4. Kapitel

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EICHHORNSCHWEIF WAR am nächsten Tag für die Morgenpatrouille eingeteilt. Als sie zurückkehre, wartete Blattsee schon auf sie. Erleichtert stellte Eichhornschweif fest, dass sie endlich einmal nicht erschöpft aussah. „Ich muss mit dir reden!" miaute ihre Schwester aufgeregt. „Aber nicht hier, komm mit in den Wald." Die Beiden suchten sich eine versteckte Lichtung und ließen sich nieder. „Tüpfelblatt hat mich heute Nacht in meinen Träumen besucht." Begann Blattsee ohne Umschweife. „Sie hat mir geraten mich auf mein Herz zu verlassen." Eichhornschweif sah sie verständnislos an. Was sollten sie denn mit dieser Aussage anfangen?Blattsee verdrehte die Augen. „Ich habe nachgedacht, ich werde die Jungen weder aussetzen, noch töten oder so etwas. Ich möchte, dass sie als DonnerClan-Katzen aufzuwachsen und für ihren Clan zu kämpfen können." „Bist du dir sicher? Was werden die Clans davon halten, dass unsere Heilerkatze Junge bekommt?" Blattsee zögerte kurz. Eichhornschweif spürte, wie sie mit sich kämpfte. „Sie können mit mir machen was sie wollen. Ich möchte nicht, dass die Jungen für meine Fehler bestraft werden." Eichhornschweif schwieg. Sie erkannte einen Fehler in Blattsees Überlegung. „Ich denke nicht, dass deine Aufopferung den Jungen viel bringen wird. Sie werden als Jungen einer Heilerin immer darum kämpfen müssen akzeptiert zu werden. Außerdem sind sie HalbClan-Katzen. Das wird noch mehr Schwierigkeiten bedeuten." Blattsee sank in sich zusammen. „Gibt es den keine Chance den Jungen ein normales Leben zu ermöglichen?" „Eine normale Zukunft hätten sie nur, mit anderen Eltern." meinte Eichhornschweif hoffnungslos. Plötzlich richtete Blattsee sich auf. „Das ist die Lösung! Sie müssen andere Eltern haben." Eichhornschweif verdrehte die Augen. „Ach ja natürlich, und wie bitte soll das gehen?" „Wir könnten sagen es wären deine Jungen." Eichhornschweif verschlug es die Sprache. „Meine? Bist du jetzt völlig mäusehirnig geworden!?" Blattsee schlug die Augen nieder. „Das wäre das Beste für die Jungen." „Dafür würden wir den Clan belügen! Und auch die Jungen würden mit einer Lüge aufwachsen. Weißt du was passieren würde, wenn wir das tun würden und es irgendwann herauskäme?" „Die Konsequenzen kennen wir vorher nie vollständig. Tüpfelblatt hat gesagt ich soll darauf vertrauen, was ich für richtig halte." „Für dich ist das einfach." fauchte Eichhornschweif verächtlich. „Du bleibst Heilerin und bekommst keine Probleme, aber was ist mit mir und mit Brombeerkralle? Wir wollen Junge bekommen, Eigene!"Wütend sprang Eichhornschweif auf und rannte in den Wald. Bis zum Abend, als Eichhornschweif in ihr Nest ging, hatten die Schwestern kein weiteres Wort gewechselt. Es gefiel der Kätzin nicht, sich mit ihrer Schwester zu streiten. Das taten sie so gut wie nie, aber was Blattsee von ihr verlangte war einfach zu viel. Es war ja nicht nur sie selbst betroffen, auch von ihrem Gefährten würde sie verlangen müssen den Clan zu belügen. Und Brombeerkralle war Zweiter Anführer! Das wäre ein extremer Vertrauensbruch gegenüber dem Clan.Noch lange wälzte sich Eichhornschweif in ihrem Nest hin und her. Schuldgefühle lasteten auf ihr. Sie konnte Blattsee doch nicht einfach im Stich lassen. Sie war ihre Schwester und sie hatten eine besonders starke Verbindung. Auch jetzt konnte Eichhornschweif fühlen, wie es Blattsee ging. Die Heilerin lag ebenfalls wach. Gedanken und die immer wiederkehrende Übelkeit quälten sie. Gewaltsam zog Eichhornschweif ihre Gedanken zu sich selbst zurück. 'Das ist Blattsees Problem. Ich habe das Recht eigene Junge zu bekommen.' Doch es ging ja auch um die Jungen. Sollten sie nicht einen bestmöglichen Start ins Leben bekommen?Eichhornschweif versuchte die Gedanken zu vertreiben und schließlich glitt sie in den Schlaf.Wenig später schlug sie die Augen auf. Der Mond schien in den Bau. Leise erhob sich Eichhornschweif und betrat die nächtliche Lichtung. Es hatte schon wieder geschneit. Das glitzernde Weiß reichte der Kätzin bis an den Bauch, doch seltsamerweise spürte sie die Kälte nicht. Ohne zu wissen warum sie es tat, lief die Kriegerin zum Dornentunnel und in den Wald. Farnpelz der vor dem Eingang Wache hielt, reagierte nicht als vorbei glitt. 'Seltsam.' Eichhornschweif wusste nicht wohin sie ging, doch ihre Schritte führten sie zielsicher durch die Nacht, bis sie eine Lichtung erreichte. Auf der Lichtung saß eine graue Katze mit verfilztem Fell und gelben Augen. Leichter Sternenglanz umgab die Kätzin."Wer bist du?" "Mein Name ist Gelbzahn." krächzte die Alte. Gelbzahn! Als Eichhornschweif noch ein Junges gewesen war, hatte ihr Vater oft von der ehemaligen Heilerin gesprochen. Sie hatte einst zu seinen besten Freunden gehört, nachdem er sich um sie gekümmert hatte, als die einstige SchattenClan-Heilerin zum DonnerClan kam. Eichhornschweif hatte schon viel über Gelbzahns Temperament und ihre spitze Zunge gehört, allerdings konnte sie sich nicht vorstellen, was die SternenClan-Kätzin ausgerechnet von ihr wollte.Als sie das äußerte, knurrte Gelbzahn unwillig. "Kannst du dir das nicht denken? Deine Schwester erwartet Junge und du weigert dich ihr zu helfen." "Ich helfe ihr doch!" wehrte sich Eichhornschweif. Sie wusste genau worauf Gelbzahn hinaus wollte, doch darüber wollte sie nicht diskutieren. Gelbzahn aber anscheinend schon. "Wirklich helfen würdest du nur, wenn du zustimmst ihre Jungen anzunehmen."Das Fell der roten Kätzin sträubte sich. 'Was mischt Gelbzahn sich hier eigentlich ein? Das geht sie gar nichts an!' „Ihr verlangt von mir meinen Clan und die Jungen zu belügen!" Kurz huschte ein Flackern über Gelbzahns Augen, doch es war verschwunden ehe Eichhornschweif sicher sein konnte und Gelbzahn antwortete mit unvermindert forscher Stimme. "Es sind immer Lügen damit verbunden, wenn Heilerkatzen Junge bekommen. Es ist der einzige Weg eine Katastrophe zu vermeiden." Eichhornschweif wurde immer wütender. Sie knurrte. "Was ist mit meinem Leben? Ich möchte selber Junge haben." Gelbzahn zuckte unnachgiebig mit den Ohren. "Du hättest doch Junge.""Eigene!" fauchte Eichhornschweif. In diesem Moment hätte sie sich am liebsten auf die SternenClan-Kätzin gestürzt. "Ich möchte 'eigene' Junge bekommen. Das ist etwas anderes!" Für einige Herzschläge schwieg Gelbzahn, dann miaute sie ganz ruhig: "Du kannst überhaupt keine Jungen bekommen." Fassungslos starrte Eichhornschweif die Heilerin an. "Du kannst keine Jungen bekommen." erklärte Gelbzahn. "Der SternenClan kennt diese Krankheit. Manche Kätzinnen sind nicht in der Lage Junge zu gebären..." Gelbzahn sagte noch etwas, doch Eichhornschweif hörte nur das Blut in ihren Ohren rauschen. Sie würde nie Junge mit Brombeerkralle haben. Der Traum, den sie seit etlichen Monden hegte, war zerstört.Mit einem festen Hieb auf die Ohren, holte Gelbzahn sie zurück. "Deine einzige Möglichkeit Junge zu haben, ist Blattsees anzunehmen. Damit würdest du nicht nur dir und deiner Schwester helfen, sondern auch den Jungen eine Chance geben." Eichhornschweif zögerte. "Würde es den Jungen wirklich besser ergehen, wenn sie mit einer Lüge aufwachsen?" Gelbzahn verdrehte die Augen. "Besser als ausgestoßen?" Sie fügte hinzu: "Du hilfst auch dem DonnerClan. Was glaubst du passiert, wenn bekannt wird, dass unsere Heilerkatze Junge mit einen Kater aus einem anderen Clan bekommen hat?" So hatte Eichhornschweif die Sache noch gar nicht gesehen. Seufzend senkte sie den Kopf. "Du hast Recht. Es ist das Beste für alle."

Eichhornschweif erwachte abrupt. Der Mond stand noch hoch. Brombeerkralle saß aufrecht neben ihrem Nest. "Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so aufgeregt." Eichhornschweif schüttelte den Kopf um ihre Gedanken zu sortieren. "Nein, alles gut. Schlaf weiter." Sie leckte ihrem Gefährten die Ohren und er schlief weiter. Während Eichhornschweif ihn betrachtete lag ihre Entscheidung ihr schwer im Magen. Was dies doch auch alles für Brombeerkralle bedeutete.In diesem Moment fasste sie einen Entschluss. Sie würde Brombeerkralle nicht erzählen, dass die Jungen nicht die ihren waren. Sie wollte ihm diese Last des Wissens ersparen, wollte nicht, dass er ihretwegen den Clan belügen musste. Auch wollte sie nicht, dass er diese Traurigkeit durchmachen musste, dass sie nie eigene gemeinsame Junge bekommen würden. Nein, zumindest für ihren Gefährten sollten diese Jungen, die perfekten sein die sie sich zusammen gewünscht hatten. 

Blattsees Geheimnis (Warrior Cats Short Adventure)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt