Kapitel 3. Tragische Familiengeschichte.

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Wie es sich später herausgestellt hatte, war es dasselbe Rettungsteam wie das letzte Mal. Daniel fand es etwas irritierend, während der Notarzt Oliver Dreier, nachdem Harry versorgt war, noch einmal nachfragte ob alles in Ordnung sei. Daniel beantwortete das mit einem ja, was zu seiner Gesichtsfarbe aber nicht passte. Der junge Mann sah etwas blass um die Nase aus. Nach dem Oliver Dreier seinen Patienten zur Sicherheit schlafen gelegt hatte, fuhr Frank mit ins Krankenhaus. Vorher nahm er aber die Trinkflasche von Harry mit, und auch seine Kaffeetasse. Er hatte nämlich das Gefühl, dass irgendetwas damit nicht stimmte. So kam es, dass Daniel und Mustafa frei hatten. Nachdem beide zu Hause waren, trafen sie sich vor dem Krankenhaus wieder. Sie informierten sich und gingen zusammen auf die Intensivstation. Noch einer von ihnen, der hier lag, dachte sich Daniel. Ob das seine Schuld war? In beiden Fällen war er dabei. Gut, er hatte geholfen. Aber trotzdem kamen so langsam Zweifel. Dominik, dem er davon erzählt hatte, meinte nur dass es Unglücke waren- Zufälle, die keiner voraussehen konnte. Aber Daniel war sich da absolut nicht mehr sicher. Jedenfalls trafen sie in Harrys Zimmer nicht nur auf Frank, sondern auch auf Georg. "Hey ihr zwei, setzt euch. Wir müssen reden." Meinte Frank so ernst, dass es Daniel eiskalt den Rücken runter lief. "Was ist los?" Fragte Mustafa. "Jemand hat es wohl auf uns abgesehen. Mich hat vorhin die KTU angerufen. Die haben mir erzählt, dass Saschas Auto zwar von der Straße gedrängt wurde, aber auch so manipuliert worden ist, dass es hoch ging." Meinte Georg, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und holte tief Luft. "Und außerdem wurde Harrys Wasserflasche überprüft, zusammen mit seiner Kaffeetasse. An beiden fand man Rückstände eines Nervengifts, das hier in Deutschland verboten ist. Aber zum Glück hatten sie das Gegenmittel noch hier, sonst hätte das böse ausgehen können. Laut dem Notarzt war es auch gut, dass er sich noch mal übergeben hat." Meinte Georg. "Verdammt. Was nun? Ich lasse mich von solchen Typen nicht davon abhalten, meinen Job zu machen." Meinte Mustafa. "Er hat vollkommen recht. Würden wir jetzt kneifen, dann kann ja wirklich jeder kommen." Meinte Daniel jetzt auch. Gut, ein wenig mulmig war ihm schon zumute. Aber er würde trotzdem noch weitermachen, solange es Schmuggler gab. Es war sein Beruf, genauso wie es Dominiks war, durch brennende Häuser zu laufen. Nachdem sie sich geeinigt hatten, dass sie Donnerstag erst wieder zur Arbeit gehen mussten, trennten sich die Wege von Daniel und Mustafa. Daniel konnte noch nicht nach Hause, er war von dem Gehörten noch zu aufgewühlt. Er zog aus seiner Hose die Nummer von Bella, und in der anderen Hand hielt er schon das Handy. Sollte er, oder sollte er nicht? "Vom nur auf den Zettel starren wird es auch nicht besser." Hörte er hinter sich eine Stimme. Er drehte sich um und vor ihm stand der Notarzt von den letzten beiden Einsätzen. "Na los, das Leben ist zur kurz um Zeit zu verlieren." Meinte der. Daniel guckte ihn gerade etwas verdattert an. "Hey Oli, wo bleibst du denn? Das NEF ist schon längst beladen." Hörte Daniel wieder eine bekannte Stimme und sah jetzt den Fahrer, der auch in den letzten beiden Einsätzen dabei war. "Hey, Daniel glaube ich, oder?" Fragte ihn jetzt der zweite Mann. Er schien ebenfalls südländische Wurzeln zu haben "Äh ja. Daniel Perez. Beim ersten Mal konnte ich Sie ja nicht verstehen und beim zweiten Mal hattet ihr ja keine Zeit." Meinte Daniel und schüttelte beiden die Hand. "Lass mal das Sie stecken. Ich bin der Oliver und das ist Franco. Schön dich kenn zu lernen. Bist du neu bei den Zöllnern?" Fragte Oli gleich los. "Ja, ich bin von Kiel nach Köln versetzt worden." Meinte Daniel. Ihm gefiel das. Hier war kaum einer darauf aus, mit Sie angesprochen zu werden. Hier war alles okay. "Zurück zum Thema Meister. Wie gesagt, schieb es nicht so lange vor dir her." Meinte Oliver Dreier zu ihm. Franco Fabiano stand daneben und man konnte die Fragezeichen über seinem Kopf sehen. Nach langem hin und her mit sich selbst schrieb er ihr eine Nachricht, und dann kam auch schon prompt die Antwort. "In einer Stunde am Café Antonios." Daniels Herz schlug schneller. Er war jetzt schon so nervös wie an seinem ersten Schultag. Antonios lag eine Querstraße von seiner Wohnung entfernt, also beeilte er sich, um sich noch einmal umzuziehen. Dann machte er sich schon auf den Weg dorthin. Und dort stand sie. In einer dunklen Jeans und schwarzem T-Shirt, auf dem Mono Inc stand. Interessant, sie hatte auch einen guten Musikgeschmack, denn diese Band hörte er auch gerne. Ob es noch mehr Gemeinsamkeiten gab zwischen ihnen? Er wurde jetzt erst recht neugierig auf sie und konnte nur hoffen, dass Mustafa sie beide nicht erwischte. Das würde wohl richtig Ärger geben. "Hey Daniel, schön dass du dich gemeldet hast." Meinte Bella und schenkte ihm das umwerfendste Lächeln, was er je gesehen hatte. "Hey Bella." War das einzige, was er rausbekam. Herr Gott nochmal Perez, jetzt reißt dich endlich zusammen und verhalte dich wie ein Mann. Was sollte Bella nur von dir denken? "Lass uns setzten, dann sieht das nicht so komisch aus." Meinte Bella mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen. Es war echt angenehm mit Bella zu reden. Es war so ungezwungen. Erst redeten sie über ihren Beruf und was sie schon alles gesehen hatten. Und dann um ihren Musikgeschmack und sie waren sich einig, zusammen mit Dominik, der ja auch auf diese Band stand, zu einem Konzert zu gehen. Sobald sie mal wieder in Köln spielen sollten. Sie lachten gerade über ein paar Polizisten, die ein paar Enten in der Nähe einfingen, weil sie den Autoverkehr behinderten, als Bellas Handy eine WhatsApp Nachricht anzeigte. Bella musste den Kopf schütteln und schrieb schnell zurück. "Was, dein Onkel der fragt wo du bleibst?" Fragte Daniel neckisch. "Fast. Ne, er fragte ob es mit heute Abend mit Abendbrot bei mir bleibt. Wir haben eine Tradition, weißt du? Dienstag und Donnerstag kommt er zur mir und dann gibt es südländische Küche." Meinte sie und lächelte etwas wehmütig.
"Warum hast du eigentlich bei deinem Onkel gelebt?" Fragte er nach und im nächsten Augenblick bereute er es auch schon wieder. Denn ihr Blick wurde so richtig traurig. "Entschuldige, das war unsensibel von mir. Ich hätte nicht so was fragen sollen, das geht mich nichts an." Meinte Daniel beschämt. "Nein, schon gut. ich erzähle es dir. Die anderen von meinem Onkels Team wissen es ja auch. Aber nicht hier im Café." Meinte Bella. Daniel bezahlte alles. Bella wollte etwas sagen, aber Daniel zog sie einfach weiter bis zu einem Park, und dann erzählte sie. "Es fing alles gleich nach meiner Geburt an, die meine Mutter leider nicht überlebte. Aufgrund von Komplikationen. Mein Vater wusste nichts von mir und so sollte ich eigentlich ins Heim. Aber mein Onkel, also der Bruder meiner Mutter, war zum Glück der nächste Angehörige. Und ohne mit der Wimper zu zucken nahm er mich auf. Seine damalige Frau fand das zum Anfang auch noch okay, aber als die Ärzte ihr sagten, dass sie nie eigene Kinder bekommen könnte, war es aus damit. Da war ich vier. Da begann der Terror erst wirklich für mich. Wenn Mustafa da war, spielte sie ihm immer die heile Welt vor. Aber immer, wenn er weg war, musste ich alles machen im Haushalt, wie ein billiges Dienstmädchen. Und wehe, es war nicht sauber genug. Dann gab es schon mal Schläge. Das ging einmal so weit, dass ich weggelaufen bin. Da war ich fast sechs. Ich bin in zwei Polizisten reingelaufen und der jüngere von beiden war frisch von der Polizeischule. Der wollte mich festhalten, aber ich wehrte mich und trat ihn gegen das Schienbein. Er ließ mich los vor Schreck und Schmerz. Ich lief natürlich weiter, aber nicht darauf achtend wohin. Und dann kann ich mich nur noch an einen grauenhaften Schmerz erinnern und das wars. Mustafa erzählte mir später, dass ich von einem Auto angefahren wurde und wohl sehr lange auf der Intensivstation lag. Ich kann mich bis heute nicht mal mehr an den Krankenhausaufenthalt erinnern." Meinte Bella und guckte traurig durch den Park. "Das einzig Gute war, das Mustafa sich von der Alten scheiden lassen hatte. Und nur drei Jahre danach fand er Jasmin und die beiden leben immer noch glücklich miteinander, und haben jetzt drei erwachsene Kinder miteinander." Meinte Bella noch leise. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Daniel wusste nicht warum, aber er nahm einfach ihre Hand in seine. "Ich war fünf, als meine Mutter an Krebs starb. Ich wusste damals gar nicht, dass sie krank war. Sie ließ es mich nie spüren, im Gegenteil. Sie versuchte alles für mich zu tun. Dabei hatten wir wirklich nicht viel. Danach wurde ich ins Heim gesteckt. Dort wurde ich immer gemobbt, weil ich anders aussah wie die Kinder dort. Als ich in die Schule kam, lernte ich Dominik kennen. Bis heute sind wir die besten Freunde. Er war es auch, der mich aus Kiel weggeholt hatte und mit seiner Hilfe kam ich dann auch zu dem Jobangebot hier. Denn meine alten Arbeitskollegen in Kiel waren auch nicht besser als die Kinder aus dem Heim." Beendete auch Daniel seine Geschichte. Bella blieb stehen und sah ihn an, und er sie. Und wie automatisch näherten sie sich, und dann überwanden sie die letzten Zentimeter und küssten sich. Und hinter ihnen ging gerade die Sonne unter. Nach dem Kuss brachte Daniel Bella noch nach Hause. Und heute am Donnerstag stand er hier mit Mustafa zusammen am Rasthof und kontrollierte die Autos. "Daniel, ich muss mal mit dir reden." Meinte Mustafa so plötzlich zu ihm, als sie gerade nicht so viel zu tun hatten. Etwas panisch versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. Der würde doch nicht doch irgendwas mitbekommen haben, oder? "Ja Mustafa?" Fragte er so neutral nach, wie möglich. "Okay, hör mir einfach nur zu. Ja? Ich habe euch zwei am Dienstag im Park gesehen. Was ich davon halte ist dir bestimmt
klar. Also tu mir einen Gefallen. Tu ihr nicht weh, sie hat in ihrem jungen Leben schon genug gelitten." Meinte er zu Daniel. Der sah ihn nur verwundert an. "Ich weiß. Sie hat mir das am Dienstag erzählt." Meinte Daniel dann. "Verstehe. Und der Kuss?" Fragte Mustafa nach. Auf einmal wurde Daniel knallrot und Mustafa musste sich das Lachen verkneifen. Dass das gerade geraten war von ihm, musste er ihm nicht auf die Nase binden. "Ich… Ich mag sie wirklich sehr gern. Und ich würde alles für sie tun." Meinte Daniel jetzt, und Mustafa lächelte ihn an. "Gut. Sei dir aber im Klaren, das du dir von Frank was anhören darfst, wenn du ihr weh tust. Denn für ihn ist sie wie die kleine Tochter, die er nie hatte." Meinte Mustafa noch hinterher. "Mmh. Ich weiß. Ich glaube, Frank mag mich sowieso nicht wirklich." Meinte Daniel jetzt und betrachtet seine Schuhe interessiert. "Das würde ich jetzt nicht so sagen. Weißt du, dein Vorgänger war nicht so gut. Und Frank musste ihn rausschmeißen. Und davor gab es einen, der wurde von Frank persönlich verhaftet. Warum weiß keiner, das wurde uns nie gesagt. Und wir selber haben auch nie nachgefragt." Meinte Mustafa. "Okay? Und ich dachte er hätte damit ein Problem, das ich keine deutschen Eltern habe." Meinte Daniel. "Wie kommst du denn jetzt darauf?" Fragte Mustafa erstaunt. "Meine früheren Kollegen waren der Meinung, dass sowas wie ich überhaupt nichts im Zoll zu suchen hat. Ich war dort auch der Einzige mit südländischen Wurzeln. Dementsprechend haben die mich auch alle behandelt. Was sie alles gesagt haben, brauch ich dir bestimmt nicht aufzählen. Du kannst es dir ja denken, oder? "Erzählte Daniel Mustafa alles. Der schüttelte nur den Kopf. Ja, er kannte das nur zu gut. Und auch Arabella hatte immer darunter zu leiden. "Nein, Frank ist zwar manchmal sehr grummelig, aber das ist nur Fassade. Eigentlich ist er nett. Wenn man hinter seine Maske blickt." Meinte Mustafa und klopfte Daniel auf die Schulter. "Los komm, weiter geht es." Meinte Mustafa, als der plötzlich das Gesicht verzog und dann gab er Daniel einen Stoß. Der fiel dadurch nach hinten auf den Bordstein und sah noch, wie Mustafa von einem Auto angefahren wurde und blutend liegen blieb. "MUSTAFA!" Brüllte Daniel über den Rasthof und das Auto fuhr mit Vollgas über die Autobahn davon.

Grün aber nicht hinter den Ohren. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt