedürfnissen. Zurück zur Eingangshalle- von da aus gelangt man schließlich zum Wohnzimmer rechts neben dem Kamin. Im Wohnzimmer befindet sich noch ein weiterer Kamin, dazu etliche Diwans, Bücherregale, Gemälde, Teppiche und überraschenderweise ein ziemlich moderner Fernseher. Mir stellt sich bei all dem Kram jedoch die Frage, wo ich meine Sachen hier noch unterbekommen sollte. Irgendwann wird jedoch der Zeitpunkt der sein, wo diese Frage nicht mehr notwendig sein wird...Ein 5G-Mast befindet sich auch ganz in der Nähe. 

Voller Zuversicht und Freude laufe ich die dunklen Holztreppen gegenüber der Haustür hinauf, von da führt ein hufeisenförmiger Flur zu vier weiteren Zimmern, auf jeder Seite zwei. Die zwei vorderen werden zum Einen zu meinem Büro, zum Anderen zu meinem Ankleidezimmer. Neben dem Büro befindet sich ein erstaunlich modernes und helles Badezimmer und gegenüber, auf der anderen Seite der Treppe, ist mein Schlafzimmer mit perfektem Blick auf den Mast. Mein Haus steht auf einem Hügel, umringt von Nichts anderem als Wald und Wiese und- für mich ganz wichtig- einer Höhle in der Nähe des Mastes.

Als erstes öffne ich meinen Koffer mit den Unterlagen für meinen Plan und versuche, meinen neuen Schreibtisch aufzubauen. Mein Schreibtisch hat aber eine Besonderheit: In einer Schublade befindet sich ein Touchscreen, durch dessen Berührung sich ein Portal öffnet. Über das Portal kann ich Kontakt zu anderen Reptiloiden, wie beispielsweise dem amerikanischen Präsidenten Ronald Dump, oder meiner Familie auf meinem Heimatplaneten, knüpfen.

Ich vermisse sie. Vor Jahren habe ich sie verlassen, weil ich von der interplanetaren Regierung der intergalaktischen Vereinigung Milky Way & Co. KG den Auftrag bekommen habe, den Planeten Erde unserer Vereinigung gefügig zu machen. Alle Paar Jahre entsendet sie einen auserwählten Reptiloiden, um den Zustand der Erde zu begutachten und sich unter den Homo Sapiens zu mischen, in der Hoffnung, dass irgendwann ein so großer Zirkel entsteht, sodass die Übernahme der Weltherrschaft nur noch ein Klacks sein wird. Und was soll ich sagen- wir sind auf dem besten Weg dahin. Das  Besondere an uns ist, dass wir uns auch hier auf der Erde problemlos Fortpflanzen können. Durch eine Paarung mit einem Menschen werden unsere Nachkommen nämlich nicht Halb-Mensch, nein, sie übernehmen nur die Reptiloiden-Gene. Ein paar Menschen sind uns  auch schon auf die Spur gekommen, aber sie werden glücklicherweise als Verschwörungstheoretiker diffamiert.

Finanzieren tun wir uns über die Adrenochrom-Gewinnung durch kleine Kinder, daher auch die Höhle hier in der Nähe."Adrenochrom"  kennen die Menschen bislang nur als Stoffwechselprodukt, dabei ist es viel mehr als das: Es ist einfach magisch, ein Elixier, um jung zu bleiben, es wirkt nicht nur bei Reptiloiden, sondern auch bei Menschen und ist unter den höchsten Kreisen der Gesellschaft sehr gefragt. Leider, wobei für uns auch zum Glück, ist es durch die schwierige, schmerzhafte und moralisch äußerst fragwürdige Herstellung sehr teuer und bringt uns viel Geld ein.
Dieses Geld wird jedoch für den Ausbau unseres 5G-Netzes genutzt, weswegen ich leider noch nicht als superreiche bekannt bin. Das Haus hier ist im Übrigen auch im Besitz eines Reptiloiden, der hat dafür natürlich Verständnis und die Miete deswegen nicht all zu hoch angesetzt. Ich sagte ja, die Miete ist nicht grundlos so günstig.
5G benötigen wir übrigens zur Zerstörung und...

Oh, es klopft.

Ed 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt