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Die letzten zwei Wochen im Krankenhaus vergingen dank Sus sehr schnell. Es ist so als ob wir nie aufgehört haben beste Freundinnen zu sein.
Dazu geht es mir von Tag zu Tag immer besser. Und Liam gehe ich so gut wie möglich aus dem Weg. Wir beide haben nicht mehr ein Wort über Mom verloren seit dem einen Gespräch. Ich kann es ihm immer noch nicht verzeihen.
Susanne sieht, dass ein wenig anderes. Sie flirtet ja auch die ganze Zeit mit meinem Bruder was mich etwas nervt, aber irgendwie sind die Beiden auch total süß zusammen. Sie ist um die 24, nur paar Jahre älter als ich. Und das Unglaubliche ist, dass sie bis heute nicht einen einzigen Freund hatte.
Gedankenverloren wie an jedem Abend, gehe ich hoch auf die Dachterrasse um etwas Luft zu schnappen.
Als ich die Tür zur Terrasse öffne begrüßt mich sofort ein kühler Windhauch. Ich atme die frische Luft ein und fühle mich gleich ein wenig befreit.
Dann schaue ich zu den Sternen hoch, die man hier so schön betrachten kann. Die Terrasse ist im Moment menschenleer, was mir gefällt. Trotzdem verkrieche ich mich in die hinterste Ecke und lege mich dort auf den Boden so wie jedes Mal um den Sternen zuzusehen, wie sich nichts machen. Zurzeit ist es meine Lieblingsbeschäftigung. Und immer wenn ich versuche meine Augen zu schließen, sehe ich Mom vor mir. Ich schließe dennoch meine Augen. Doch plötzlich spüre ich Wärme.
Und rieche ich gerade Zimt? Ist es Mister Durchgeknallt?
"Was machst du hier?!" fahre ich ihn an und setze mich auf.
"Dasselbe wie du, schätze ich." gab er schulterzuckend zurück und schmunzelt dabei schelmisch.
Na toll, es ist wirklich Nolan. Ich schüttele wütend meinen Kopf. Wieso nur?
Er tut es mir gleich und schaut mich aus seinen wunderschönen, grünen Augen an. Ich hasse sie.
"Was hast du? Warum bist du im Krankenhaus" will er aufrichtig wissen. Hä, ist es sein Ernst?
"Autounfall. Und du?" frage ich ihn. Schweigen.
"COPD"
"CO... Was?"
"COPD. Das ist eine Lungenerkankung"
Oh.
"Das tut mir leid." meine ich traurig.
Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Und so weit ich weiß kann man sogar daran sterben, dass will ich ihn aber definitiv nicht fragen.
"Ach, hör auf. Ich brauch nicht noch mehr Mitleid."
Er wuschelt sich durch seine braunen Haare, was es leider nicht besser aussehen lässt. Gut, dass Thema will er eindeutig nicht mehr ansprechen.
"Wie lang bist du schon hier?" möchte ich wissen, da ich sein Blick auf mir spüre und ich ihn schnell von mir ablenken will.
"Solange, dass ich jede Ecke und jeden der Ärzte kenne."
Oh man. Ich nicke respektvoll und lege mich wieder auf den kalten Boden, damit er diese dumme Röte im meinem Gesicht nicht sehen kann. Er tut es mir gleich, was mich schwitzen lässt. Und dass in der Kälte.
Nolan reibt sich die Hände.
"Ist dir nicht kalt?" fragt er mich ernsthaft besorgt.
"Sehr." flüstere ich.
"Mein Herz ist wie erfroren und ich spüre gar nichts mehr."
Ungewollt kullert mir eine Träne runter, die ich aber schnell weg wische. Und wieso zum Teufel hab ich es gerade gesagt?
"Ich kann dich wärmen" raunt Nolan.
Als Antwort boxe ich ihm mit dem Ellenbogen gegen seinen Arm, aber vielleicht etwas zu hart.
"Aua" meint er daraufhin, aber lacht dabei und reibt sich seinen Arm. Worauf ich auch mitlachen muss.
"Ava!" ruft plötzlich eine Stimme, die ich zu gut kenne und gerade auf gar keinen Fall hören möchte.
"Scheiße Scheiße, Scheiße" beginne ich leise zu fluche.
"Ich komme schon." rufe ich zurück.
Wie ich meinen Bruder doch liebe. Was soll er bitte denken, wenn er mich mit einem Mann, dazu noch Mister Durchgeknallt, zusammen auf der Terrasse liegen sieht. Also, Shit. Ich stehe hastig auf und renne so gut ich kann zur Tür.
"Jaa?" will ich genervt von Liam wissen, als wir zusammen wieder zu meinen Zimmer laufen.
"Pff ... . Sorry, dass ich dich mit ..."
Er kruschtelt in seinem Ordner rum.
"... aha, Nolan gestört habe bei was auch immer ihr da getrieben habt. Aber ich finde es wirklich okay wenn du Nolan ..."
"Liam" unterbreche ich ihn genervt.
Er hebt die Arme nach oben, als ob er unschuldig wäre.
"Susanne muss wieder zurück nach Hause. Deshalb wird sie für ein paar Tage oder sogar Wochen nicht mehr da sein. Sie möchte sich noch von dir verabschieden." erklärt er mir bedauernd.
Oh.
"Habt ihr euch schon verabschiedet? Da will ich nicht unbedingt dabei sein." scherzte ich und zwinkere ihm zu.
Dann kommt auch schon Susanne auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung. Sie ist diejenige die mich in den letzten zwei Wochen auf den Beinen gehalten hat. Aus dem Grund ist sie auch meine beste Freundin.
"Pass auf dich auf, Ava. Versprich mir das." flüstert sie mir ins Ohr und gibt mir ein Kuss auf die Wange.
"Musst du wirklich gehen?!" flehe ich sie an mit der Hoffnung, dass sie doch noch ein wenig bleibt. Sie schüttelt traurig den Kopf.
"Die Arbeit ruft. Aber ich schwöre dir, ich werde in kürzester Zeit wieder bei dir sein"
... ja bei mir UND meinem Bruder. Den Bruder den ich erst vor ein paar Wochen, dass erste mal seit langer, langer Zeit gesehen habe.
"Pass auch auf dich auf, Liam" murmelt Sus schüchtern.
Oh Gott, bitte nicht. Ich lass meinen Bruder nicht mal zu Wort kommen.
"Pass du gefälligst auf dich auf." sage ich etwas zu laut und ziehe sie nochmal in eine fette Umarmung.
Dann lassen wir uns los und sie dreht sich um und geht. Liam ist inzwischen schon verschwunden.
Traurig begebe ich mich alleine wieder zurück in mein Zimmer.
Wie soll ich denn jetzt hier noch überleben ohne sie? Auf einmal bleibe ich stehen. Wo bin ich überhaupt? Bin ich auf der richtigen Etage?
Ich hoffe, dass es die richtige Etage ist und öffne einfach eine Tür mit der Hoffnung das es meine ist. Ähnlich sieht es schon mal aus.
Doch dann bleibt mir die Luft weg. Im Zimmer, begegnet mich ein völlig fertiger und verweinter Nolan.

Stroke of Fate Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt