6. Kapitel

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ENTSETZT WANDTE Blattsee sich zu dem Jungen um. Eichhornschweif beobachtete mit klopfendem Herzen, wie die Heilerin den kleinen graugetigerten Kater untersuchte. Schließlich sah Blattsee auf. "Es atmet, aber es ist sehr schwach. Gib ihm etwas Thymian, das wärmt ihn und leck sein Fell gegen den Strich um die Atmung anzuregen." "Woher soll ich wissen was Thymian ist?" fauchte Eichhornschweif. "Das dunkelgrüne Kraut mit den kleinen Blättern und dem kräftigen Geruch." Eichhornschweif zerkaute das Kraut und gab dem Jungen davon. Sie begann es zu lecken und nach einer Weile begann es zu zappeln. Es maunzte und endlich ließ Blattsee die Jungen trinken. Eichhornschweif beobachtete die drei kleinen am Bauch ihrer Schwester. Die Liebe in ihren Augen rührte Eichhornschweif und sie war überrascht, die gleichen Gefühle zu empfinden. Jetzt wusste sie, dass es richtig war die Jungen anzunehmen. Sie liebte sie jetzt schon wie ihre Eigenen. Diese Jungen waren einfach etwas Besonderes. 

Die nächsten Tage jagte Eichhornschweif für Blattsee und die Jungen. Sie hatten abgemacht erst zum Clan zurückzukehren wenn Blattsee und die Jungen sich erholt hatten. Keiner sollte erkennen können, dass nicht Eichhornschweif, sondern die Heilerin eine Geburt hinter sich hatte. Als Eichhornschweif am zweiten Tag mit etwas Beute zurückkehrte, erwartete Blattsee sie schon aufgeregt. "Sie öffnen die Augen!"Eichhornschweif schüttelte sich den Schnee aus dem Fell und betrat die Höhle. Der goldene Kater saß mit offenen Augen im Nest und sah ihr entgegen. Seine Augen waren bernsteinfarben. "Wer bist du?" maunzte er. Eichhornschweif warf Blattsee einen schnellen Blick zu und antwortete dann: "Ich bin deine Mutter." "Mutter? Was ist das?" quietschte die schwarze Kätzin. "Ich will das auch sehen." "Versuch doch mal deine Augen zu öffnen." schlug Blattsee vor. Die Kleine bemühte sich. Sie machte ein so angestrengtes Gesicht dabei, dass Eichhornschweif schnurren musste. Dann gelang es der Jungkatze. Ihre Augen waren strahlend grün. "Toll." maunzte sie und begann sofort die Höhle zu untersuchen."Wo ist denn da der Unterschied?" War das dritte Kätzchen zu vernehmen. Erstaunt mustert Eichhornschweif den Kater. Auch er hatte die Augen geöffnet. Sie waren blau, doch von einem seltsamen Schleier überzogen, wirkten sie blicklos. Eichhornschweif sah Blattsee an, die ihren Blick erschrocken erwiderte. "Er ist blind." Blattsee sah ihn einige Herzschläge lang mit traurigen Augen an. "Ich nenne ihn Häherjunges." "Obwohl er blind ist?" "Grade deshalb." Eichhornschweif nickte langsam. "Und wie sollen die anderen heißen?" "Die schwarze Disteljunges." Die Schwestern tauschten Blicke. Sie wussten, dass dieser Name die brennende Lüge in ihren Herzen darstellen sollte, die beide von nun an mit sich herumtragen würden. "Der goldene Kater sieht aus wie ein Löwe." meinte Eichhornschweif leise. "Ich finde wir sollten ihn Löwenjunges nennen." Blattsee war einverstanden.Eichhornschweif beobachtete Häherjunges. "Ob der Kleine jemals ein Krieger werden kann?" "Das weiß allein der SternenClan." Das Junge beachtete das Gerede über seinem Kopf nicht, hüpfte hinter seiner Schwester her und begann die Höhle aus zu schnuppern. "Egal was passiert ich werde ihn immer lieben." Miaute Blattsee erstickt. "Ich auch." Die Heilerin warf ihr einen seltsamen Blick zu, dann nickte sie. "Ja, schließlich sollst du seine Mutter sein." 

Am nächsten Tag meinte Blattsee die Jungen seien kräftig genug um zu reisen. Nachdem die Jungen ein letztes Mal getrunken hatten, fraß Blattsee einige der mitgebrachten Kräuter. Sie erklärte, dass die helfen würden den Milchfluss zu stoppen. Dann stupsten die Kätzinnen die Jungen aus dem Bau. "Das ist kalt." beschwerte sich Häherjunges. Der Schnee lag noch höher als beim letzten Mal. Eichhornschweif bezweifelte, dass sie die Jungen dort hindurch tragen konnten. "Wir können die Jungen zu zweit nicht tragen." Sprach Blattsee aus was Eichhornschweif gedacht hatte. "Der Schnee liegt zu hoch und die Jungen können nicht lange in der Kälte bleiben." Eichhornschweif überlegte. "Wenn wir voran gehen, können sie in unseren Spuren laufen, dann sinken sie nicht ein und sind vor dem Wind geschützt." Blattsee sah immer noch besorgt aus, doch sie nickte. "Kommt meine Kleinen, wir machen einen Ausflug." miaute Eichhornschweif. "Wohin?" piepste Disteljunges. "Zum DonnerClan. Dort werdet ihr aufwachsen." "Was ist ein DonnerClan?" fragte Löwenjunges mit großen Augen. Dieses Mal antwortete Blattsee. "Das werdet ihr alles noch lernen. Wichtig ist nur, dass euch dort alle lieben."Die Schwestern gingen voran und bemühten sich, denn Jungen einen möglichst breiten Pfad zu pflügen. Diese stolperten hinter ihnen her. Blattsee schlüpfte durch den Tunnel in den Dornen und Eichhornschweif dirigierte die Jungen hindurch. Als Häherjunges den Tunnel betrat, lief er prompt gegen die Wand. Eichhornschweif seufzte. 'Was sollen wir nur mit einem blinden Jungen machen? Er wird sich nie zurechtfinden. Ein normales Leben kann er nicht führen.' Vorsichtig lenkte sie den kleinen grauen Kater durch die Dornen. Weiter ging es in Richtung Lager. "Häherjunges bleibt zurück." miaute Blattsee nach einer Weile. Eichhornschweif wandte sich um. Disteljunges und Löwenjunges waren hinter ihnen, doch Häherjunges stolperte einige Fuchslängen weiter hinten. Immer wieder stieß er mit dem Näschen gegen Schneewehen. "Wir warten kurz, aber lass es ihn allein versuchen." Miaute Eichhornschweif. "Er wird lernen müssen zu Recht zu kommen." Kurz vor dem Lager sahen sie sich erneut um. Überrascht stellte Eichhornschweif fest, dass Häherjunges inzwischen zu seinen Geschwistern aufgeschlossen hatte und sicher an Löwenjunges Seite lief. "Vielleicht findet der Kleine sich auch besser zurecht als wir dachten. Wenn wir ihm Zeit lassen." Eichhornschweif blickte ihre Schwester an und sah in ihren Augen die gleiche Hoffnung aufleuchten, doch auch Trauer sah sie dort. Für Blattsee war der Augenblick gekommen sich von ihren Jungen zu verabschieden, die von nun an die ihrer Schwester sein würden. Sie liebkoste alle drei nacheinander. "Eichhornschweif wird euch eine gute Mutter sein, aber ich werde euch trotzdem immer lieben." Die Jungen blickten verwirrt. Sie waren noch zu klein um die ganze Bedeutung der Worte zu verstehen. Blattsee drehte sich um, straffte die Schultern und schlüpfte als Erste durch den Dornentunnel in den Felsenkessel. Eichhornschweif schob die Jungen vor sich her. Sie war kaum auf der anderen Seite aufgetaucht, da ertönte ein Schrei. "Eichhornschweif!" Brombeerkralle kam auf sie zu gerannt. "Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht." "Um mich muss man sich keine Sorgen machen. Ich kann auf mich selbst aufpassen." Die Katzen auf der Lichtung versammelten sich um sie und auch manche anderen tauchten aus den Bauen auf. Ihre Clangefährten bombardierten die Schwestern mit Fragen. Sie verstummten als Feuerstern und Sandsturm, von dem Lärm aufgeschreckt, den Steinfall herunter gesprungen kamen. "Es geht euch gut! Dem SternenClan sei Dank!" miaute Feuerstern erleichtert. Während Sandsturm ihren Töchtern schnurrend über das Gesicht leckte. "Wo wart ihr nur? Der ganze Clan hat nach euch gesucht." "Es tut uns Leid. Wir haben nicht daran gedacht." Eichhornschweif tat schuldbewusst. "Wir mussten noch warten, bis meine Jungen kräftig genug waren für die Reise." Mit diesen Worten trat sie beiseite und gab den Blick frei auf die Jungen, die hinter ihr im Dornentunnel hockten. "Im Clan breitete sich Getuschel aus. „Die Jungen kamen früher als ich erwartet hatte." erzählte Eichhornschweif ihre frei erfundene Geschichte weiter. "Deshalb konnte ich vorher mit niemandem mehr darüber sprechen. Die Wehen setzten ein als ich im Wald war. Zum Glück war ich mit Blattsee unterwegs." "Du hast Junge erwartet? Deshalb warst du in letzter Zeit so seltsam." Brombeerkralle schmiegte sich an sie. Für Wolkenschweif schein die Geschichte weniger schlüssig zu sein. "Wieso haben euch die Suchpatrouillen nicht gefunden?" Diesmal antwortete Blattsee: "Wir haben uns ein Versteck gegen Räuber gesucht und ich konnte Eichhornschweif nicht alleine lassen um Hilfe zu holen. Eines der Jungen war sehr schwach." Brombeerkralle betrachtete die Jungen nervös. "Geht es ihm jetzt besser?" Eichhornschweif nickte und holte die Jungen mit dem Schwanz näher heran. "Das sind Disteljunges, Löwenjunges und Häherjunges." "Wer ist das?" quietschte Disteljunges und starrte Brombeerkralle an. Ängstlich presste sie sich an Eichhornschweif. "Das ist euer Vater. Geht und begrüßt ihn." Disteljunges und Löwenjunges näherten sich dem Kater. Ebenso Häherjunges, doch im Gegensatz zu seinen Geschwistern, die Brombeerkralle neugierig musterten, waren seine blicklosen Augen ins nichts, eine Schwanzlänge neben seinen Vater gerichtet. "Was ist mit ihm?" fragte Brombeerkralle und stupste das Junge an. Eichhornschweif schluckte. "Er ist blind." Die Katzen um sie herum wurden schlagartig still. Dann waren vereinzelte mitleidige Ausrufe zu vernehmen. "Blind?" "Der arme Kleine!" "Er wird nie ein richtiger Krieger werden." Eichhornschweif straffte sich. "Er findet sich besser zurecht als man denkt. Wir sollten jetzt noch kein Urteil über ihn fällen. Er wird gewiss eine loyale Katze." "Natürlich wird er das." bekräftigte Brombeerkralle. "Er wird lernen sich zu Recht zu finden. Alle unsere Jungen werden großartige Krieger werden und ich werde immer stolz auf sie sein. Auch auf Häherjunges." Löwenjunges nieste und Blattsee scheuchte die Katzen auseinander. "Die Jungen müssen in die Kinderstube. Hier draußen ist es zu kalt. Außerdem brauchen sie eine ordentliche Mahlzeit. Eichhornschweifs Milch kommt nicht richtig, aber vielleicht kann Rauchfell sie säugen." Blattsee begleitete ihre Schwester, die mit ihrem Gefährten und den Jungen in die Kinderstube gingen. "Du musst dich ausruhen." sagte Brombeerkralle liebevoll zu Eichhornschweif. "Die Geburt muss dich sehr erschöpft haben. Mit etwas Schlaf und Frischbeute wird deine Milch sicherlich kommen." Eichhornschweif warf Blattsee über die Schulter einen Blick zu. Die Lüge lastete schwer auf ihnen, doch das Wichtigste war, dass der Clan die Jungen akzeptiert hatte.

Ende


Meine Fanfiktion soll zeigen, wie schwer den Schwestern ihre Entscheidung gefallen ist und das sie zum Besten der Jungen gehandelt haben.

Das ist nicht die echte Geschichte, die wurde im Novella 'Leafpools wish' veröffentlicht, aber das ist noch nicht auf Deutsch erschienen. (Stand Mai 2020)

Lasst mir gerne einen Kommentar da, wie euch meine Fanfiktion gefällt.

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Blattsees Geheimnis (Warrior Cats Short Adventure)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt